New York

Wahlkampf in den USA: Hillary Clinton will für alle Amerikaner da sein

Hillary Clinton präsentierte sich bei ihrem ersten Auftritt als Vorwahl-Kandidatin vor 5000 Anhängern.
Hillary Clinton präsentierte sich bei ihrem ersten Auftritt als Vorwahl-Kandidatin vor 5000 Anhängern. Foto: dpa

Sie machte gut inszeniert das, was alle Wahlkämpfer tun: Hillary Clinton gab bei ihrem ersten Auftritt im versuchten Ringen um das Amt des Präsidenten in den USA eine Reihe von Versprechen ab – und versprach, für jeden zu kämpfen, der sich für sie als starke Frau im Weißen Haus ausspricht.

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Dorothy Howell war acht, als ihre überforderten Eltern sie neben ihre kleine Schwester Isabelle in einen Zug setzten, der von Chicago nach Los Angeles fuhr, zu einer der beiden Großmütter. Mit drakonischer Strenge machte die Frau den Enkelinnen das Leben zur Hölle. Nachdem Dorothy an Halloween mit Freundinnen um die Häuser gezogen war, durfte sie ein Jahr lang nach der Schule ihr Zimmer nicht mehr verlassen. Mit 14 suchte sie das Weite, um bei fremden Leuten Kinder zu hüten. Immerhin erwies sich die Gastfamilie als Glücksfall, denn sie ermutigte Dorothy, auf die High School zu gehen. Lehrerinnen kümmerten sich, sie schaffte den Abschluss, kehrte nach Chicago zurück und bekam einen Job als Sekretärin.

Es ist eine Geschichte aus Krisenzeiten, als Amerika in die Große Depression fiel und die Selbstzweifel wuchsen. Wie es sich für das Land der Berufsoptimisten gehört, hat die Geschichte ein Happy End: Dorothy Howell, später Rodham, sah ihre Tochter Hillary als First Lady ins Weiße Haus einziehen, Senatorin und Außenministerin werden, bevor sie 2011 verstarb. Heute dient sie der Kandidatin Hillary Clinton als Beleg dafür, dass sie die Nöte der kleinen Leute auch dann versteht, wenn Redehonorare und ein Memoirenband ihren Kontostand um etliche Millionen anwachsen ließen. Dass Dorothys Tochter aus eigener Familienerfahrung weiß, was es heißt, sich durchbeißen zu müssen. So wie ihrer Mutter in einer traumatischen Lebensphase von anderen geholfen wurde, betont sie bei ihrem ersten großen Wahlkampfauftritt auf Roosevelt Island, werde auch sie für andere kämpfen. Für Mittelschichten, deren Reallöhne trotz harter Arbeit stagnierten und die sich nach überstandener Finanzkrise fragten: „Wann geht es auch für meine Familie voran?“ – „Wann? Jetzt, sage ich!“ Es folgt ein Satz, der an die Occupy-Wall-Street-Proteste erinnert: „Die 25 reichsten Hedgefondsmanager machen mehr Geld als alle Kindergärtnerinnen Amerikas zusammen.“

Ausgewählte Demonstranten

„Gebt mir die Chance, und ich werde für euch kämpfen“, rief Clinton etwa 5000 Anhängern zu. Die waren sorgsam ausgewählt, Demonstranten mit den „falschen“ Plakaten wurden von den Ordnern sofort hinausgeworfen. Die meisten Fans sahen Clinton allerdings nur von hinten. Weil es ein besseres Bild für die Dutzenden von Kameras war, sprach sie mit dem Rücken zu den meisten Anhängern.

Sie warf den Republikanern vor, nur Reiche begünstigt zu haben. „Ihr fragt, wann eure Familie drankommt. Ich sage euch: jetzt!“ Demokratie sei nicht nur für Milliardäre. „Amerika kann nur erfolgreich sein, wenn ihr alle erfolgreich seid!“ Sie versprach auch, Amerika zur „Supermacht der sauberen Energien“ zu machen. „Ich kandidiere nicht für einige Amerikaner, ich kandidiere für alle Amerikaner!“ Wenn die Konservativen weiszumachen versuchten, man brauche nur ganz oben die Steuern zu senken, dann werde der Erfolg der Spitzenverdiener schon nach unten durchsickern, spielten sie eine alte Melodie. „Es mag neue Stimmen im Chor der republikanischen Präsidentschaftsanwärter geben, aber sie singen alle das gleiche Lied. Das Lied heißt ‚Yesterday‘“.

Clintons Schwiegersohn, Marc Mezvinsky, managt Hedgefonds. Ihr Ehemann Bill ließ inmitten von Wirtschaftsboom und Börseneuphorie Finanzgesetze lockern, was die Casino-Mentalität beflügelte und 2008 seinen Teil zum Absturz beitrug. Doch so lautstark die Parteilinke über ihre mangelnde Glaubwürdigkeit klagt, so gezielt versucht sie selbst, die Themen ihrer linken Rivalen zu besetzen, bevor Konkurrenten wie Bernie Sanders oder Martin O’Malley die Favoritin auch nur in Bedrängnis bringen können. „Nun, der Teufel steckt im Detail“, reagiert Sanders, ein Senatsveteran, auf die populistische Offensive. Clinton müsse die Leute erst noch davon überzeugen, dass sie in der Lage sei, zum Clinch mit der „Milliardärsklasse“ in den Ring zu steigen.

Versprechen und Schweigen

Für den Fall eines Wahlsieges verspricht sie eine gerechte Steuerreform, Anreize für Firmen, die ihre Arbeiter fair an den Gewinnen beteiligen, Verbesserungen der vielerorts bedenklich maroden Infrastruktur, bezahlbaren Zugang zu Kindergärten und erschwingliche Studienplätze für alle. Doch zu einem Kapitel, das ihre Partei gerade aufs Intensivste beschäftigt, weil es für die Linke zum Symbol des globalen Wettrennens um immer niedrigere Löhne, immer niedrigere Sozialstandards wird, verliert sie kein Wort. Das transpazifische Handelsabkommen, von Obama angepeilt, vom Gros der Republikaner unterstützt, von vielen Demokraten abgelehnt, übergeht sie mit Schweigen.

Auch die Außenpolitik ist ihr nur eine Erwähnung am Rande wert, ziemlich bizarr bei einer Politikerin, die vier Jahre lang Außenministerin war. Sie habe Widersachern wie Wladimir Putin die Stirn geboten und Verbündete wie Israel unterstützt, „ich saß im Situation Room, als wir Bin Laden kriegten“. Das war’s. Der atomare Deal mit dem Iran, der Diskurs um Eingreifen oder Nichteingreifen im Irak: Im Moment sind es keine Themen für die angehende Kandidatin Hillary Clinton. Frank Herrmann, dpa