Koblenz
WWW-Wissenschaft: Uni Koblenz will das Internet lehren

Was kann das Netz über seine Nutzer verraten? An der Uni Koblenz soll es einen Studiengang dazu geben.

Svenja Wolf

Koblenz - Was verrät das Internet? Welche Erkenntnisse lassen sich über das Netz und seine Nutzer daraus ziehen? Die Uni Koblenz will solchen Fragen stärker nachgehen und strebt einen Studiengang Web Science an, also Web-Wissenschaft.

Koblenz – Was verrät das Internet? Welche Erkenntnisse lassen sich über das Netz und seine Nutzer daraus ziehen? Die Uni Koblenz will solchen Fragen stärker nachgehen und strebt einen Studiengang Web Science an, also Web-Wissenschaft.

20 Jahre nach dem Start des Internets gibt es weltweit an etwa einer Handvoll Universitäten die Möglichkeit, Web Science zu studieren, sagt Informatik-Professor Steffen Staab, Direktor des Institutes für Web Science and Technologies an der Uni Koblenz. Der Campus an der Mosel soll bald dazu gehören.

Wenn in Deutschland etwas im Netz entsteht, dann ist das bislang meist der Klon einer Idee, die irgendwer zumeist in den USA schon lange hatte. Vielleicht auch, weil dort schneller mehr Geld in Ideen fließt. Für den Koblenzer Wissenschaftler Staab gibt es noch einen weiteren, ganz zentralen Grund: Wenn eine Firma im Netz groß wird, dann nicht nur wegen ihrer Technologie. „Solche Firmen sind aufgebaut auf der Kombination von Web-Technologien und darauf, wie Menschen Web-Technologien nutzen möchten.“ Hier gibt es Nachholbedarf in Deutschland, Koblenz will in die Lücke stoßen.

Es gibt zwei Milliarden Menschen, die das Internet nutzen, rechnet Staab vor. „Wer in der Lage ist, diese Technologie in ihrem Einsatzumfeld zu verstehen und zu gestalten, dem wird es nicht an Arbeit mangeln.“ Der Studiengang soll also die technologischen Möglichkeiten mit ökonomischem und soziologischem Wissen verknüpfen, um erforschen zu können, was hier passiert.

Staab ist Informatiker – und die verstehen es, in Daten zu schürfen. Und das Netz liefert Berge an Daten, die für ganz unterschiedliche Wissenschaftszweige interessant sind und Anwendungen in der Praxis liefern könnten. Doch die Informatiker allein sind bei vielen Fragestellungen verlassen, wenn sie sich nicht mit Sozialwissenschaftlern, Medizinern, Wirtschaftswissenschaftlern, Medizinern oder Psychologen austauschen. Web Science ist eine Disziplin an den Grenzflächen verschiedener Wissenschaften.

Als die Uni Koblenz Gastgeber der WebSci11 war, eines Kongresses mit fast 200 Experten aus aller Welt, kamen die Teilnehmer entsprechend aus verschiedenen Disziplinen. Die „Staab-Stelle“ in Koblenz hat für den Studiengang auch von den Ökonomen der Universität Unterstützung signalisiert bekommen, aus der Linguistik gibt es Zusagen – „und schließlich kooperieren wir eng mit dem Leibniz-Institut Gesis, der größten sozialwissenschaftlichen Forschungseinrichtung in Deutschland“, so Staab.

Der angepeilte Beginn fürs neue Angebot ist Herbst 2012. Bis dahin soll der Studiengang Web Science im Rahmen der Neuakkreditierung aller anderen Informatikstudiengänge begutachtet worden sein. Nachdem der Fachbereich Informatik den Auftrag erteilt hat, die Inhalte zu erarbeiten, arbeiten Staab und seine Mitarbeiter derzeit daran in einem internationalen Konsortium mit fünf anderen Unis. Für Koblenz als kleine Universität bestehe „die Chance vor allem in der Innovation“, erklärt Staab. Vorgemacht hat das Koblenz bereits mit den Studiengängen Computervisualistik und Informationsmanagement. Die Uni kann auf Studierendenzahlen verweisen, mit denen deutlich besser ausgestattete Informatikfachbereiche im Land nicht aufwarten können.

Wenn der neue Studiengang kommt, ist das zumindest zu Beginn nicht mit mehr Personal verbunden. Einen Studiengang ohne zusätzliche Ressourcen zu errichten, bedeutet „ein engeres Korsett von Veranstaltungen. Wir halten diese Veranstaltungen sehr, sehr gern, weil sie spannend sind“, sagt Staab. „Es sollte aber Teil jeder Hochschulkultur sein, auf neue Entwicklungen schnell reagieren zu können. Hier verlieren wir Flexibilität, weil wir mehr Pflichtveranstaltungen haben werden.“ „Großartig“ findet es Staab, dass in Berlin das „Institut für Internet und Gesellschaft“ an den Start geht. Komplett von Google finanziert, auch wenn die 4,5 Millionen Euro für drei Jahre aus der Portokasse des Konzerns sein dürften. Allerdings gibt es auch hier kritische Stimmen aus der Wissenschaft: Da geht es nicht nur um den Vorwurf möglicher Auftragsforschung für Google. Das Unternehmen könnte für die Wissenschaft viel günstiger mehr tun, wenn es seinen Datenschatz für breite Kreise in der Forschung zugänglich machte.

Auch Staab sieht hier ein Problem: „Wird das Google-Institut Daten haben, auf die die anderen Forscher keinen Zugriff haben und die damit die Ergebnisse nicht reproduzieren können?“ Mehr Daten über das Netz als andere? Google verneint das.

Lars Wienand

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