Mr. Fox steckt in der Zwickmühle: Einerseits hat er sich einem ruhigen Leben in ländlicher Idylle verschrieben. Andererseits hat er das wilde Tier in sich zu lange schon unterdrückt. Er ist aber nichts anderes: ein Fuchs, und dazu noch der genialste Hühnerdieb der Gegend.
Dem ruchlosen Leben hat er seiner Frau zuliebe bei der Geburt seines Sohnes Ash zwölf Jahre zuvor abgeschworen. Als die Familie jedoch in die direkte Nachbarschaft zu den drei fiesen Geflügelzüchtern Boggis, Bunce und Bean zieht, ist die Versuchung für Mr. Fox zu groß. Er plant einen letzten Coup. Mit „Der fantastische Mr. Fox“ kommt am 13. Mai der erste Animationsfilm von Wes Anderson („Die Royal Tenenbaums“) in die deutschen Kinos.
Der achten Regiearbeit des 41-Jährigen liegt das gleichnamige Kinderbuch des norwegisch-walisischen Autors Roald Dahl (19161990) zugrunde. „Mir gefiel Mr. Fox, seine irgendwie heldenhafte, etwas selbstverliebte Art“, sagt Anderson laut Presseheft über die Vorlage. Darauf aufbauend hat er zusammen mit Co-Autor Noah Baumbach, mit dem er schon bei „Die Tiefseetaucher“ zusammenarbeitete, in Dahls Haus das Drehbuch geschrieben. Dafür erhielt das Duo einen „Annie Award“. Eine Oscar-Nominierung gab es in der Kategorie „Bester Animationsfilm“.
Anderson ist nicht der erste Filmemacher in Hollywood, der sich für Dahls Werke begeistert. Tim Burton brachte das Remake von „Charlie und die Schokoladenfabrik“ (2005) auf die Leinwand, Nicolas Roeg verfilmte „Hexen hexen“ (1990) und Danny DeVito „Matilda“ (1996). Auch Andersons Konkurrent bei den diesjährigen Oscars, Henry Selick mit „Coraline“, hatte sich zuvor bei Dahl bedient: 1996 erschien „James und der Riesenpfirsich“.
Nun also Anderson und der fantastische Fuchs. Der tierische Protagonist wird im englischen Original von George Clooney („Männer, die auf Ziegen starren“) gesprochen. Im Deutschen leiht Christian Berkel („Inglourious Basterds“) ihm die Stimme, seiner Frau, Mrs. Fox, übrigens Andrea Sawatzki („Tatort“). Berkel und Sawatzki sind auch im echten Leben ein Paar.
Mr. Fox arbeitet als Zeitungskolumnist. Mit seiner Frau, dem gemeinsamen Sprössling Ash und Neffe Kristofferson lebt er in einem mondänen Baumhaus. Gefangen im Spannungsverhältnis zwischen seiner kultivierten Lebensart und seinem wilden Naturell – nach der Zeitungslektüre verschlingt er das Frühstück – bricht er immer öfter aus. Nachts stiehlt er sich davon und erleichtert die Bauern um ihre Hühner, Truthähne und ihren Apfelwein. Die lassen sich das nicht lange gefallen und versuchen, dem listigen Tier Herr zu werden. Als das nicht gelingt, fahren sie schweres Geschütz gegen Fox, dessen Familie und tierische Nachbarschaft auf. Den Tieren bleibt nur eine Chance: gemeinsam dem waghalsigen Plan des Fuchses zu folgen.
Bei der Verfilmung der Geschichte, die aus dem Jahr 1970 stammt, bediente sich Anderson der aufwendigen Stop-Motion-Technik. Dabei werden die handgefertigten Puppen in kleinsten Schritten bewegt und Bild für Bild gefilmt. Die einzelnen Szenen werden dann nacheinander, wie bei einem Daumenkino, abgespielt. Das Ergebnis wirkt angesichts solch fotorealistischer Computeranimationen wie aus den Häusern Pixar und Dreamworks geradezu rustikal. Es verleiht dem Film aber einen besonderen Charme.
Hat Anderson hinsichtlich der Machart Neuland betreten, seinem Stil ist er treugeblieben. Wie schon in seinen verschrobenen Komödien „Die Royal Tenenbaums“ (2001) oder „Die Tiefseetaucher“ (2004) ist sein neuestes Werk gespickt mit geschliffenen Dialogen und voller schwarzem Humor und Ironie. Sein Leitmotiv, das Sezieren schrulliger Familien samt ihrer kauzigen Charaktere setzt sich auch in „Der fantastische Mr. Fox“ fort. Der alternde Mr. Fox begibt sich auf die Sinnsuche. Außerdem projiziert er seine Hoffnungen auf das vermeintliche Wunderkind Kristofferson; sehr zum Leidwesen seines Sohnes, der aufsässig und verzweifelt um die Aufmerksamkeit der übergroßen Vaterfigur ringt.
Mit „Der fantastische Mr. Fox“ ist Anderson sein bislang zugänglichster Film gelungen, der an Witz und Charme seinen bisherigen Streifen in nichts nachsteht und ein breites Spektrum von Zuschauern – Familien bis Arthouse-Fans – nicht enttäuschen dürfte.
Roland Hindl