Aus den prächtigen Kurhotels von Bad Neuenahr wurden während des Ersten Weltkriegs Lazarette. Das Foto zeigt das Reservelazarett Concordia.
Von unserem Mitarbeiter Jochen Tarrach
Obwohl die Stadt nicht unmittelbar von zerstörerischen Kriegshandlungen betroffen war, herrschten Not und Elend. Noch am 1. Mai 1914 hatte die Bevölkerung des Kurbads Grund zur Freude, denn nach nur kurzer Bauzeit konnte noch rechtzeitig zu Saisonbeginn der neue Westflügel des Kurhotels in Betrieb genommen werden. Neue Kurgäste brachten Geld in den Ort, jedermann profitierte.
Doch schon der Juli 1914 erfüllte viele Bürger und Kurgäste mit der bangen Ahnung eines großen Unheils, das bald im fernen Südosten mit der Ermordung des österreichischen Thronfolgers seinen Anfang nehmen sollte. Die große Ungewissheit über die politischen Verhältnisse und die damit drohende Kriegsgefahr veranlasste viele Kurgäste noch Mitte Juli 1914, die Kur abzubrechen. Als am 31. Juli der Kaiser das Reichsgebiet in Kriegszustand versetzte, reisten mehr als 300 Gäste allein des Kurhotels, darunter viele Ausländer, endgültig und überstürzt ab.
Das Reservelazarett von Bad Neuenahr nahm viele verwundete Soldaten auf.
Der 2. August 1914 war der erste Mobilmachungstag. Selbst die elektrische gleislose Bahn zwischen Ahrweiler und Bad Neuenahr stellte ihren Betrieb bis auf zunächst zwei Fahrten täglich ein, später vollständig. Ihr Betrieb wurde nie wieder aufgenommen. Der Gemeinderat bewilligte 30.000 Mark noch aus dem Etat von 1914 zur Unterstützung der infolge des Feldzuges in Not geratenen Angehörigen der Gemeinde.
Viele Hausbesitzer stellten ihre Räume zu Lazarettzwecken zur Verfügung. Die Kurdirektion hatte einen großen Teil ihres Kurhotels für das Reservelazarett Neuenahr zur Verfügung gestellt. Auch die meisten der anderen feudalen Hotels wurden im Verlauf des Ersten Weltkriegs noch zu Lazaretten umfunktioniert. Der Kurbetrieb kam zwar nicht vollständig zum Erliegen, verlor aber weitgehend seinen Schwung. Statt begüterter Kurgäste kamen nun quasi über Nacht bedauernswerte, auf dem Schlachtfeld verwundete Soldaten.
Amerikanische Truppen 1919 im Kurpark von Bad Neuenahr.
Die Heimatzeitung schrieb am 11. Oktober 1914: „Der Kriegsausbruch brachte (…) eine schleunige Abreise der Gäste, sodass das Ergebnis der diesjährigen Kurzeit wohl als ein sehr schlechtes anzusprechen ist. Die Errichtung eines Reservelazaretts hier mit der Höchstzahl von 800 Betten, durchschnittliche Belegung 250, kann den Ausfall nicht decken. Der Apollinaris-Brunnen hat mit Kriegsausbruch seinen Betrieb eingestellt. In Folge Einberufung einer sehr großen Zahl von Arbeitskräften zur Armee kann von Mangel an Arbeit und Arbeitslosigkeit derzeit nicht geredet werden. Mit großem Interesse werden die kriegerischen Ereignisse verfolgt, alle Schichten der Bevölkerung sind in gehobener patriotischer Stimmung.“
Bevölkerung steht hinter dem Kaiser
Die Bevölkerung war 1914 von der Notwendigkeit der Entbehrungen sowie der Not der Zeit überzeugt und stand noch fest zum Kaiser. 1916 kam sogar noch Begeisterung auf, als im April Ihre Königliche Hoheit Prinzessin Adelheid und im Juni Seine Königliche Hoheit Prinz Adalbert von Preußen in Bad Neuenahr Station machten. Doch von Monat zu Monat wurde die Lebensmittelknappheit größer. Die Stimmung schlug um, und am 4. Oktober 1917 schrieb die Heimatzeitung: „In Folge der langen Dauer des Krieges (…) ist die öffentliche Stimmung sehr gedrückt. Die Friedenssehnsucht ist unter der Bevölkerung ungeheuer, die in Folge dessen an allen politischen Ereignissen teilnahmslos vorübergeht.“
Zu Beginn des Jahres 1918 hatte eine Hochwasserkatastrophe die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt. Die Hauptstraßen von Neuenahr standen gänzlich unter Wasser. In den warmen Sommermonaten traf eine schlimme Grippeepidemie die Menschen. Am 9. November 1918 sah auch der Kaiser endlich ein, dass der Krieg verloren war und ging ins Exil nach Holland. Die Not war damit aber nicht vorbei. Sie begann erst richtig.
Rhein-Zeitung, 14. März 2014