Wie sich die Regierungschefinim Flut-Ausschuss gegen Attacken der Opposition wehrt
Dreyer im Abwehrmodus: Wie sich die Regierungschefin im Flut-Ausschuss gegen Attacken der Opposition wehrt
Momentaufnahme vor Beginn ihrer Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss zur Flut: Was mag Malu Dreyer durch den Kopf gehen? Drei Stunden lang sagte sie aus – zu ihrer Rolle, aber auch zur ADD.
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Mit großer Spannung war die zweite Vernehmung der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin im Untersuchungsausschuss des Landtags zur Flutkatastrophe erwartet worden. Um 16.11 Uhr am Freitagnachmittag war sie schließlich zu Ende – nach etwas mehr als drei Stunden. Die Regierungschefin blieb bei den Aussagen, die sie bereits bei ihrer ersten Befragung im April vergangenen Jahres getätigt hatte.

Momentaufnahme vor Beginn ihrer Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss zur Flut: Was mag Malu Dreyer durch den Kopf gehen? Drei Stunden lang sagte sie aus – zu ihrer Rolle, aber auch zur ADD.
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Neue Erkenntnisse gab es durch Dreyers Auftreten im Untersuchungsausschuss im Kern keine. Fragen zu ihrer politischen Verantwortung beziehungsweise ihrem Aufklärungsinteresse musste sie nicht beantworten, weil sie nicht zugelassen wurden – die Begründung: Die Fragen seien nicht vom zuvor beschlossenen Beweisantrag gedeckt. Marcus Klein, CDU-Ausschussmitglied, kommentierte dies so: „Das hätte mich jetzt wirklich interessiert.“

Bei der Befragung der Sozialdemokratin ging es im Wesentlichen auch um die Kommunikation während der verheerenden Flutnacht im Sommer 2021. Die Ministerpräsidentin erläuterte erneut, dass sie gesehen habe, dass sich die Staatssekretäre des Umwelt- sowie des Innenministeriums am 14. Juli 2021 während der Plenarsitzung am Nachmittag ausgetauscht hätten.

Auf die Ministerien verlassen

Sie habe sich bei der damaligen Umweltministerin Anne Spiegel (Grüne) versichert, dass die beiden Amtsleiter über die Hochwasserlage im Dialog seien. Die Frage des Obmanns der AfD-Fraktion, Michael Frisch, ob sie im weiteren Verlauf noch weitere Informationen zum Austausch der beiden Ministerien aktiv eingeholt habe, verneinte Dreyer. Sie sagte: „Nach meiner Erinnerung: Nein.“ Sie müsse sich darauf verlassen, dass das stimme, wenn eine ihrer Ministerinnen sage, dass die Staatssekretäre und damit die Ministerien im Gespräch seien.

Die 62-Jährige erklärte, dass sie in der Flutnacht keinen Kontakt zu Spiegel gehabt habe. Frisch wollte weiter wissen, warum Dreyer in einer SMS den damaligen Innenminister Roger Lewentz um 21.42 Uhr fragte, ob „Anne auch informiert“ sei – wenn sie doch davon ausgegangen sei, dass die beiden Häuser im Gespräch seien. Dreyers Antwort: „Ich kann nicht mehr dazu sagen. Ich habe damals ausgesagt, was ich zu sagen hatte, dabei bleibe ich.“ Eine Äußerung, die sie mehrmals tätigte. Warum sie keinen Kontakt zu Spiegel – die damals stellvertretende Ministerpräsidentin und ihr Ministerium für Pegelprognosen und Hochwasserschutz zuständig war – gesucht habe, lautete die nächste Frage. Dafür habe es aus ihrer Sicht „keinen Anlass“ gegeben, antwortete die Regierungschefin.

Dreyer verteidigte bei ihrer Befragung das Krisenmanagement der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD). Diese hatte ab dem 17. Juli 2021 vom Kreis Ahrweiler die Einsatzleitung übernommen. Zu ihrem Besuch in der Einsatzleitung am 21. Juli schilderte die Ministerpräsidentin: „Mein Eindruck war, dass die Leute total viel gearbeitet haben, bis zur Erschöpfung.“

Als sie die Einsatzleitung in der Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und Zivile Verteidigung in Bad Neuenahr-Ahrweiler besuchte habe, sei ADD-Präsident Thomas Linnertz (SPD) ihr Ansprechpartner gewesen. Er sei auch danach wochenlang für die Landesregierung 24 Stunden erreichbar gewesen. Zur Frage von Marcus Klein, ob sie denn wisse, ob die damalige ADD-Vizepräsidentin Begoña Hermann im Krisenmanagement eingebunden gewesen sei, sagte die Zeugin: „Auch das kann ich Ihnen nicht sagen.“ Ob sie denn gewusst habe, dass Hermann, gegen die die Staatsanwaltschaft jüngst ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat, kurz nach dem Extremhochwasser in die USA gereist sei, sagte Dreyer: Auch diese Frage könne sie „nicht wirklich beantworten“.

Vertrauen auf die Kräfte vor Ort

Die Ministerpräsidentin betonte mehrmals, dass sie keinen Hinweis darauf gehabt habe, dass man es mit einer „außerordentlichen Situation“ zu tun gehabt hätte. Sie sei damals davon ausgegangen, dass der Katastrophenschutz vor Ort funktioniere. Auf den örtlichen Strukturen beruhe der Katastrophenschutz im Land. Bei einem Besuch im Katastrophengebiet unmittelbar nach der Flut am 15. Juli habe der damalige Ahr-Landrat Jürgen Pföhler (CDU) über die immensen Schäden berichtet. Er habe auf sie den Eindruck gemacht, dass er „tief betroffen ist“. Allerdings habe er auch den Eindruck gemacht, „dass er seiner Aufgabe nachkommt“, erläuterte Dreyer. Dass Pföhler, gegen den die Staatsanwaltschaft Koblenz ermittelt, während und nach der Flut nur sporadisch in der Einsatzzentrale gewesen sei, habe sie sich nicht vorstellen können, und sie habe auch keine Kenntnis davon gehabt.

Vor der Befragung der Ministerpräsidentin hatte Dominic Gißler sein Gutachten zum Krisenmanagement der ADD vorgestellt. Nach seiner Ansicht hat ein in Deutschland herrschender Mangel an Spezialisten im Bevölkerungs- und Katastrophenschutz den Einsatz bei und nach der Ahrflut erschwert. „Die handelnden Personen haben persönlich Großes geleistet“, sagte der Inhaber eines Lehrstuhls für Bevölkerungsschutz und Katastrophenschutzmanagement an einer Berliner Hochschule. Eine Schuld könne man einzelnen Personen nicht anlasten. Gißler sprach mit Blick auf den Bevölkerungsschutz in Deutschland von „systematischen Schwächen“.

Der 34-Jährige sagte, er kenne die Community, es gebe nicht mehr als ein Dutzend Spezialisten, die sich in der Tiefe und Breite mit dem Katastrophenschutz hierzulande beschäftigt hätten. Die Polizei nahm der Sachverständige aus. Eine Zusammenarbeit finde nur in einem geringen Maße statt. Der Gutachter erläuterte auch, dass ein Spezialist keine Einsatzleitung übernehmen könne, sondern sich nur darum kümmere, „dass die Sache nun läuft“. Gißler sagte weiter: „Man kann sich einen Offizier holen, der Kapitän auf der Brücke bleibt der gleiche.“

Der Gutachter erklärte: Es gebe in Deutschland keine klassische Spezialistenausbildung, um eine „Profession“ zu erlangen. Im Ahrtal seien Führungspersönlichkeiten im Einsatz gewesen, die bei diesem Ereignis nicht die Fachkompetenz gehabt hätten, „um diesen Einsatz führbar zu machen“. Der Professor sagte weiter, dass das Wissen vorhanden sei, „wir haben ein Transferproblem“. Es scheitere an den Ressourcen, die im Katastrophenschutz bereitgestellt würden.

Von Bastian Hauck

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