Die rheinland-pfälzische CDU-Fraktion hat Staatssekretärin Heike Raab (SPD) am Mittwochmittag zum Rücktritt von ihren Regierungsämtern und aus allen Rundfunkgremien aufgefordert. Es könne davon ausgegangenen werden, dass sie „in unzulässiger Weise versucht hat, von staatlicher Seite Einfluss auf die Berichterstattung des SWR zu nehmen“, sagte CDU-Fraktionschef Gordon Schnieder.
Raab hatte sich in einem Brief vom 2. Mai bei SWR-Landessenderdirektorin Ulla Fiebig über die Berichterstattung zum Rücktritt und zur Verantwortung von Ex-Innenminister Roger Lewentz (SPD) bei der Flut beschwert. Ein SWR-Reporter kam in dem Beitrag zur Einschätzung, dass es bundesweit wahrscheinlich einmalig sei, dass ein „Landesinnenminister, der die politische Verantwortung für die vielen Toten dieser schrecklichen Ahrkatastrophe übernehmen muss, weiterhin Landesvorsitzender seiner Partei bleibt“. Raab schrieb in ihrem Brief, dies sei „objektiv falsch“, bat um Antwort und drohte mit dem Programmausschuss. Die SPD-Politikerin ist Staatssekretärin für Medien und zugleich Funktionärin in mehreren SWR-Gremien.
CDU: „Bruch demokratischer Spielregeln“
Dies sei eine „eklatante Vermischung von Staatsämtern und Aufsichtspositionen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk“, sagte CDU-Fraktionschef Schnieder am Mittwoch. Er kritisierte auch die Regierungssprecherin für ihre Behauptung, dass Raab nicht in ihrer Funktion als Mitglied der Landesregierung gehandelt habe. Dazu gebe es keinerlei Belege, wodurch ihre Aussage unglaubwürdig sei. Erschwerend komme hinzu, dass der „Einschüchterungsversuch“ Raabs zugunsten ihres Parteifreundes Roger Lewentz (SPD) erfolgt sei. Die CDU wertete dies als “Bruch demokratischer Spielregeln“ und „beschämend für die Medienpolitik im Land“.
Raab soll sich am Donnerstagnachmittag im Medienausschuss des rheinland-pfälzischen Landtags erklären. Die CDU will dort auch wissen, ob auch die Ministerpräsidentin Kenntnis von der Intervention ihrer Staatssekretärin beim SWR hatte. Die AfD schloss sich am Mittwoch zwar der Rücktrittsforderung der CDU an, kritisierte die Fraktion allerdings für eine „Schaufensterpolitik“, weil sie gestern einen Berichtsantrag zum Thema für den Medienausschuss abgelehnt habe. Mit einem Rücktritt sei es nicht getan, es brauche eine umfangreiche Aufklärung und Aufarbeitung der Geschehnisse, sagte der AfD-Abgeordnete Joachim Paul.
Die Freien Wähler fordern indes eine Stellungnahme von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Als Chefin der Landesregierung habe sie sich bei der Flutkatastrophe weggeduckt, sagte Freie-Wähler-Fraktionschef Joachim Streit. Die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks müsse jetzt durch eine Regierungserklärung bestätigt werden. Am Freitag könnte der Brief auch Thema im Rundfunkrat des Öffentlich-Rechtlichen werden.
Raab vergreift sich auch auf X im Ton – auch gegenüber der Rhein-Zeitung
Die Affäre um Heike Raab hatte sich am späten Dienstagabend noch weiter zugespitzt. In einem Beitrag auf X (früher Twitter) schrieb Raab, aktuell würden in der Angelegenheit rund um ihren in der Kritik stehenden Brief an den SWR „Gerüchte in die Welt gesetzt und verbreitet“. Um die Wahrnehmbarkeit dieses Beitrags zu erhöhen, markierte sie ihn mit dem Hashtag „#Desinformation“. Allerdings postete die Staatssekretärin dies nicht in einem einzelnen Beitrag, sondern als Antwort auf einen zuvor von Bastian Hauck, dem landespolitischen Korrespondenten dieser Zeitung, ebenfalls auf X geposteten Beitrag. Hauck hatte darin eine Position des CDU-Fraktionsvorsitzenden Gordon Schnieder zur Angelegenheit Raab wiedergegeben.
Lars Hennemann, Chefredakteur unserer Zeitung, forderte daraufhin noch am Dienstagabend auf X in einer weiteren Antwort auf Raab Belege für die Darstellung der Staatssekretärin. Kurz darauf wurde Raabs Beitrag gelöscht. Allerdings zu spät: Sowohl Hennemann als auch Hauck hatten ihn zu diesem Zeitpunkt bereits als Bildschirmfotos gesichert. Bis er von den Smartphone-Displays verschwand, war er dort 463 Mal angezeigt worden.
Am Mittwochmorgen sandte die Chefredaktion die Fotos an Raabs Büro und an die Mainzer Staatskanzlei mit der Bitte um Einordnung. „Wir wollten geklärt sehen, ob Frau Raab uns der Verbreitung von Gerüchten bezichtigt oder die CDU in Gestalt von Herrn Schnieder“, so Chefredakteur Hennemann. Auch wenn möglicherweise nur Herr Schnieder gemeint gewesen sei, habe Raab durch das Einbeziehen von Landeskorrespondent Hauck in ihren Beitrag die Rhein-Zeitung mindestens mittelbar in diesen – noch zu belegenden – Zusammenhang gestellt.
„Man mag von Herrn Schnieders Position in der ganzen Angelegenheit halten, was man will. Darum geht es mir nicht. Aber Frau Raab packt auch uns unter das Thema Gerüchte und Desinformation. Dazu hat sie aus meiner Sicht keinerlei Anlass, und deshalb will ich das sofort geklärt sehen. Jeder möglicherweise tatsächlich so gedachte oder durch das Geschriebene so wirkende Versuch, uns zu diskreditieren oder auf andere Weise zu treffen, wird diese Wirkung verfehlen“, so Hennemann am Mittwochmorgen weiter.
“Ein Versehen"
Die Redaktion sandte daraufhin eine sechs Fragen umfassende Anfrage an die Staatskanzlei und an das Büro von Heike Raab. Die Staatskanzlei sicherte eine Beantwortung zu. Auch mehr als eine Stunde nach der mit angemessenem Vorlauf erbetenen Frist lag sie jedoch ohne weitere Begründung aus Mainz nicht vor, sondern traf erst kurz vor Redaktionsschluss ein. Die Einbeziehung der Rhein-Zeitung sei ein Versehen gewesen, deshalb sei der Tweet sofort gelöscht worden, hieß es aus der Staatskanzlei. Die Redaktion wird zeitnah ausführlicher auf die Stellungnahme eingehen, kündigte Hennemann an.
Christian Baldauf, Vorsitzender der CDU Rheinland-Pfalz, äußerte sich am Mittwoch zu den Tweets folgendermaßen: „Wir haben in der Fraktion einstimmig für den Rücktritt von Frau Raab votiert und fordern diesen auch. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir von den Tweets noch nichts. Sie machen aber alles nur noch schlimmer, weil sich hier offenkundig erneut eine nicht hinnehmbare Haltung zu einer freien und kritischen Berichterstattung durch die Medien manifestiert hat.“
Anmerkung der Redaktion: Nach Veröffentlichung dieses Artikels erreichte uns doch noch eine Stellungnahme aus der Staatskanzlei. Wir haben daraufhin den vorletzten Absatz des Textes aktualisiert.
Raab steht zu Kritik – „Unabhängigkeit der Medien hohes Gut“
Nach den Rücktrittsforderungen hat sich Staatssekretärin Heike Raab (SPD) zu den Vorwürfen geäußert. „Inhaltlich stehe ich auch heute zu meiner Kritik“, sagte sie am Mittwoch nach Angaben der Staatskanzlei in Mainz. Sie betonte aber auch: „Die Unabhängigkeit der Medien ist für mich ein hohes Gut.“ Das Verbot politischer und wirtschaftlicher Einflussnahme auf Medieninhalte sei für sie eine Grundvoraussetzung und ein Wert in der Demokratie – dafür habe sie sich auf Bundes- und europäischer Ebene immer eingesetzt. dpa