Hoch oben am Mainzer Horizont erscheint am Donnerstagmorgen über dem Rhein ein Hubschrauber. Flussabwärts kommt das silbern-blaue, schnittige Fluggerät am bedeckten Mainzer Himmel angeflogen. An einem Seil hängt ein riesiger Wasserbehälter. Auf einer Kufe steht wie im besten Actionfilm ein Besatzungsmitglied. Ob hier gleich packende Szenen zu beobachten sind? Einige Meter hinter der Theodor-Heuss-Brücke auf Höhe der wartenden Zuschauermenge angekommen, stürzen plötzlich Hunderte Liter Wasser in die Tiefe. Der Helikopter fliegt über dem Fluss eine Kurve, verringert seine Höhe und sammelt im Rhein neues (Lösch-) Wasser ein. Zwei-, dreimal wiederholt sich dieser Ablauf, bevor die Maschine am Ufer landet.
Hier warten der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer, Innenminister Michael Ebling (beide SPD), Polizeipräsident, Polizeiinspekteur, Dutzende Vertreter der Blaulichtfamilie – und eine ganze Reihe interessierter Rheinland-Pfälzer, samt staunender Kinder, die noch Sommerferien haben.
Rheinland-Pfalz hatte jahrelang keine Hubschrauber mit Seilwinde
Die rheinland-pfälzische Polizei erhält an diesem Morgen zwei neue Hubschrauber des Typs Airbus H145. Sie werden in Mainz erstmals präsentiert. Die insgesamt rund 36 Millionen Euro teuren Maschinen werden bei der Polizeihubschrauberstaffel auf dem Flugplatz Winningen (Kreis Mayen-Koblenz) stationiert sein. Mit den neuen Helis können etwa Wald- und Flächenbrände aus der Luft bekämpft werden. Die Außenbehälter haben ein Fassungsvermögen von mehr als 800 Litern. Und mit den neuen Einsatzgeräten können Menschen mittels Seilwinde gerettet werden. Solche rheinland-pfälzischen Helikopter mit Seilwinden zur Menschenrettung hatten bei der Flutkatastrophe im Sommer 2021 gefehlt – mit dramatischen Folgen. Und sie fehlten bis heute.
Das Ausrüstungsdefizit in Rheinland-Pfalz war durch die Aufarbeitung der Flutkatastrophe im Ahrtal, unter anderem im Untersuchungsausschuss des Landtags, deutlich geworden. Das Land besitzt nach Angaben des Innenministeriums seit mehr als 20 Jahren über kein eigenes Modell mit Seilwinde. Das hatte sich während des Extremhochwassers an der Ahr als großes Problem dargestellt. Denn das Land musste sich zu diesem Zeitpunkt auf andere verlassen.
Die Polizeihubschrauberstaffel Rheinland-Pfalz war am Abend (ab kurz vor 22 Uhr) und in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 im Ahrtal für einen Aufklärungsflug unterwegs. Irgendwann wurde der Hubschrauber abgezogen. Man habe den Menschen, die in Not waren und dringend Hilfe benötigten, „keine Hoffnung machen wollen“, schilderte der Pilot Monate später sichtlich bewegt vor dem Untersuchungsausschuss.
Rheinland-Pfalz. Es sind schon einige Augenblicke vergangen, einige Schilderungen des Hubschrauberpiloten ausgesprochen, als der Flugkapitän auf einmal mit seiner Stimme ringt.„Bringt alles, was Polizei ist, ins Ahrtal“: Hubschraubercrew informierte eindringlich über die Lage
Bei dem Flug entstanden die weithin bekannten Polizeihubschraubervideos, die Monate verschwunden waren und urplötzlich im Untersuchungsausschuss aufgetaucht waren. Eine Liveübertragung zur Polizei im Kreis Ahrweiler war damals aus technischen Gründen nicht möglich (wir berichteten ausführlich). Ein weiterer Helikopter war in der Katastrophennacht zur Erkundung ebenfalls unterwegs. Retten konnte er niemanden.
Am Donnerstag präsentierte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer mit Innenminister Michael Ebling (beide SPD) neue Polizeihelikopter mit Rettungsseil. Gut für die Polizei im Land, gut für die Sicherheit der Bürger - und dennoch: Das wichtige Einsatzgerät kommt Jahre zu ...Kommentar zu den neuen Hubschraubern mit Rettungsseilwinde: Kein Grund zum Zurücklehnen
Besatzungsmitglieder eines weiteren Helis der Luftrettung Air Rescue Nürburgring, ebenfalls ohne Rettungsseilwinde ausgestattet, berichteten vor dem Ausschuss eindrucksvoll, dass sie am frühen Abend des 14. Juli 2021 mehrere Personen vom Campingplatz Dorsel sichern konnten. Hierfür hatten sie ihren Heli ausgeräumt und eingeschlossene Personen provisorisch mit Feuerwehrleinen und -gurten durchs Wasser ans Ufer gezogen. Dank einer Kooperation mit dem Land Hessen konnten zu einem späteren Zeitpunkt vom Wasser Eingeschlossene außerdem durch einen hessischen Hubschrauber mit Winde gesichert werden.
Schweitzer: Erreichen heute Meilenstein
Beim Termin in Mainz erklärt Ministerpräsident Schweitzer, dass man nach der Ahr-Katastrophe wisse, dass man starkes Einsatzmaterial benötige. Man erreiche heute „einen Meilenstein“, was die Einsatzunterstützung für die rheinland-pfälzische Polizei angeht. Dadurch, dass die Länder Bayern und Sachsen Hubschrauber des gleichen Typs besorgten, gebe es neue, weitere Kooperationsmöglichkeiten.
Innenminister Ebling spricht von einer „großartigen Leistung“, dass man bei der Anschaffung im Preis- und Zeitkorridor geblieben sei. Zusammen mit dem in der Westpfalz stationierten Hubschrauber „Christoph 66“ seien drei Windenhubschrauber im Land vorhanden. Die Polizei verfüge nun über ein modernes Einsatzmittel für die polizeilichen Aufgaben, die Helis seien „ein wichtiges technisches Rückgrat für die Polizei“. Eine Bildliveübertragung ins Lagezentrum des Innenministeriums sowie zur Polizei sei jetzt ebenfalls möglich, so der Minister.
4,5 Millimeter dünn ist das Stahlseil - im Ernstfall kann ein Menschenleben daran hängen: Dann nämlich, wenn die Luftrettung im Katastrophenfall anrückt. Hubschrauber, die mit Seilwinden ausgestattet sind, braucht es.Mit dem Heli ins Katastrophengebiet: Polizei und Luftretter trainieren in Winningen für den Ernstfall
Wie überlebenswichtig Luftrettung ist, hat nicht zuletzt die Flutkatastrophe an der Ahr im Juli 2021 auf schmerzvolle Weise gezeigt. Damals verfügte Rheinland-Pfalz über keine eigenen Helikopter mit Rettungswinde.Zwei Rettungshubschrauber mit Seilwinde für Rheinland-Pfalz: Lieferung für Mitte des Jahres geplant
Acht Personen passen – samt Crew – in einen neuen Helikopter. Eine Hubschrauberbesatzung besteht aus Pilot, Co-Pilot oder Flugtechniker, Windenoperator sowie Windenretter. Nach Auskunft des Innenministers gibt es in Rheinland-Pfalz zurzeit 14 Piloten bei 12 Besatzungen. Die rheinland-pfälzische Hubschrauberstaffel sei auf einen 24/7-Betrieb ausgelegt. Für eine mögliche Menschenrettung per Winde gibt es eine Kooperation mit der Berufsfeuerwehr Koblenz. Die Ausbildung und Übung für die Seilrettung lief seit vergangenem Winter, unter anderem in Winningen, und wird nun weiter fortgesetzt.
Leistungsdaten des Hubschraubers:
Die neuen Hubschrauber vom Typ Airbus H145 gehören zur „Vier-Tonnen-Klasse“. Das bezieht sich laut Innenministerium auf das maximale Abfluggewicht. Aufgrund von zwei Turbinen mit je 900 PS Leistung können die Helis bis zu 280 km/h fliegen. Mit einer Tankfüllung können sie nach Angaben des Ministeriums über drei Stunden in der Luft bleiben und bis zu 650 Kilometer zurücklegen. bas