Auf die Bundestagsabgeordnete folgen ihre Fraktionskollegen Lindner und Rüffer - Vorsitzende Khan kassiert eine Abfuhr
Digitaler Parteitag in Mainz: Grüne setzen auf Spitzenkandidatin Rößner
Tabea Rößner verspricht „einen Wahlkampf, der sich gewaschen hat“. Ihre letzte Kampagne endete früher als geplant: 2019 trat sie zur Oberbürgermeisterwahl in Mainz an, wo sie es gegen Amtsinhaber Michael Ebling und „Schlag den Raab“-Gewinner Nino Haase nicht in die Stichwahl schaffte. Foto: dpa
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Rheinland-Pfalz. Die Grünen haben einen Traum. Nach der Bundestagswahl am 26. September wollen sie erstmals die Kanzlerin stellen. In Umfragen liegen sie dicht vor der CDU. Beim digitalen Parteitag in Mainz, wo die rheinland-pfälzischen Grünen ihre Liste für die Wahl aufgestellt haben, strotzten sie daher vor Selbstvertrauen. Auch wenn A-Promis wie Annalena Baerbock oder Robert Habeck gar nicht zu Gast waren.

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Tabea Rößner, die mit 83,6 Prozent als Spitzenkandidatin im Land ins Rennen zieht, sagte forsch: „Mit unserer künftigen Kanzlerin Annalena Baerbock machen wir den Unterschied.“ Rößner ist bereits Bundestagsabgeordnete aus Mainz. 2019 trat sie zur Oberbürgermeisterwahl in der Landeshauptstadt an, wo sie es gegen Amtsinhaber Michael Ebling und „Schlag den Raab“-Gewinner Nino Haase nicht in die Stichwahl schaffte. Nun konzentriert sich die 54-Jährige weiter auf die Bundespolitik. Rößner betonte, „nicht für eine Politik der großen Egos, sondern für eine Politik des großen Wir“ zu stehen. Der Großen Koalition aus CDU und SPD im Bund warf sie vor, den Klimaschutz zu verbocken, während der Wald vertrockne.

Abseits von Klimarhetorik bemühten sich die Grünen auch andere Geschichten zu finden. Rößner erzählte davon, seit einem Jahr Laptops für Kinder zu sammeln, die in der Corona-Pandemie keine eigenen Geräte hätten. „Eine alleinerziehende Mutter rief mich neulich an und fragte nach einem Laptop für ihr Kind. Sie weinte, weil sie sich schämte“, sagte Rößner und wetterte: „Mich macht es wütend, wenn so ein reiches Land es nicht hinbekommt, Kinder und Alleinerziehende zu unterstützen.“ Den Delegierten versprach sie „einen Wahlkampf, der sich gewaschen hat“. Zu den rheinland-pfälzischen Politikern, die die Grünen dabei anführen, gehört auch der Pfälzer Tobias Lindner, der die 16 Jahre Angela Merkel mit „Mehltau“ verglich, der sich 1998 auch nach 16 Jahren Helmut Kohl über Deutschland gelegt habe. Damals gewann SPD-Herausforderer Gerhard Schröder die Wahl.

Hinter Rößner und Lindner lief auf dem dritten Listenplatz Corinna Rüffer ein. Die Triererin hatte die wohl schwerste Aufgabe, ihre Position zu behaupten, die einen sicheren Einzug in den Bundestag verspricht. Denn mit Misbah Khan trat die amtierende Landeschefin der Grünen gegen die 45-jährige Bundestagsabgeordnete an. Rüffer – Kämpferin für Inklusion und beliebt beim linken Flügel – gewann den Zweikampf deutlich mit 144-zu-58-Stimmen. Khan erlitt damit eine Abfuhr, selbst wenn sie später auf Listenplatz fünf landete, was ihr gute Chancen auf den Bundestag verspricht.

Ganz ohne interne Brisanz verlief der Parteitag auch ansonsten nicht. Der Westerwälder Torsten Klein, der auf dem zweiten Listenplatz chancenlos Tobias Lindner herausforderte, kritisierte das Ergebnis der Landtagswahl im Vergleich zu Baden-Württemberg. „Viele sind froh über die 9,3 Prozent, die wir bei der Landtagswahl bekommen haben. Ich nicht. Wir können in Rheinland-Pfalz allen unseren Wählern über 60 die Hand schütteln, wir wären schnell durch“, monierte Klein. Es fehle jemand, der diese Wählergruppen authentisch ansprechen könne. Der grünen Landesspitze dürfte das nicht gefallen haben. Sie bemühte sich nach der Wahl, das im Vergleich zu 2016 bessere Abschneiden in Rheinland-Pfalz hervorzuheben – und nicht das Absacken gegenüber zuvor furiosen Umfragewerten im Bereich der 20 Prozent.

Dann verabschiedeten sich mit der nicht neu berufenen Christiane Rohleder (Integration) und dem in Pension gehenden Ulrich Kleemann (Umwelt) zwei Noch-Staatssekretäre der Grünen der rheinland-pfälzischen Ampelkoalition mit ganz eigenen Ansagen. Rohleder räumte ein, dass es nicht ihre Entscheidung war, das Amt in ihrem Ministerium in der neuen Wahlperiode nicht mehr auszuüben, wo künftig kein Platz mehr für sie ist. „Ich hätte mich gern länger in Rheinland-Pfalz eingebracht“, sagte sie. Kleemann wiederum, der den Beförderungsskandal im Umweltministerium aufgearbeitet hatte, behauptete: „Es gab keine Anzeichen auf Günstlingswirtschaft oder Gutsherrenart.“ Das Oberverwaltungsgericht hatte Beförderungsverfahren in dem grün-geführten Haus allerdings ganz anders beurteilt und genau mit den Worten scharf kritisiert, denen Kleemann widersprach. Die Eifeler Ministerin Ulrike Höfken und ihr Staatssekretär Thomas Griese traten zum 31. Dezember zurück, als sich der Skandal ausweitete. Kleemanns Sichtweise: „Es gab Fehler in der Verwaltung, aber nichts, was einen Rücktritt gerechtfertigt hätte.“ Stattdessen äußerte er lieber Medienschelte und fragte, wo der Aufschrei bei Bundesministern wie Andreas Scheuer und Jens Spahn bleibe.

Von Florian Schlecht

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