Amerika-Experte Sirakov im Interview: Warum Trumps Macht brüchiger wird

Trump
US-Präsident Donald Trump. Foto: Jeff Roberson

Amerika-Experte David Sirakov hat gute Nachrichten für alle Kritiker von US-Präsident Donald Trump: „Seine Machtbasis ist sehr flüchtig“, sagt der Leiter der Atlantischen Akademie in Kaiserslautern. Den harten Kern der glühenden Trump-Verfechter beziffert Sirakov mit 35 Prozent. „Die Trumpisten sind also in der Minderheit.

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Die Frage ist: Was macht der Rest?“ Sirakovs Antwort: „Es gibt ein Erwachen auf der linken Seite, Ansätze einer Graswurzelrevolution bei den Demokraten und an ihren Rändern. Das bedeutet jedoch, dass Trumps Präsidentschaft nach den Kongresswahlen deutlich brüchiger werden könnte.“ Im Interview mit unserer Zeitung zieht der Experte ein ernüchterndes Fazit der bisherigen Präsidentschaft Trumps:

„Der Spiegel“ hat nach Trumps Wahlsieg getitelt, dass dies das Ende der Welt ist, wie wir sie kennen. Ist das eingetreten?

Amerika-Experte Sirakov zieht eine ernüchternde Bilanz nach einem Jahr Präsidentschaft: „Republikaner haben Pakt mit dem Teufel geschlossen“.
Amerika-Experte Sirakov zieht eine ernüchternde Bilanz nach einem Jahr Präsidentschaft: „Republikaner haben Pakt mit dem Teufel geschlossen“.
Foto: Privat

Nein. Doch gerade im außenpolitischen Bereich gab es deutliche Veränderungen, weil die USA nicht mehr als multilaterale Nation agieren. Das ist aber nichts Neues, das hatten wir schon bei George W. Bushs unilateralem Vorgehen im Irak. Der Unterschied ist, dass Trump mit seinem Slogan „Make America great again“ auch Wahlkampf gemacht hat.

Trump – ein normaler Präsident?

Nein. Er unterscheidet sich mit der Art seines Auftretens von all seinen Vorgängern. Dieser Präsident und seine Administration sind historisch gesehen beispiellos. Zugleich gibt es viele innenpolitische Projekte, die Trump zwar auf beispiellose Art durchgesetzt hat. Der Inhalt ist aber nichts anderes als das, was die Republikaner seit Jahren fordern.

Was macht Trump denn zu einem normalen Präsidenten und was macht ihn beispiellos?

Seine Klima- und Umweltschutzpolitik ist typisch konservativ. Dazu gehört die Wiederaufnahme der Öl- und Gasförderung in der Arktis. Denn viele Republikaner glauben nicht an den menschengemachten Klimawandel. Typisch republikanisch ist auch die große Skepsis gegenüber Obamas Öffnung zu Kuba und dem Iran. Ein weiteres Beispiel ist das Aufkündigen des transpazifischen Partnerschaftsabkommens TPP. Zwar sind die Republikaner traditionell für Freihandel, doch hier hat sich Trump einseitig durchgesetzt. Dies zeigt jedoch auch die Widersprüchlichkeit seiner Politik: Obama hat TPP unterstützt, um eine Gegenmacht zu China zu bilden. Trump hat in seiner nationalen Sicherheitsdoktrin China als zentrale Herausforderung in Asien, als revisionistische Macht benannt. Gleichzeitig verlässt er aber TPP und nimmt sich damit ein zentrales wirtschaftliches Instrument, um China einzuhegen.

Wie erklären Sie sich das?

Die Außenpolitik folgt im Gegensatz zur Innenpolitik, die weniger stark von Trump geprägt wird, keiner wirklichen Strategie. Die Außenpolitik ist eher sprunghaft.

Die Innenpolitik wird eher von den Republikanern gestaltet, die Außenpolitik von Trump?

Jein. Auch in der Innenpolitik zeigt sich der Einfluss Trumps, wenn es um die Politik per Dekret geht. Das gilt etwa für die Einreiseverbote für Menschen aus bestimmten muslimischen Ländern oder die geplante Ausweisung von Kriegsflüchtlingen aus Lateinamerika. Spürbar ist Trump auch bei der unprofessionellen Besetzung von Schlüsselpositionen in der Administration. Immer noch sind nur 240 von 630 Positionen besetzt. Und Trump hat in den Ministerämtern einen extrem hohen Personalverschleiß. Viele Spezialisten haben die Verwaltung verlassen. Und sogar Experten von konservativen Denkfabriken wollen diese Stellen nicht, weil sie einen Ansehensverlust befürchten. Dazu kommt seine Antihaltung gegenüber Expertenwissen. Das rührt natürlich daher, dass kein Experte Trump den Wahlsieg zugetraut hat. Dann hat er gewonnen – warum sollten die Experten jetzt recht haben?

Was ist noch beispiellos?

Trumps völlig unvorbereitete, uninteressierte und unwissende Art: Das zeigt sich am Beispiel von Obamas Gesundheitsreform, die Trump beseitigen und durch ein eigenes Gesetz ersetzen wollte. Hätte man ihn gefragt, was im Entwurf der Republikaner steht, dann hätte er es nicht gewusst. Die Arbeit daran hatten allein die Mehrheitsführer im Kongress, Paul Ryan und Mitch McConnell, in Händen. Das Gleiche gilt für die Steuerreform.

Das bedeutet aber doch, dass die Republikaner in der Innenpolitik noch große Macht haben.

Ja, aber es ist ein Pakt mit dem Teufel: Einerseits haben sich Ryan und McConnell wie viele andere Republikaner damit arrangiert, dass Trump Präsident ist. Daran wollen sie auch nicht rütteln. Denn sie sehen einen großen Vorteil: Trump hat kein Interesse an legislativer Arbeit. Er sieht sich als Unternehmer im Weißen Haus, der per Ordre de Mufti regiert. Er hat auch gar keine Erfahrung. Trumps Leute sind die unerfahrensten, die es je an der Spitze der US-Regierung gegeben hat. Also überlässt er die gesetzgeberische Arbeit allein der republikanischen Führung. Die geht davon aus, dass Trump alles unterschreibt, was sie ihm als Gesetz vorlegt. Die andere Seite des Deals ist jedoch, dass die Republikaner extreme Angst haben, mit Trump zu brechen, weil das die Gefahr birgt, dass sie sich mit dem harten Kern ihrer eigenen republikanischen Wählerklientel anlegen. Das macht die Republikaner aber zu Trumps Geiseln.

Der Deal führt dazu, dass der Trumpismus immer weiter in die republikanische Partei eindringt.

Ja. Und es gibt viele Beobachter, die letztlich nur eine Lösung für ein Fortbestehen der Republikaner sehen: Die Partei muss mit Trump brechen. Die Republikaner haben schon jetzt ein Problem mit ihrer Nähe zu Trump. Das hat man bei den ersten Wahlen zum Kongress gesehen: Zwar haben viele republikanische Kandidaten ihre Sitze verteidigt. Aber sie haben im Schnitt 17 bis 18 Prozent ihrer Stimmen eingebüßt. Und es gab den großen Coup der Demokraten bei der Senatorenwahl im erzkonservativen Alabama. Das könnte erst der Vorgeschmack für die Kongresswahlen im November sein.

Ist Trumps Machtbasis im Land also brüchig und nicht stark genug, um weitere Wahlen zu gewinnen?

Seine Machtbasis ist sehr flüchtig. Trump hat bei seiner Wahl zum Präsidenten von verschiedenen Faktoren profitiert: eine geringe Wählermobilisierung bei den Demokraten, und er konnte eine Klientel weißer, konservativer Wähler ansprechen, die lange Zeit nicht wählen gegangen ist. Die Frage wird sein, wie stark diese Klientel bei den Kongresswahlen im November sein wird. Tatsache ist, dass dann andere Amerikaner abstimmen als bei der Präsidentschaftswahl. Und die Wahlen in Bundesstaaten wie Alabama haben gezeigt, dass die Mobilisierung bei den Demokraten deutlich größer ist, während viele konservative Wähler nicht abgestimmt haben. Es gibt ein Erwachen auf der linken Seite, Ansätze einer Graswurzelrevolution bei den Demokraten und an ihren Rändern. Das bedeutet jedoch, dass Trumps Präsidentschaft nach den Kongresswahlen deutlich brüchiger werden könnte.

Es gibt Deutsche, die wegen Trump nicht mehr in die USA reisen wollen. Inwieweit ist der Trumpismus im Alltag der USA spürbar?

Man muss trennen zwischen Alltagsleben und Politik. Das Land ist mehr als Trump. Die Menschen haben sich nicht verändert. Ich halte es daher für falsch, nicht mehr in die USA zu reisen. Aber natürlich gibt es die politische Polarisierung auch in der Gesellschaft. Und sie kann sehr harsch sein. Doch Rassisten und Nationalisten wie die in Charlottesville gab es schon vor Trump, auch wenn sie sich natürlich von ihm bestärkt fühlen. Manche Deutsche fragen mich sogar, ob sie ihre Kinder noch als Au-pair in die USA schicken sollen.

Was antworten Sie?

Jetzt erst recht, erstens weil das Interesse sinkt und damit die Chance steigt, dass man einen Platz bekommt. Zweitens ist dieses Land weiter die USA mit all ihren Vorzügen und Schattenseiten wie Waffengesetze oder einem zum Teil sehr stark ausgeprägten Konservatismus. Aber die USA sind nicht Trump. Das sollte übrigens auch das Credo der deutschen Politik sein. Die USA bestehen aus sehr eigenständigen Bundesstaaten und selbstständigen Städten, mit denen man sehr gut und an Washington vorbei kooperieren kann.

Dennoch: Das politische Klima hat sich durch Trump verändert.

Ja. Trump ist unwillig, sich von nationalistischen und rassistischen Bewegungen zu distanzieren. Das ist eines Präsidenten nicht würdig. Die Polarisierung hat so deutlich zugenommen. Doch das führt eben auch zu einer verstärkten Mobilisierung von Nichtwählern, weil sich viele bei einer Reizfigur wie Trump positionieren. Schaut man sich seine Machtbasis an, dann könnte man sagen, dass 35 Prozent der Wahlberechtigten Trump wählen würden. Die Frage ist: Was macht der Rest? Viele haben 2016 nicht gewählt. Die Trumpisten sind also in der Minderheit.

Beste Chancen für demokratische Kandidaten wie Oprah Winfrey ...

Vielleicht. Statt über Personen sollten sich die Demokraten aber mehr Gedanken über ein programmatisches Gegenmodell zu Trump machen. Gegen Trump zu sein, wird nicht reichen, um die Wahl zu gewinnen. Dann braucht es eine charismatische Figur wie Oprah Winfrey, um diese Inhalte zu transportieren. Aber für eine Personaldebatte ist es zu früh. Das wird frühestens Anfang 2019 geschehen. Die Frage ist auch, ob die Amerikaner Kandidaten aus dem Showbusiness nicht einfach satt haben.

Das Gespräch führte Christian Kunst