Kann und darf Innenminister Michael Ebling (SPD) für den Mainzer Stadtrat kandidieren? Wird der lokale Promi am Ende nicht doch auf einen Sitz verzichten und wären Personenstimmen dann verschenkt? Hat er überhaupt Zeit für kommunale Arbeit? Darüber und vor allem über mögliche Interessenkonflikte wird in der Landeshauptstadt heftig diskutiert und der Kopf geschüttelt, zumal das Kommunalwahlrecht für die Vereinbarkeit von Amt und Mandat enge Grenzen setzt.
„Kandidieren kann er“, sagt Paul Glauben (CDU) ohne Wenn und Aber. Er muss es wissen, denn der frühere Chef des Wissenschaftlichen Dienstes des Landtags hat zu Scheinkandidaturen auch promoviert. Dabei konnte er viele Fälle durchspielen. Denn Parteien setzen bei ihren Listen gern auf bekannte Namen, um möglichst viele Stimmen zu bekommen. Bei Kreistagswahlen kandieren zum Ärger der Konkurrenz auch immer wieder Landräte oder Kreischefinnen, obwohl kaum anzunehmen ist, dass sie ihr einflussreiches Amt gegen einen Sitz im regionalen Parlament tauschen. Zu besichtigen war und ist dies in Mainz-Bingen. Aktuell führt Landrätin Dorothea Schäfer (CDU) dort die Liste an. Früher war ihr SPD-Vorgänger das große Aushängeschild der Genossen.
Durchsichtiges Manöver
Aus der Sicht von Glauben können Parteien solche Konstellationen nur politisch als durchsichtiges Manöver angreifen, nicht aber rechtlich. „Der Wahlleiter hat keinen Wahrheitstest oder Lügendetektor“, um festzustellen, ob jemand sein Amt vielleicht nicht doch gegen ein Mandat tauscht, wenn es zum Schwur kommt. Zunächst sei deshalb auch das Amt des Innenministers rein rechtlich kein Hindernis, für den Mainzer Stadtrat zu kandidieren. Ein Interessenskonflikt könne juristisch erst dann zum Thema werden, wenn er das Mandat auch annimmt.
Ist Streit um Ebling im Rat nach der Wahl programmiert? Die örtliche SPD schließt dies aus, will dies auch juristisch geprüft haben. Aber: Der 56-Jährige ist als Innenminister auch oberster Dienstherr der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) – der einflussreichen Kommunalaufsicht über Landkreise und Städte. Theoretisch könnte sie auch einmal Mainz zu einer Entscheidung zwingen, die dem Stadtrat nicht passt und dem dann ihr Dienstherr angehört. Spitzt sich ein Streit zu, könnten Verwaltungsgerichte am Zuge sein, sagt nicht nur Jurist Glauben. Bisher sind dafür noch keine Beispiele bekannt.
Zieht Ebling tatsächlich ohne vorherigen Amtsverzicht in den Stadtrat ein, würde dies nicht von vornherein gegen den Wortlaut des Gesetzes verstoßen, wohl aber gegen den beabsichtigten Sinn und Zweck der Selbstverwaltung und demokratischen Kontrolle, hat der Mainzer Verfassungsrechtler Prof. Friedhelm Hufen in der Mainzer „Allgemeinen Zeitung“ zu bedenken gegeben. „Nicht alles, was rechtlich möglich ist, macht man auch“, sagt zur Causa Ebling ein rheinland-pfälzischer Sozialdemokrat und spielt damit auf das Ethos im Amt eines Innenministers an.
Ebling geht auch politisch ins Risiko
Wenn Ebling auf Platz 30 in den Wahlkampf zieht, setzt er auch politisch auf Risiko. Denn womöglich ist der ehemalige Mainzer Oberbürgermeister gar nicht mehr so das beliebte Zugpferd, das er mal war. Als die Mainzer SPD ihre Kandidaten für den Stadtrat wählte, erhielt der medial ständig präsente Landespolitiker jedenfalls das zweitschlechteste Ergebnis aller 60 Kandidierenden. Womöglich waren einige wegen seines Amts verunsichert. Aber es könnte auch sein, dass es ihm Genossen übelnehmen, dass er vor seinem Karrieresprung ins Kabinett von Malu Dreyer niemanden für eine Nachfolge aufgebaut hat.
Die Quittung dafür war deutlich: Die SPD, die in Mainz gut sieben Jahrzehnte stets den Oberbürgermeister stellte, schmierte bei der Wahl auf ein historisches Tief von 13,3 Prozent noch hinter der CDU ab. Und: Die einstige Galionsfigur der Mainzer SPD musste vor der letzten Wiederwahl als OB bereits einen Warnschuss hören und in die Stichwahl gegen den parteilosen Nino Haase gehen – den heutigen Oberbürgermeister.
Schlägt Ebling bei der Kommunalwahl 2024 aber großes Misstrauen von Bürgern entgegen, könnte ihm dies nicht nur in Mainz Sympathien kosten. Schafft es Ebling nicht, mit beeindruckend vielen Personenstimmen von Platz 30 grandios ganz nach vorn panaschiert zu werden, würde er beim Rennen um die Dreyer-Nachfolge eine herbe Schramme abbekommen. Deshalb sind für ihn die Beliebtheitswerte viel wichtiger als für Finanzministerin Doris Ahnen (SPD), die ebenfalls für den Stadtrat kandidiert.
Binz und Eder treten für die Grünen an
Nebenbei kann über eine andere kleine Testwahl spekuliert werden: Bei den Grünen treten auch die Ministerinnen Katharina Binz (Familie, Frauen, Kultur und Integration) und Katrin Eder (Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität) für den Stadtrat an. Beiden werden Ambitionen für die nächste Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl nachgesagt.
Binz hat 2021 das erste Direktmandat für die Grünen im rheinland-pfälzischen Landtag gewonnen. Als Ministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin verzichtete sie aber nach Regeln der Grünen aufs Mandat. Rechtlich hätte sie dies behalten dürfen, obwohl das Parlament das Kabinett kontrollieren muss. Aber als Ministerin ist sie, anders als Staatssekretärinnen und Staatssekretäre, keine Beamtin. Beamte müssen ihr Amt aufgeben oder – wie Polizisten oder Lehrer – ruhen lassen, wenn sie Abgeordnete sind. Kabinettsmitglieder sind davon befreit. Sie können sich mit dem Mandat bei einem vorzeitigen Rücktritt oder gar Rauswurf aus dem Ministerrat auch absichern.
Das sagt das Gesetz zu Amt und Mandat
Paragraf 5 des Kommunalwahlrechts sagt zur Unvereinbarkeit von Amt und Mandat: Wer die Wahl zum Mitglied des Gemeinderats angenommen hat, darf nicht gleichzeitig als Beamter oder als Beschäftigter (soweit er nicht überwiegend körperliche Arbeit verrichtet) der Gemeinde, der zuständigen Verbandsgemeinde oder eines öffentlich-rechtlichen Verbandes, an dem die Gemeinde beteiligt ist, hauptamtlich tätig sein. Das gilt auch für Unternehmen, an dem die Gemeinde mit mehr als 50 Prozent beteiligt ist oder die Mehrheit der Stimmen verfügt. Ausgeschlossen sind auch Mitglieder eines Sparkassenvorstands, bei der die Gemeinde zu den Gewährträgern gehört.
Brisant ist für Minister der Punkt 7: Da gelten Amt und Mandat für Personen als unvereinbar, die „unmittelbar mit Aufgaben der Staatsaufsicht über die Gemeinde oder mit der überörtlichen Prüfung der Gemeinde befasst“ sind.