Bevor die meisten Geschäfte am Mittwoch schließen müssen, erleben Innenstädte und Gewerbegebiete einen kleinen Ansturm
Der Lockdown-Schlussverkauf: Innenstädte und Gewerbegebiete erleben einen kleinen Ansturm
Ob in der Koblenzer Fußgängerzone , im Gewerbepark Mülheim-Kärlich oder in der Mainzer Innenstadt: Kurz vor dem harten Lockdown nutzen viele die Gelegenheit, um Einkäufe zu erledigen.
Sascha Ditscher

Lange Autoschlangen an den Einfahrtstraßen zu den Gewerbegebieten, Wartezeiten in Geschäften in den Fußgängerzonen, dauerklingelnde Telefone in Friseursalons: Der nahende harte Lockdown, bei dem diesmal auch Geschäfte schließen müssen, deren Angebot nicht als überlebenswichtig gilt, hat vor allem in den größeren Städten in Rheinland-Pfalz am Montag noch einmal zu einem kleinen Ansturm geführt.

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Ob in der Koblenzer Fußgängerzone , im Gewerbepark Mülheim-Kärlich oder in der Mainzer Innenstadt: Kurz vor dem harten Lockdown nutzen viele die Gelegenheit, um Einkäufe zu erledigen.
Sascha Ditscher

„Das ist hier wie im Krieg“, meint eine Verkäuferin im Koblenzer Kaufhof gereizt. Während in einigen Bereiche des Kaufhauses nicht besonders viel los ist, drängen sich in anderen die Kunden, die Schlangen an den Kassen waren lang. Vorsicht, Abstand? Daran hielten sich viele nicht, ärgert sich die Verkäuferin. „Die Regierung hat uns jedenfalls keinen Gefallen damit getan, dass die Geschäfte noch zwei Tage lang geöffnet sein dürfen“, sage sie. In dieser kurzen Zeit würden viele Leute noch schnell alles besorgen, was sie benötigen – und alle auf einmal in die Stadt drängen.

Unklare Perspektiven

„Seit heute Morgen um 9 Uhr geht es rund“, sagt auch der Mainzer Juwelier Jan Sebastian. In der Fußgängerzone sind deutlich mehr Menschen unterwegs als sonst an Montagen. Vor Buchläden, Teeshops oder Dekogeschäften überall das gleiche Bild: Schlangen wartender Kunden. Trotz Montag, trotz der Appelle der Politik: Viele sind eigens in die Innenstadt gefahren, um noch schnell letzte Einkäufe zu erledigen und ein paar Geschenke zu besorgen. Für den Einzelhandel sind die Woche vor Weihnachten und die Woche „zwischen den Jahren“ die wichtigsten des Jahres, sagt Sebastian, der auch Präsident des Handelsverbands (HDE) Rheinland-Pfalz, Hessen, Saarland ist: „Einige Unternehmen machen jetzt ein Drittel oder ein Viertel ihres Jahresumsatzes, für viele meiner Kollegen ist der Lockdown eine Katastrophe.“

Und manche wissen schlicht nicht, wie es für sie weitergeht. „Ich weiß gar nicht genau, ob ich Mittwoch noch öffnen darf“, sagte zum Beispiel Elvira Husar. Erst vor wenigen Wochen hat sie einen kleinen Laden mit Süßigkeiten wie gebrannte Mandeln, Lollies und Naschwerk in der Mainzer Innenstadt eröffnet. Husar ist Schaustellerin, mit dem Laden wollte sie einen Ersatz für den ausgefallenen Weihnachtsmarkt schaffen. „Das wird total super angenommen“, berichtet sie. Doch nun ist womöglich auch für sie wieder Schluss.

Endspurtstimmung ist ebenfalls in Montabaur zu spüren. „Wir haben gut zu tun, es ist mehr los als sonst“, sagen die Inhaberinnen der Boutique Modeteam, Evi Gresser und Rafaela Wolf-Dämgen. Trotz Corona stecken die beiden Einzelhändlerinnen den Kopf nicht in den Sand – sie bieten einen Lieferservice an. „Unsere Weihnachtswichtel fahren auf Bestellung Ware aus“, sagt Wolf-Dämgen. Allerdings führt der Lockdown auch hier zu Umsatzeinbrüchen, nicht nur im Weihnachtsgeschäft. „Ich mache mir große Sorgen um die Textilgeschäfte, aber auch um die Innenstädte“, sagt HDE-Regionalpräsident Sebastian. Gerade die Bekleidungsgeschäfte hätten jetzt in der Vorweihnachtswoche große Rabattaktionen geplant, die Läden sitzen auf vollen Lagern: „Die konnten die Frühjahrsware nicht verkaufen, die Sommerware nicht, die Winterware auch nicht.“ Nun drohen hohe Einbußen – und eine Pleitewelle im Frühjahr.

Die wird wohl auch die Friseure treffen. Der Vorsitzende Landesinnungsmeister beim Landesverband Friseure und Kosmetik Rheinland, Guido Wirtz, jedenfalls rechnet damit, dass rund 30 Prozent seiner Branche die Folgen der Corona-Pandemie nicht überleben. „Spätestens nächstes Jahr werden sie es nicht mehr schaffen.“ Und das, obwohl die Friseure in Rheinland-Pfalz vor dem Lockdown versuchen, noch möglichst viele Kunden zu bedienen. Läden, die normalerweise montags geschlossen sind, hätten am Montag von „sehr früh bis sehr spät“ geöffnet gehabt, sagte Wirtz. Für die Friseure sei es derzeit „eine ganz komplizierte und schwierige Situation“. Eine der umsatzstärksten Zeiten im Jahr, jene vor Weihnachten, breche mit der angeordneten Schließung der Betriebe „komplett weg“. Wirtz bekommt derzeit viele besorgte Anrufe von Kollegen. Den Sommer über hätten die Betriebe in Rheinland-Pfalz 16 bis 20 Prozent weniger Umsatz gemacht. „Auch dieser Umsatzverlust ist da. Dann noch der vom ersten Lockdown und jetzt kommt der vom zweiten.“

Zu wenig HIlfe?

„Der harte Lockdown schon ab Mittwoch kommt sehr kurzfristig und wird massive wirtschaftliche Folgen haben“, sagte auch Arne Rössel, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Koblenz. Positiv zu bewerten sei, dass – auch durch den Einsatz des Landes Rheinland-Pfalz – zusätzliche Hilfen für den Einzelhandel und deren Vermieter in Aussicht gestellt werden.

Ob in der Koblenzer Fußgängerzone , im Gewerbepark Mülheim-Kärlich oder in der Mainzer Innenstadt: Kurz vor dem harten Lockdown nutzen viele die Gelegenheit, um Einkäufe zu erledigen.
Sascha Ditscher
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Gisela Kirschstein
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Mit der Begründung, die staatlichen Corona-Finanzhilfen reichten aus, wies auch die Bundesregierung Kritik des Handels an den Hilfen zurück. Firmen bekämen mit der verlängerten Überbrückungshilfe III bis Ende Juni eine Perspektive, um Arbeitsplätze zu erhalten und ihren Betrieb fortzuführen, heißt es im Finanzministerium. Der Handelsverband HDE fordert für Dezember die gleiche Unterstützung, die die seit Anfang November geschlossene Gastronomie erhält. Ihr werden mit den sogenannten November- und Dezemberhilfen Umsatzausfälle erstattet.

Der HDE drängt zudem darauf, Einzelhändlern zumindest die Übergabe von im Internet bestellter Ware in eigentlich geschlossenen Läden zu erlauben. Dies biete stationären Händlern die Möglichkeit, sich in der Krise jetzt im Wettbewerb gegen reine Onlinehändler zu behaupten. Auch würden Lieferdienste entlastet.

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