Einkaufen vom Sofa aus: Turnschuhe, Gartenmöbel oder die neue Jeans lassen sich schon lange online bestellen. Doch auch das Angebot an Lieferdiensten für Lebensmittel ist laut der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Die Konzepte der Anbieter unterscheiden sich. Und nicht jeder liefert überall hin. In Koblenz ist Ende Januar beispielsweise der Lieferdienst Picnic an den Start gegangen. Nach Mainz ist die Schängel-Stadt die zweite in Rheinland-Pfalz, die der Service beliefert. Wir haben die Nutzermotive und das Geschäftsmodell unter die Lupe genommen.
„Das ist der komplette Wocheneinkauf“, sagt Maximilian Ambros über seine vergangenen Picnic-Bestellungen. Der Familienvater aus Koblenz-Mitte hat den Service schon mehrfach genutzt. Denn mit zwei kleinen Kindern kann es anstrengend werden im Supermarkt. Kleinigkeiten wie Obst oder Gemüse kaufe die Familie nach wie vor woanders – aber nicht viel mehr. Wenn die Kinder am Sonntagabend schlafen, so Ambros, wird über die App eingekauft und ein Liefertermin vereinbart.
Die Preise schätzt Ambros auf normales Supermarktniveau. Bezahlt wird gleich online. Ist ein Produkt nicht mehr verfügbar, werden über eine Pushnachricht mögliche Alternativen angezeigt. „Es ist relativ einfach“, findet der 32-Jährige. Er und seine Familie sind über einen Gruppenchat Koblenzer Mütter auf den Lieferdienst aufmerksam geworden. „Wir kennen noch weitere Familien, die es nutzen.“ Ambros selbst fände es gut, wenn über die App noch mehr regionale Produkte bestellbar wären.
Mindestbestellwert muss erreicht werden
Der Koblenzer Jörg Bayer hat Picnic ebenfalls schon ausprobiert. Er hat eine Lungenerkrankung, die ihm das Einkaufen erschwert. Auch von der Nachbarschaftshilfe Koblenz-Süd „kauft ab und zu jemand für mich ein“, erzählt der 64-Jährige. Der Vorteil der Nachbarschaftshilfe: Es gibt keinen Mindestbestellwert. Picnic verlangt zwar keine Liefergebühr, jedoch müssen für mindestens 40 Euro Waren bestellt werden. Eine Hürde, die vielleicht nicht jeder nimmt, glaubt Bayer. „Wenn ich locker über diesen Wert komme, würde ich es wieder machen“, sagt er. Eine Strategie könnte aus seiner Sicht sein, haltbare Lebensmittel auf Vorrat mitzubestellen.
Bayer hat zudem die Möglichkeit genutzt, dem Lieferdienst Pfandflaschen mitzugeben. „Das ist gut, dass die das annehmen“, findet der Koblenzer. Das Pfand im Wert von etwas mehr als 5 Euro habe er drei Tage später über Paypal auf sein Konto gutgeschrieben bekommen. Prinzipiell findet Jörg Bayer es gut, von zu Hause aus „aussuchen und stöbern“ zu können.
Wir haben uns gefragt: Warum wird das eigentlich nicht online gemacht?
Das Einkaufen von Lebensmitteln im Supermarkt koste viel Zeit sagt Frederic Knaudt, Mitbegründer von Picnic in Deutschland.
Das Unternehmen Picnic wurde 2015 in den Niederlanden gegründet. 2018 hat es seinen Betrieb hierzulande aufgenommen und liefert heute in etwa 100 Städten Lebensmittel und Drogerieartikel aus. Frederic Knaudt gehört zu den Mitbegründern in Deutschland.
Die Corona-Pandemie habe zahlreiche Menschen dazu gebracht, Lebensmittel online einzukaufen, so Knaudt. Doch bei Picnic habe man sich dem Thema schon früher gewidmet, „weil wir gesehen haben, dass die Menschen viel Zeit damit verbringen, Lebensmittel einzukaufen“, erklärt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Zeit, die man aus Knaudts Sicht auch anders verbringen könnte – etwa mit der Familie. Familien sieht er besonders vom Zeitfresser Wocheneinkauf betroffen. „Wir haben uns gefragt: Warum wird das eigentlich nicht online gemacht?“
Was es nicht geben sollte: Lieferkosten oder ein teureres Produktsortiment als im Supermarkt. Wie das funktionieren soll? „Die Kette haben wir so designt, dass wir alles weglassen, was wir nicht brauchen“, erklärt Knaudt. Ohne stationären Supermarkt falle einiges an Kosten für ein Filialnetz weg: für Immobilien oder Miete, Parkplätze in guter Lage und Energiekosten. Picnic betreibt stattdessen große Kühllager, Fullfilment Center genannt. „Dort kommt morgens die frische Ware an, wird gepackt für den Kunden und von dort in ein Verteilzentrum gefahren“, erklärt Knaudt. Das Verteilzentrum für Koblenz ist in Mülheim-Kärlich und bekommt seine Waren von einem Fullfilment Center nahe Köln. Hinzu kommt, dass Edeka ein Teilhaber des Lieferdienstes ist. Das ermögliche günstige Konditionen im Einkauf.
Elektrofahrzeuge haben begrenzte Reichweite
In Koblenz ist Picnic vorerst nur linksrheinisch unterwegs. Denn die eingesetzten Elektrofahrzeuge – eine Eigenkonzeption – haben eine limitierte Reichweite. „Sie können am Tag nur 100 Kilometer fahren und fahren auch nur 50 km/h“, erläutert Knaudt. Daher schaffen es die Lieferfahrzeuge rein technisch nicht auf die andere Seite des Flusses. Doch die E-Fahrzeuge würden weiterentwickelt. Mit der neuen Generation sollen demnächst auch Teile der anderen Rheinseite angefahren werden können. Geplant sei auch, die Lieferungen von Mülheim-Kärlich aus in Richtung Bendorf, Vallendar, Andernach und Neuwied auszuweiten.
Perspektivisch – abhängig von einem geeigneten Standort – solle zudem ein weiteres Verteilzentrum für die Region hinzukommen. Generell sagt Knaudt zur Ausdehnung des Liefergebiets: „Wir fokussieren uns erst mal auf die etwas größeren Städte in Rheinland-Pfalz – in der Regel ab 40.000, 50.000 Haushalte.“ Allerdings könne sich auch durch die Bündelung mehrerer kleinerer Städte ein interessantes Liefergebiet ergeben.
Ausgeliefert wird nach dem Milchmann-Prinzip
Wer bis 23 Uhr bei Picnic bestellt, könne in der Regel mit einer Lieferung am nächsten Tag rechnen. Was es bei Picnic allerdings nicht gebe, sei eine Lieferung auf Abruf. Der Lieferdienst fahre nicht drei Kunden, die in derselben Straße wohnen, um 10, 16 und 18 Uhr desselben Tages an. „Wir machen das ein bisschen wie der Milchmann früher“, erklärt Knaudt. „Wir sagen, wann wir in die Musterstraße kommen.“ Das ermögliche eine gebündelte und effiziente Auslieferung. Durch die Bündelung könne das Lieferangebot auch günstiger gehalten werden als durch das mehrfache Ansteuern desselben Ziels. Mit der Zeit kristallisierten sich bestimmte Routen beziehungsweise Lieferzeitfenster über die einzelnen Wochentage hinweg heraus, aus denen der Kunde das für sich passende auswählen könne.
Neben der Lieferung frei Haus sieht Knaudt noch einen weiteren Vorteil des Liefersystems: Es würden weniger Lebensmittel verschwendet. Durch die Vorbestellung der Kunden könne passgenau eingekauft werden. „Wir sagen unserem Bäcker nicht: Für morgen brauchen wir schätzungsweise 100 Brote. Sondern wir wissen, dass wir 93 Brote brauchen.“
Unternehmen hat ehrgeizige Ziele
Das Angebot regionaler Produkte soll ausgebaut werden. Dabei würden auch Kundenwünsche berücksichtigt. „Der Kunde kann in der App vermerken, hier gibt es zum Beispiel einen besonderen Honig, den hätten wir gern.“ Ab einer gewissen Nachfrage könne der Honig dann ins Sortiment aufgenommen werden.
Wird der stationäre Supermarkt aus Knaudts Sicht künftig weiter gebraucht? „Wenn man eine realistische Antwort haben will, spielt der stationäre Lebensmittel-Einzelhandel eine wichtige Rolle“, räumt er ein. Im Schnitt kämen auf einen Picnic-Kunden 43 Bestellungen im Jahr – was annähernd einer Bestellung pro Woche entspricht. Doch daneben kauften die Kunden auch woanders, etwa beim Metzger, auf dem Markt oder auch im Supermarkt. „Da gibt es keine Schwarz-Weiß-Welt.“
Doch das Unternehmen hat in Deutschland ehrgeizige Pläne: „Unser Ziel ist es, die Liefergebiete so weit auszubauen, dass wir über 50 Prozent der Familien in Deutschland erreichen können“, sagt Knaudt. Noch vor 2030 wolle man so weit sein. Es liegt also noch Arbeit vor dem Lieferservice. In Koblenz stehen derzeit noch um die 720 Menschen auf der Warteliste, die kapazitätsmäßig derzeit noch nicht beliefert werden können.
Die Konkurrenz schläft nicht
Neben Picnic gibt es in Rheinland-Pfalz weitere Anbieter, die Lebensmittel nach Hause liefern. So lassen sich beispielsweise auch im Rewe-Onlineshop Lebensmittel und Haushaltsprodukte bestellen. Wie die Rewe-Pressestelle erklärt, können Kunden online anhand ihrer Postleitzahl prüfen, ob ihnen die Produkte via Lieferservice gebracht werden können oder ob die Bestellung an einem Rewe-Markt abgeholt werden kann. „Ein dritter Weg sind vorwiegend von Kaufleuten in Eigenregie betriebene regionale Lieferservice-Angebote“, schreibt die Pressestelle.
Auch Rewe ist mit seinem Service auf Wachstumskurs. In den vergangenen zwei Jahren habe der Rewe-Lieferservice sieben neue Food Fulfillment Center in deutschen Metropolregionen eröffnet. Derzeit gebe es deutschlandweit 16 solcher spezialisierter Lagerstandorte, „die über 90 Städte plus Umland versorgen“. Dazu kämen mehr als 1800 Standorte mit Abholservice sowie rund 310 regionale Lieferangebote. Auch die Kapazitäten im Abholservice würden ausgebaut.
„In Rheinland-Pfalz beliefert der zentral gesteuerte Rewe-Lieferservice aus Food Fulfillment Centern Gebiete zwischen Mainz, Bingen und Oppenheim sowie zwischen Mannheim, Worms, Haßloch und Speyer“, erklärt Rewe. Zusätzlich gebe es im Land rund 100 Rewe-Märkte mit Abholservice. Rund 20 Märkte betreiben laut Rewe einen Lieferservice in Eigenregie.
Kunden können für ihre Bestellung unterschiedliche Zeitfenster auswählen, „die sich von Montag bis Samstag in der Regel über den gesamten Tag zwischen 7 und 22 Uhr erstrecken“, erläutert Rewe. Der Mindestbestellwert liegt bei 50 Euro. Die Liefergebühr rangiert je nach Menge und gewähltem Lieferzeitfenster zwischen 0 und 4,90 Euro. red