Berlin

Der Unbequeme: Friedrich Merz und seine Pläne nach der Wahl-Niederlage

Von Gregor Mayntz
Foto: dpa

Die Wahl ist entschieden. Armin Laschet wird CDU-Chef. Aber eine für den künftigen Wahlerfolg der Union nicht minder wichtige Frage bleibt vorerst offen: Was macht das mit Friedrich Merz und seinen Anhängern?

Lesezeit: 3 Minuten
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2002 musste er Angela Merkel weichen, 2018 Annegret-Kramp-Karrenbauer, 2021 Armin Laschet. Das sind drei kräftige Nackenschläge. Sie fallen umso schmerzhafter aus, als die Erwartungshaltung unter seinen Anhängern (und sicherlich besonders bei ihm selbst) eine gänzlich andere war. In das Rennen um die Merkel-Nachfolge ging er als Umfragesieger hinein, in das Rennen um die AKK-Nachfolge ebenfalls. Am Ende lag er vor gut zwei Jahren mit 48 Prozent hinten, jetzt mit 47 Prozent. Doch er ergreift diese Chance nicht. Im Gegenteil.

Während der dritte Kandidat Norbert Röttgen für das Präsidium der Partei kandidiert und wenig später gewählt ist, vollzieht Merz eine Seitwärtsbewegung in zwei Schritten. Zunächst verzichtet er auf eine Präsidiums-Kandidatur. Er begründet das damit, dass es schon zu viele Bewerber aus NRW gebe und dann zu wenig Frauen an die CDU-Spitze gewählt würden. Er hat etwas anderes im Sinn.

Merz’ Angebot bei Twitter kassiert direkte Absage aus dem Kanzleramt

„Dem neuen Parteivorsitzenden Armin Laschet habe ich angeboten, in die jetzige Bundesregierung einzutreten und das Bundeswirtschaftsministerium zu übernehmen“, twittert er am Samstagmittag. Vermutlich rechnet er selbst nicht damit, dass Kanzlerin Angela Merkel, die die Minister ihrer Regierung vorzuschlagen hat, ihn umgehend ins Kanzleramt bitten würde.

Doch er setzt alles auf eine Karte. Merkel zögert keine Sekunde. Sie lässt ihren Regierungssprecher umgehend mitteilen, dass keine Kabinettsumbildung geplant sei. Ende der Debatte. Wer Merkel und ihre persönliche Beziehung zu Friedrich Merz etwas kennt, dürfte sich über diese umgehende Absage nicht gewundert haben. Die Vorstellung, dass Merkel Merz auf den letzten Metern mitten in der Krise an ihrem Kabinettstisch Platz nehmen lässt – dafür braucht es sehr viel Fantasie.

Nun kommt es dabei nur zum Teil auf die Kanzlerin an. Wenn der CSU-Vorsitzende Markus Söder am Montag verkünden würde, dass er Innenminister Horst Seehofer oder Verkehrsminister Andreas Scheuer oder Entwicklungsminister Gerd Müller oder alle drei durch andere CSU-Persönlichkeiten auszutauschen gedenke, würde Merkel den Bundespräsidenten schon mal bitten, die Entlassungs- und Ernennungsurkunden auszufertigen.

Auch der SPD redet die Kanzlerin nicht rein, wenn sie ihre Minister ersetzen will. Und so verhält es sich im Prinzip auch bei der CDU. In ihrem Koalitionsvertrag haben die drei Parteien vereinbart, welche Partei welche Ministerien besetzt. Und damit ist das jetzt Sache von Armin Laschet.

Damit hat Merz schon Minuten nach seiner Niederlage Laschet ein Problem in den Weg gelegt: Will er nun zeigen, dass er ein durchsetzungsfähiger, dynamischer und erneuerungswilliger Parteichef ist, der dem Umstand Rechnung trägt, dass ein in Umfragen hoch gehandelter Wirtschaftsexperte Merz den Schwung des CDU-Parteitages in die Regierung trägt? Oder riskiert er den Eindruck, sich den Vorstellungen von Merkel zu fügen, auch wenn er jetzt als Parteichef auch das Sagen darüber hat, was in der Politik der Koalition zu passieren hat?

Das Problem wird nicht kleiner dadurch, dass das Wirtschaftsministerium von dem langjährigen Merkel-Vertrauten Peter Altmaier besetzt ist, mit dem auch Laschet eine politische Freundschaft pflegt, seit sie unter Kohl gemeinsam in die Bundespolitik eintraten und gemeinsam die CDU aufmischen wollten. In seiner starken Bewerbungsrede definierte er das ihm vorgeworfene „Weiter so“ streng daran orientiert, dass es sich um eine „Kontinuität des Erfolgs“ handeln müsse.

Davon war bei Altmaier lange Zeit keine Rede. Er galt nicht nur in der Wirtschaft als Belastung, hatte sich mit Beginn der Corona-Krise jedoch deutlich gefangen, war in der Anerkennung seiner Arbeit wieder stark gestiegen. Doch die im Januar noch nicht geflossenen November-Hilfen haben erneut massive Zweifel wachsen lassen.

Wird das Minister-Manöver zum Test für Armin Laschet?

Merz wiederum war seit seinem Rückzug aus der ersten Reihe der Politik im Jahr 2004 immer wieder angekreidet worden, sich nicht für verantwortungsvolle Jobs bereitzufinden, sondern in die Privatwirtschaft gewechselt zu sein. Mit Unverständnis reagierten viele seiner Parteifreunde, dass er sich auch nach seiner Niederlage gegen AKK nicht an sichtbarer Stelle hatte einbinden lassen.

„Nicht schon wieder“, war daher die erste Reaktion, als Merz auf eine wichtige Rolle in der Partei verzichtete und es „vergaß“, Laschet seine Unterstützung zuzusichern. Mit seinem Minister-Manöver hat er gezeigt, dass er bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Allerdings nur in einem Amt, das mit persönlicher Macht verbunden ist. In seiner Bewerbungsrede hatte er noch gesagt, dass er in die CDU eingetreten sei und nicht in eine „Vermittlungsagentur“ für Regierungsämter. Dieser Satz wirkt nach seiner Offerte als bloßes Lippenbekenntnis.

Für Laschet bleibt der Samstag deshalb nicht nur der Tag des Triumphes und des Endes aller aktuellen innerparteilichen Probleme. Er hat ein neues und nicht eben kleines, das sich auswachsen kann. Das Merz-Lager könnte es für Laschet zum Test machen, wie viel ihm wirklich an der Einheit der Union und der Einbindung der Unterlegenen gelegen ist. Merz hat mit seinem Manöver nicht nur die Kanzlerin herausgefordert, sondern auch den neuen CDU-Chef. Es könnte allerdings auch sein letztes politisches Manöver gewesen sein.