Nürburgring

„Das Publikum ist der Headliner“: Was die Besucher bei Rock am Ring erwartet

Von Stefan Schalles
Während der Corona-Pandemie waren solche Bilder unvorstellbar, doch nun, drei Jahre nach der bislang letzten Auflage 2019 (Foto), meldet sich Rock am Ring zurück. Vom 3. bis zum 5. Juni werden an der legendären Eifel-Rennstrecke mehr als 80.000 Besucher erwartet.  Foto: eventimpresents GmbH & Co. KG
Während der Corona-Pandemie waren solche Bilder unvorstellbar, doch nun, drei Jahre nach der bislang letzten Auflage 2019 (Foto), meldet sich Rock am Ring zurück. Vom 3. bis zum 5. Juni werden an der legendären Eifel-Rennstrecke mehr als 80.000 Besucher erwartet. Foto: eventimpresents GmbH & Co. KG

Noch 17-mal heißt es „Augen zu“, ehe für zahlreiche Musikfreunde ein gutes Stück Lebensqualität zurückkehrt: Mit Rock am Ring startet am Freitag, 3. Juni, das erste deutsche Majorfestival aus der Corona-Pause. Nicht weniger als die Wiederauferstehung einer Branche, für die sich die Konzertagentur DreamHaus, seit diesem Jahr Rock-am-Ring-Veranstalter, einiges vorgenommen hat. Wir haben vorab mit Geschäftsführer Matt Schwarz gesprochen:

Lesezeit: 7 Minuten
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Herr Schwarz, nach der Ära Marek Lieberberg wird Rock am Ring in diesem Jahr erstmals von Ihrer Konzertagentur DreamHaus organisiert. Sie haben angekündigt, dem Festival einen neuen Look verpassen zu wollen. Wie genau sieht der denn aus?

Wir haben zunächst einmal unsere Internetseite und die Festival-Apps aktualisiert und diesen Plattformen auch in der Corporate Identity (Gesamtheit der Merkmale, die eine Marke kennzeichnen) einen kompletten optischen Neuanstrich gegeben. Kurz und mittelfristig wollen wir bei Rock am Ring zudem versuchen, den Fokus auf Themen wie Nachhaltigkeit und Diversität zu legen.

Gibt es in diesen letztgenannten Bereichen denn schon konkrete Ziele?

Wir haben in diesem Jahr beispielsweise ausschließlich Merchandise-Artikel, die nachhaltig und organisch produziert wurden. Auch viele unserer Produktionsfahrzeuge werden nun elektrisch betrieben. Durch ein optimiertes Konzept wird der Feststrom am Nürburgring nun zudem bestmöglich eingesetzt, damit es weniger Generatoren braucht. Und: Rock am Ring wird das erste Majorfestival in Deutschland sein, dass neben einem Mehrwegsystem bei den Getränken auch eines auf Speisen einführt, das heißt konkret: Wir verzichten auf Müll und verwenden stattdessen etwa wiederverwertbares Geschirr.

Wobei man dazu ergänzen muss: Wir sind nach zwei Jahren Pandemie das erste Majorfestival, das wieder stattfindet, was uns in ganz vielen Bereichen vor große Herausforderungen stellt. Wir werden daher nicht direkt auf Anhieb alles erneuern können, was wir uns vorgenommen haben. In Teilen werden wir in diesem Jahr wieder auf Altbewährtes setzen, parallel dazu aber auch eine Bestandsaufnahme machen und schauen, an welchen Stellen wir uns noch verbessern müssen.

Matt Schwarz  Foto: DreamHaus
Matt Schwarz
Foto: DreamHaus

Das Thema Diversität haben Sie bereits angesprochen: Carolin Kebekus hat den geringen Frauenanteil im Rock-am-Ring-Line-up erst vor Kurzem zum wiederholten Mal kritisiert. Wird es auch in dieser Frage Bewegung geben?

Ich bin Frau Kebekus zunächst einmal sehr dankbar, dass sie dieses Thema so in den Fokus gerückt hat. Allerdings muss man dazu sagen, dass unser Festival hier exemplarisch herausgepickt wurde für eine Problematik, die keine Rock-am-Ring-spezifische ist. Hinzu kommt, dass ich das diesjährige Programm auch nicht wirklich als Maßstab nehmen kann, da es bereits drei Jahre alt ist und wir es vom vorherigen Veranstalter übernommen haben. Neuverpflichtungen und programmatische Umgestaltungen waren daher so gut wie nicht mehr möglich. Dennoch werden wir dieses Thema in Zukunft maßgeblich priorisieren und haben damit in den laufenden Planungen für das kommende Jahr bereits begonnen.

Wie genau wollen Sie dieses Vorhaben denn umsetzen? Wird es künftig eine Quote geben?

Wir sondieren schon jetzt die möglichen Teilnehmerinnen für 2023 und schauen uns an, welche passenden Künstlerinnen es gibt für unser Line-up. Eine prozentuale Quote haben wir hierfür allerdings nicht festgelegt, weil ein Gesamtprogramm natürlich immer auch in einem Kontext stattfindet, in dem man sich nicht von Beginn an limitieren sollte.

Wir werden das Festival nicht grunderneuern, klar ist aber auch, dass bei den Majorfestivals in den vergangenen 15 Jahren ein Pool aus 20 bis 30 Gruppen als Headliner auftritt. Oft sind diese Künstler älter als 50, sodass eine Erneuerung an potenziellen neuen Headlinern und Headlinerinnen ohnehin zeitnah notwendig ist. Und genau diesen Prozess wollen wir mitgestalten, indem wir auch neue Talente fördern und sie beispielsweise erstmals bei einem großen Festival wie unserem auf die Bühne bringen.

2023 wird es also einen höheren Frauenanteil im Line-up geben als in diesem Jahr.

Definitiv.

„Insbesondere im Bereich Ordnungsdienst, Auf- und Abbauhelfer oder Gastrokräfte sind große Engpässe zu erwarten.„

Matt Schwarz

Nun gibt es in der Kultur- und Kreativwirtschaft seit Aufhebung der Corona-Maßnahmen teils massive Probleme, etwa, was die Verfügbarkeit von Veranstaltungstechnikern oder Toningenieuren betrifft. Ist das eine Herausforderung, der sich auch ein Festival wie Rock am Ring gegenübersieht?

Das betrifft uns leider zu 100 Prozent. Je größer die Veranstaltung, desto mehr Aufträge werden an externe Dienstleister vergeben und desto stärker erhöhen sich in der aktuellen Situation auch die Produktionskosten. Wir sprechen hier von Steigerungen zwischen 20 und 100 Prozent im Vergleich zu 2019.

Umfrage
Rock am Ring 2022

Mit Rock am Ring und dem Zwillingsfestival Rock im Park steigen am Pfingstwochenende die beiden legendären Musikfestivals aus der Corona-Zwangspause. 90.000 Wochenendtickets sind verkauft worden – so viel wie nie. Die Veranstalter meldeten am Dienstag Ausverkauf und sprachen von einem Besucherrekord. Wir wollen von Ihnen wissen: Werden Sie dieses Jahr dabei sein?

Ja auf jeden Fall!
13%
5 Stimmen
Ich versuche noch, eines der limitierten Tagesticket zu ergattern.
3%
1 Stimme
Weiß ich noch nicht.
5%
2 Stimmen
Nein, das ist nichts für mich.
79%
32 Stimmen

Das heißt: Die Problematik liegt weniger darin, Leute zu finden, als vielmehr darin, diese Leute zu bezahlen?

Sowohl als auch. Allerdings haben wir uns sehr früh mit diesem Thema auseinandergesetzt und dementsprechend auch viele, teils langjährige Dienstleister weit im Voraus bestätigt. Dennoch gibt es einen akuten Personalmangel, weil wir derzeit ein Konzertvolumen sehen, das es in dieser Größenordnung noch nie zuvor gegeben hat. Insbesondere im Bereich Ordnungsdienst, Auf- und Abbauhelfer oder Gastrokräfte sind große Engpässe zu erwarten.

Wie zeigt sich dieser Mangel in der Praxis? Dauert es in diesem Jahr also, salopp gesagt, länger, die Bühnen aufzubauen?

Das hoffe ich nicht, weil wir die herausfordernde Situation haben, dass am Wochenende vor Rock am Ring das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring stattfindet. Das bedeutet, wir haben ohnehin schon weniger Zeit für den Aufbau als sonst. Wobei ich, Stand jetzt, davon ausgehe, dass wir in diesem Bereich gut aufgestellt sind. Wir werden umgehend nach dem Rennen loslegen und planen etwa auch mit Nachtschichten.

„Wir haben den Vorteil, dass Rock am Ring unter freiem Himmel stattfindet, wir werden auch niemandem vorschlagen, keine Maske zu tragen, das kann jeder für sich entscheiden.“

Matt Schwarz

Nun soll Rock am Ring allerdings nicht nur nachhaltiger und diverser, sondern auch digitaler werden. Stichwort: neue Festival-App.

Das ist richtig. Die Kommunikation spielt für uns eine zentrale Rolle – nicht nur in Situationen wie Unwetter und dergleichen, sondern auch, wenn es etwa um Updates im Spielbetrieb oder Verkehrshinweise geht. Wir wollen informativer werden, wollen mit unserem Publikum auf Augenhöhe agieren und den Menschen vor allem zuhören. Als wir das Festival übernommen haben, war die entscheidende Frage: Was ist für uns als Veranstalter das Wichtigste? Und die Antwort ist ganz klar: den Gast in den Fokus zu rücken. Das Publikum ist für uns der eigentliche Headliner bei Rock am Ring. Die größten Bühnen und die besten Bands bringen nichts ohne Gäste. Wir schauen uns daher sehr genau an, wie wir das Festivalerlebnis verbessern können.

Wenngleich die meisten Tickets bereits vor zwei oder drei Jahren verkauft wurden und wir uns daher beispielsweise nicht über weitere Campingangebote austauschen konnten, ohne dass dieser Schritt zu großem Chaos geführt hätte. Dennoch haben wir in diesem Jahr zahlreiche Experten und Expertinnen im Einsatz, die sich die Abläufe anschauen und uns dann beraten werden, wie wir es in Zukunft besser machen können.

#füreuchamring: Euer Wunsch ist unser Bericht
Ihr könnt bei Rock am Ring nicht dabei sein, wollt aber trotzdem Festivalatmosphäre erleben? Kein Problem, denn bei der ersten Nach-Corona-Ausgabe ist auch die Rhein-Zeitung wieder live für euch vor Ort. Von Donnerstag bis Sonntag versorgen wir euch mit aktuellen Berichten und Bildmaterial – auf Facebook, Instagram und unter www.rhein-zeitung.de. Dabei interessiert uns vor allem eins: was euch interessiert. Ob ein Video vom Auftritt Ihrer Lieblingsband, ein Foto vom Zeltplatz oder die Frage: Wie teuer ist eigentlich das Festivalbier? Teilt uns eure Wünsche für unsere Berichterstattung bereits im Vorfeld mit per E-Mail an online@rhein-zeitung.net sowie unter www.facebook.com/rheinzeitung oder www.instagram.com/rheinzeitung

Planen Sie in dieser Hinsicht künftig auch programmatische Veränderungen? Wieder mehr Rock 'n' Roll und weniger Hip-Hop?

Wir stellen das Programm grundsätzlich sehr datenbasiert zusammen. Dabei kann ich den eigenen Geschmack natürlich nicht völlig außen vor lassen, aber wir wollen unserem Publikum das bieten, was es hören will, und haben hierzu etwa auch regelmäßig Umfragen durchgeführt. Rock am Ring ist und bleibt jedoch auch künftig Rock am Ring. Natürlich gibt es immer wieder vereinzelte Kritik, dass es mittlerweile Pop am Ring oder Rap am Ring wäre, wenn wir die entsprechenden musikalischen Einflüsse im Programm abbilden. Aber Rock am Ring war eben immer schon ein Mainstreamfestival, das darf man nicht vergessen.

Dieses erste Festivaljahr nach den Absagen 2020 und 2021 ist dabei nicht zuletzt auch wegen der nach wie vor schwelenden Pandemie ein besonderes. Sie planen mit Vollauslastung und ohne jegliche Einschränkungen. Schwingt da nicht auch die Sorge mit vor größeren Infektionsausbrüchen?

Wir müssen einfach lernen, mit diesem Virus zu leben. Das Ausland hat es uns vorgemacht, in den USA und Großbritannien etwa wurde der Spielbetrieb bereits wieder aufgenommen, ohne dass es dabei nachweislich zu größeren Corona-Ausbrüchen gekommen ist. Ich halte Kultur – und hier insbesondere auch die Festivalkultur – für absolut gesellschaftsrelevant, deswegen müssen wir uns trauen, unserer Verantwortung in diesem Bereich auch wieder gerecht zu werden.

„Es wird noch ein paar Überraschungen geben, aber man muss ja nicht alles im Vorfeld verraten."

Matt Schwarz

Wir haben den Vorteil, dass Rock am Ring unter freiem Himmel stattfindet, wir werden auch niemandem vorschlagen, keine Maske zu tragen, das kann jeder für sich entscheiden. Wir richten uns letztlich nach den aktuellen gesetzlichen Vorgaben, die wir natürlich auch umsetzen werden. Wobei wir im Spielbetrieb zurzeit vonseiten der Behörden die Zusage haben, dass wir mit keinerlei Einschränkungen rechnen müssen.

Ende März wurde auch das Line-up noch einmal ergänzt − um Placebo. Die letzte Überraschung für dieses Jahr, oder kommt da noch was?

Die Programmplanungen sind eigentlich abgeschlossen.

Und das „eigentlich“ würden Sie, wenn man darauf besteht, auch streichen?

Nein, es wird noch ein paar Überraschungen geben, aber man muss ja nicht alles im Vorfeld verraten.

Darauf wollte ich hinaus. Also waren Placebo noch nicht die letzte Ergänzung im Line-up.

Es war die letzte Ankündigung, sagen wir es mal so.

Restkarten und weitere Infos unter www.rock-am-ring.com