Wenn die Lust weg ist – Sechs Wege aus dem Sex-Frust

Münster (dpa/tmn) – Die erste flammende Leidenschaft ist schon lange vorbei. Mit den Jahren der Partnerschaft schleicht sich bei vielen Paaren Lustlosigkeit ein – der Sex verabschiedet sich langsam aus der Beziehung.

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Das wird besonders belastend, wenn beide Partner grundsätzlich noch miteinander schlafen wollen und sich körperliche Nähe wünschen. Gewohnheit, Langeweile und Alltagssorgen lähmen aber die Leidenschaft – keiner ergreift die Initiative. Wer wieder Feuer unter die Bettdecke bringen will, muss aber genau das tun.

Miteinander über Sex sprechen

«Männer und Frauen haben oft ganz unterschiedliche Vorstellungen vom Sex», erklärt die Sexualberaterin Hildegard Stienen aus Münster, die eine «Late Love»-Sprechstunde für ältere Paare entwickelt hat. Bei Frauen schleiche sich nach den Wechseljahren oft Lustlosigkeit ein, viele fänden sich nicht mehr attraktiv. «Wenn der Mann dann fordert und will, gibt es Konflikte.»

Stienen hat auch die Erfahrung gemacht, dass Frauen ihren Partner «schonen» wollen, wenn dieser Erektionsprobleme hat. Sie behaupteten dann nur, keine Lust mehr zu haben. Solche Probleme lassen sich nur lösen, wenn die Paare ihre Gefühle auch äußern. Wichtig sei, sich mit der Sexualität des anderen Geschlechts zu beschäftigen, ergänzt der Diplom-Psychologe Michael Cöllen aus Hamburg. «Die Bedürfnisse verändern sich – dies sollten Paare immer wieder besprechen.»

Nicht die Masse macht's

«Es sollte nicht um Quantität, sondern um Qualität gehen», erklärt Cöllen. Auch wenn die Häufigkeit abnehme, könne die Tiefe der Begegnung zunehmen. «Es ist ja nichts gegen einen Quickie einzuwenden. Aber Sex muss nicht immer zum Orgasmus führen.» Wichtig sei auch «zweckfreie Zärtlichkeit» zu pflegen, die nicht darauf abzielt, schnell den Höhepunkt zu erreichen, betont der Paartherapeut. Laut Steffen Fliegel ist es völlig normal, dass in längeren Beziehungen die Häufigkeit der Sexualität nachlässt. Richtwerte von außen, die ein- bis zweimal Sex pro Woche proklamierten, sollte man ausblenden, rät der Psychologe aus Münster. «Manchmal gibt es Phasen intensiver Leidenschaft mit mehr Sex, dann wieder eine längere Ruhephase.» Dies sei völlig normal.

Neues für sich entdecken

«Nach 20 Jahren Ehe besinnen sich viele Paare auf neue Formen der Sexualität», sagt Cöllen. «Nach einer wilden Lustphase kann es darum gehen, den Weg zum geistigen Orgasmus zu finden.» Dazu zählen Beieinandersein, Körperkontakt oder auch ein intensives Gespräch. Gefragt sei vor allem Kreativität. «Es muss nicht immer Geschlechtsverkehr sein», rät auch Ärztin Stienen. Sie ermuntert Paare, andere Formen von Sex auszuprobieren, wie Streicheln und Berühren. Das wichtigste sei jedoch, die sexuelle Beziehung nicht einschlafen zu lassen, «dran zu bleiben». «Zärtlichkeiten sind immer möglich und müssen nicht sofort in sexuelle Aktivität münden», betont Fliegel.

Fernseher und Computer ausschalten

Viele Paare kommen erschöpft von der Arbeit nach Hause und setzen sich zu Hause gleich vor den Fernseher oder Computer. «Fernseher und moderne Unterhaltungselektronik töten die Liebe», sagt Cöllen. «Via SMS ist kein sinnlicher Austausch mehr möglich.» Vor allem Männer sollten stärker darum bemüht sein, sich auf die weibliche Sexualität einzustimmen und mehr auf die Körpersprache ihrer Partnerin zu achten.

Sich Zeit schenken

«Liebe ohne Zeit muss sterben», sagt der Psychologe aus Hamburg. «Statt müde von der Arbeit zur Liebe zu gehen, ist es besser, müde von der Liebe zur Arbeit zu gehen.» Trotz Familie und Alltagsstress sollten Paare feste Zeiten für sich vereinbaren. So eine Verabredung muss nicht zwingend auf Sex hinauslaufen – sie kann auch genutzt werden, um um den anderen zu werben. «Jeder Partner könnte einmal im Monat einen Verwöhntag oder ein Verwöhnwochenende organisieren», schlägt Fliegel vor. Auch ein erotisches Gespräch oder eine Massage könnten für beide schön sein. «Es sollte grundsätzlich aber vermieden werden, etwas tun zu müssen.»

Hilfe suchen

Wer nicht weiterkommt, kann sich Hilfe holen. Paarseminare für Lust und Sinnlichkeit könnten wichtige Anregungen geben, um Blockaden zu überwinden, sagt Cöllen. «Oft ist die Lust durch eine unangenehme oder sogar traumatische Erfahrung blockiert. Oder es ist in der Beziehung etwas so Negatives passiert, dass die Lust weggegangen ist», erklärt Fliegel. Ein Berater kann helfen, den Knackpunkt zu finden. Sitzt ein Paar vor ihr in einer Therapiestunde, sei bereits ein wichtiger Schritt getan, sagt Stienen. «Das ist schon mal toll.»