Die einen Zentimeter dicke „Fahrerschutzscheibe“ aus Polycarbonat soll nämlich nicht spiegeln und nicht splittern und stets freien Blick in die Rückspiegel und auf den Eingang des Busses gewähren. „Wir haben Pionierarbeit geleistet“, betont Heymann, nun sei die Scheibe genehmigungs- und eintragungsfähig beim TÜV. „Das Interesse ist riesig“, erklärt er zur Resonanz auf die Neuentwicklung innerhalb der Branche.
Einige Herausforderungen bei Form und Funktionalität waren zu meistern. So müssen die Scheiben an die Kassen am Fahrersitz angepasst werden, Befestigungsmöglichkeiten waren zu bedenken. Vor allem hat die Firma jedoch die Suche nach einem geeigneten, brandfesten und spiegelfreien Material beschäftigt. Einige Zulassungen liefen im Sommer aus, aber was neu angeliefert werde in zwei auf drei Meter großen Platten, sei beim Kraftfahrtbundesamt gelistet, so Geschäftsführer Michael Aulmann.
Die Firma Heymann hat zudem Designschutz beantragt. Beim TÜV ist die Aufmerksamkeit so groß, dass dessen Mitarbeiter die Innovation aus Nastätten zum Erfahrungsaustausch und zur Weiterbildung benutzten, schildern die beiden Geschäftsführer. Entwicklung und Vertrieb habe die Heymann GmbH alleine in der Hand, bei einzelnen Fertigungsschritten seien lokale Partner eingebunden: Der Zuschnitt werde beispielsweise auf CNC-Maschinen bei der Firma Fetz in Miehlen vorgenommen.
Rund ein Dutzend Typen der Fahrerschutzscheibe hat die Firma Heymann bisher entworfen, sie sind bestimmt für die gängigsten Linienbusmodelle der Hersteller Mercedes-Benz, MAN, Setra und Iveco. Eine weitere Diversifizierung zeichnet sich ab, auf 100 Stück täglich wird die Kapazität der Fertigung in Nastätten beziffert. Zu jedem Bausatz gehört eine Anleitung: Zwei Monteure könnten dann in jeder Werkstatt in zwei Stunden gemeinsam die Scheiben installieren. Schulungen gibt es ebenso.
Wirtschaftliche Aspekte spielen natürlich gleichfalls eine Rolle. Bei der Heymann GmbH erhöhen die Fahrerschutzscheiben die Auslastung im Betrieb, der in Teilen wegen der Krise von Auftragsrückgängen betroffen ist. Profitieren sollen darüber hinaus die Besitzer der Linienbusse, die zuletzt keine Passagiere durch die Vordertür einsteigen lassen und somit oftmals kein Fahrgeld kassieren konnten. „Das hat den Unternehmen richtig wehgetan“, berichtet Aulmann über diese Auswirkung der Pandemie. Er war selbst überrascht über die Summen, die trotz Monats- und Netzkarten in bar umgesetzt werden. In einer Stadt wie Koblenz könnten die Einnahmeverluste am Tag leicht fünfstellig ausfallen. Die Koblenzer Verkehrsbetriebe GmbH (koveb) bekam daher den ersten Prototypen vorgestellt. Weiterhin wird es künftig wieder möglich, Ein- und Ausstieg ohne Begegnung im Bus zu organisieren. Der Firma Heymann nutzt bereits in der Vergangenheit erworbenes Know-how. „Wir haben uns seit zwei Jahren mit dem Thema befasst, da hat noch kein Mensch an Corona gedacht“, erzählt Thomas Heymann. Ursprünglich war der Schutz der Fahrer vor aggressiven Tätern der Impuls, vor allem nachts hatten sich Übergriffe in Linienbussen ereignet. Die Scheiben könnten deswegen langfristig zu einem Geschäftsfeld werden, ganz unabhängig von den Risiken einer Viruspandemie.
Die Kosten der Kunden für eine Nachrüstung belaufen sich nach Heymanns und Aulmanns Angaben auf 800 bis 900 Euro. Das sei günstiger als ein Vandalismusschutz ab Herstellerwerk aus Sicherheitsglas, der mit rund 2500 Euro zu Buche schlage. Mit der Ausstattung aus Nastätten lasse sich außerdem schneller und flexibler auf die Belange der Busunternehmer eingehen. Hoch sei übrigens die Nachfrage aus Baden-Württemberg, wo es neuerdings Zuschüsse für entsprechende Umbauten gebe.