Von A wie Asics bis W wie WMF – stolz präsentiert das Fashion Outlet Center (FOC) in Montabaur (Westerwaldkreis) sein Marken-Abc im Internet. Mehr als 70 Positionen umfasst es. Demnächst könnten noch einige Buchstaben dazukommen. Denn das FOC wird wachsen – und zwar beträchtlich: Das Shoppingcenter am ICE-Bahnhof darf seine Fläche von derzeit 10.000 Quadratmetern nahezu verdoppeln.
Die entsprechende Zustimmung kam jetzt von der Oberen Landesplanungsbehörde bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord (wir berichteten). Begeisterung löst die Nachricht nicht überall aus. Vor allem in diversen Nachbarstädten geht die Furcht vor weiterem Kaufkraftverlust um. Denn der Einzelhandel in Innenstadtlagen hat es bekanntlich sowieso schwer bei all der Onlinekonkurrenz und einer allgemeinen Kaufzurückhaltung.
„Wir halten die Erweiterung schlicht für zu groß“, sagt Thomas Scherer, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Rheinland-Pfalz. 9800 zusätzliche Quadratmeter werden dem FOC Montabaur unter bestimmten Auflagen zugestanden – das sind beispielsweise Verkaufsflächenobergrenzen für einzelne Sortimentsgruppen, wie es in der Mitteilung der SGD heißt. Scherer verweist auf Erfahrungen, die der Einzelhandel beispielsweise um Umfeld des Fashion Outlet im pfälzischen Zweibrücken gemacht habe: „Daher wissen wir, dass der Einfluss auf das Umland eben deutlich größer sein kann, als es in manchem Gutachten steht.“
Scherer berichtet von Einzelhändlern aus Pirmasens, die mit gewisser Bitterkeit sagen: Man hat uns gegenüber von Verlusten von 10 Prozent gesprochen. Was wir nicht ahnten, ist, dass es 10 Prozent jedes Jahr sind...
„Die großen Player profitieren“
So muss es freilich rund um Montabaur nicht kommen. Und dennoch – die Sorgen sind groß. Nicht erst, seit die Entscheidung der SGD bekannt geworden ist. Neuwied gehört zu jenen Städten, die sich seit Jahren vehement gegen die FOC-Vergrößerung gestemmt haben. Entsprechend konsterniert reagiert Oberbürgermeister Jan Einig (CDU): „Es kann doch nicht sein, dass wir überall darum kämpfen, unsere Innenstädte zu retten, während andere alles daransetzen, noch mehr Umsatz vom bedrohten lokalen Einzelhandel abzuziehen. Die großen Player profitieren davon, dass sie die Mittel haben, riesige Shoppingzentren zu errichten, während die Innenstädte als Einkaufsort veröden“, wird er in einer Mitteilung zitiert.
Die Sorgen der Nachbarstädte machen nicht an der Landesgrenze Halt. Auch Limburg in Hessen, nur wenige Kilometer von Montabaur entfernt, hat seine ablehnende Haltung im gesamten Verfahren stets deutlich gemacht, wie Stadtbürgermeister Marius Hahn (SPD) betont.
„Leider ist nun eingetreten, was allerdings zu erwarten war. Und leider macht es deutlich, dass sich das bereits beim Bau beziehungsweise der ursprünglichen Genehmigung des FOCs bestehende Gerücht, wonach es nicht bei einer auf 10.000 Quadratmeter begrenzten Verkaufsfläche bleibt, nun bewahrheitet“, erklärt er.
Klage gegen den Zielabweichungsbescheid?
Und nun? Gegen die raumordnerische Entscheidung könne rechtlich nicht vorgegangen werden, so Hahn. Beim parallel ergangenen Zielabweichungsbescheid aber sei das möglich. Die Erweiterung des FOC stünde nämlich eigentlich dem geltenden Landesentwicklungsplan (LEP) und den darin festgelegten Zielen (zum Beispiel „städtebauliche Integration“) entgegen. Also musste eine Abweichung von diesen Zielen erlaubt werden, was geschah, weil die Grundzüge des LEP nicht berührt seien, wie es im Schreiben der SGD heißt:
„Die landesplanerischen Zielvorgaben zum Einzelhandel werden durch die geplante Erweiterung des FOC Montabaur in ihrer Gesamtheit nicht infrage gestellt“. „Hier wäre eine Anfechtungsklage möglich“, teilt die Stadt Limburg mit – verweist allerdings darauf, erst einmal Akteneinsicht erlangen zu müssen.
Im Mainzer Innenministerium ist man sich derweil sicher, dass die Entscheidung sorgfältig vorbereitet und rechtssicher begründet ist – und dass auch die Auswirkungen auf die benachbarten „zentralen Orte“ in einer Auswirkungsanalyse umfassend untersucht wurden:
„Diese Auswirkungsanalyse sowie eine zusätzliche Plausibilitätsprüfung durch ein zweites, renommiertes Planungsbüro kommen zu dem Ergebnis, dass durch die Erweiterung keine wesentlichen Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der zentralen Versorgungsbereiche beziehungsweise der städtebaulich-funktionalen Zentren zu erwarten ist“, erklärt Innenminister Michael Ebling (SPD) auf Anfrage unserer Zeitung. Dieser Einschätzung schließt sich auch das Wirtschaftsministerium an, wie es auf Nachfrage betont.
IHK: Versachlichung der Diskussion
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Koblenz spricht von einer Versachlichung der Kontroverse rund um die bereits 2019 beantragte Erweiterung, die das Raumordnungsverfahren gebracht habe. „Auch wir als IHK waren an diesem Verfahren beteiligt und haben nachdrücklich auf die Wettbewerbsverschärfung im gesamten regionalen Einzelhandel hingewiesen“, erklärt Fabian Göttlich, Geschäftsführer Interessenvertretung der IHK. Und betont: „Auch deswegen wurden verschiedene Gutachten, Gegengutachten und Plausibilitätsprüfungen durchgeführt, in deren Ergebnis die Erweiterung insgesamt kleiner und in der Sortimentsabgrenzung schärfer ausfällt als ursprünglich beantragt.“
Die Erweiterung, so Ebling, solle nachhaltig gestaltet werden – Ebling verweist darauf, dass im Raumordnungsverfahren die Umweltverträglichkeit und die Verkehrserschließung des Projektes umfassend untersucht worden seien. Entwickeln können soll sich aber eben auch das FOC selbst – Ebling spricht von der Frage der Wettbewerbsfähigkeit.
„Das FOC Montabaur ist mit knapp 10.000 Quadratmetern Verkaufsfläche bislang eines der kleineren Outlet-Center in Deutschland. Durch die Erweiterung sollen der Betrieb des FOCs und die damit verbundenen Arbeitsplätze in der Region nachhaltig gesichert werden.“ Der Betreiber erwarte eine Steigerung der Vollzeitarbeitsplätze von derzeit circa 300 auf etwa 680. „Hiervon profitiert nicht nur die Stadt Montabaur, sondern der gesamte Westerwaldkreis“, ist sich Ebling sicher.
Eine Einschätzung, der sich Fabian Göttlich anschließt: Das FOC sei in Kombination mit dem ICE-Bahnhof und den dortigen Unternehmen ein Baustein für die regionalwirtschaftliche Weiterentwicklung des gesamten Westerwaldkreises und angrenzender Landkreise. Die Bilanz sei beachtlich, der IHK-Mann spricht von insgesamt 2000 Arbeitsplätzen.
Werden die Innenstädte systematisch ausgedörrt?
Aber was wird nun aus den Innenstädten? Thomas Scherer vom Handelsverband zeichnet ein düsteres Bild, sieht landauf, landab Tendenzen, die Innenstädte etwa durch Parkplatzvernichtung unattraktiver zu machen – in einem Flächenland, in dem eben viele Menschen aufs Auto angewiesen sind. Da wird die „grüne Wiese“ quasi automatisch attraktiver – und Outlet-Center mit ihren Großparkplätzen locken umso mehr. „Irgendwann ist dann die Belastungsgrenze erreicht.“
Das Factory Outlet Center (FOC) Montabaur darf seine Verkaufsfläche von derzeit 10.000 Quadratmetern annähernd verdoppeln. Die Erweiterungspläne, die in der Region seit Jahren kontrovers diskutiert werden, haben nun die entscheidende bürokratische Hürde genommen.Landesbehörde stimmt zu: FOC Montabaur darf seine Verkaufsfläche annähernd verdoppeln
Dabei versucht auch die Landesregierung durchaus, die Zentren zu stärken – das Wirtschaftsministerium verweist auf den ressortübergreifenden Regierungsschwerpunkt „Innenstädte der Zukunft“, der darauf abziele, die Akteure in den rheinland-pfälzischen Städten und Gemeinden vor Ort zu vernetzen und mit Anregungen und konkreten Maßnahmen dazu zu befähigen, ihre Innenstädte lebenswert und attraktiv zu gestalten – ein Ansatz, den auch die IHK mit Branchenforen oder Aktionen wie „Heimat shoppen“ unterstützt.
Der Handel sei dabei unverändert der wichtigste Grund für den Besuch von Innenstädten, erklärt ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums. Aber die Branche mache eben derzeit nicht nur im nördlichen Rheinland-Pfalz einen Strukturwandel durch – vor allem durch veränderte Konsumentengewohnheiten und die starke Konkurrenz durch Online-Shopping. „Vor diesem Hintergrund kann die Erweiterung einer stationären Einkaufsdestination wie dem FOC Montabaur einen Gegenpol zum Kaufkraftabfluss ins Internet darstellen und Arbeitsplätze und Steuereinnahmen vor Ort sichern.“
Weitere Informationen zum Raumordnungsverfahren, zu den Entscheidungsgrundlagen, einen Lageplan und Angaben zu den Auflagen gibt es im Internet unter www.ku-rz.de/roefoc