Das Ergebnis der Vorsitzendenwahl ist noch nicht ganz ausgesprochen, da schallt bereits ein lautes „Jaa“ durch den Parteitagssaal der Mainzer Rheingoldhalle, brandet großer Jubel unter den rund 300 Delegierten auf. Die neue rheinland-pfälzische SPD-Parteichefin Sabine Bätzing-Lichtenthäler erhält 98,9 Prozent Zustimmung. Es ist der zweite große Freudenschrei für die Sozialdemokraten. Mitte Juli ertönte bereits im Mainzer Landtag, nur ein paar Meter von hier entfernt, ein nur etwas weniger lautes „Ja“, als Alexander Schweitzer (SPD) im Parlament zum neuen Ministerpräsidenten gewählt worden war.
Nach ihrer Wahl ruft Bätzing-Lichtenthäler euphorisiert und erleichtert den Genossen zu: „Das war der geilste SPD-Moment – und es werden noch viele folgen.“ Am frühen Samstagnachmittag ist klar: Die zweite Staffelstab-Übergabe ist gelungen. Erst der geräuschlose Regierungswechsel, Schweitzer folgte auf die langjährige Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Dreyer ist mit ihrem Ehemann Klaus Jensen in der Rheingoldhalle ebenfalls zu Gast. Nun der geglückte Übergang an der Parteispitze: Bätzing-Lichtenthäler folgt auf Roger Lewentz (alle SPD).
Der 61-Jährige hatte die rheinland-pfälzische Sozialdemokratie zwölf Jahre lang geführt. Von 2011 bis 2022 war Lewentz Innenminister des Landes, im Zuge der Aufarbeitung der Ahr-Flutkatastrophe trat er zurück. Im vergangenen Jahr hatte er angekündigt, noch einmal, ein letztes Mal anzutreten, um den personellen Umbruch zu gestalten.
Bätzing-Lichtenthälers erster SPD-Moment vor 30 Jahren
In einer leidenschaftlichen Bewerbungsrede hatte Bätzing-Lichtenthäler von ihren ganz persönlichen SPD-Momenten berichtet. Sie sprach von Momenten, in denen ein jeder Genosse fühle, dass die SPD genau die richtige Partei für ihn oder sie sei. Ihr erster SPD-Moment liege nun 30 Jahre zurück. Sie sei 18 Jahre und zornig gewesen, weil in Altenkirchen ihr Wunsch, einen Jugendraum zu bekommen, nicht gehört worden sei. Aus diesem Grund sei sie damals in die SPD eingetreten, schildert die Westerwälderin.
Die 49-Jährige verspricht: Wenn die SPD-Delegierten ihr das Vertrauen schenken, „dann werden noch Hunderte, Tausende SPD-Momente dazukommen“. Sie „habe Bock darauf“, ruft die Fraktionschefin ihren Zuhörern zu – und strahlt.
Den wohl größten Jubel erhält die SPD-Politikerin, als sie die AfD scharf attackiert. Den neuen CDU-Generalsekretär und Bundestagsabgeordneten Johannes Steiniger nennt sie „CDU-Kaviar-General“. Bätzing-Lichtenthäler spielt auf ein opulentes Abendessen an – die Rede ist von 20.000 Euro -, an dem Steiniger genauso wie ein windiger und später verurteilter Unternehmer im Berliner Nobelhotel Adlon vor Jahren teilnahm. Dabei sollen Austern, Beluga-Kaviar und sündhaft teurer Wein serviert worden sein.
Was Steinigers Schwerpunkte für Rheinland-Pfalz sind, lasse sich nicht sagen, denn darüber lese man in den Zeitungen nichts, donnert die zu diesem Zeitpunkt noch designierte Parteichefin. Sie ergänzt: „Das sind die Menschen, mit denen die CDU uns im Wahlkampf attackieren will – mit Schnöseln, die im Adlon sitzen und auf fremde Kosten Austern schlürfen.“ Das solle man den Menschen nicht vorenthalten. Bätzing-Lichtenthäler bekommt hierfür großen Beifall.
Applaus beim Ministerpräsidenten kräftiger
Für ihre Rede erhält die Westerwälderin insgesamt viel Beifall. Allerdings ist der Applaus nicht ganz so kräftig wie bei den Ausführungen von Ministerpräsident Schweitzer. Delegierte erklären dies auch mit der Tagesordnung und der Reihenfolge der Vorträge. Bätzing-Lichtenthäler sei erst am Ende eines Reigens von Reden dran gewesen, da lasse die Aufmerksamkeit unter den SPD-Mitgliedern schon mal nach, erklären Sozialdemokraten.
Einer, der vor der neuen Landesvorsitzenden spricht, ist eben Schweitzer. Er holt die Genossen im Saal gleich ab, indem er auf den Eklat in der ersten Sitzung des neuen Thüringer Landtags am Donnerstag rund um dem AfD-Alterspräsidenten blickt. Nie wieder werde man Achsel zuckend hinnehmen können, wenn es da heiße: „Dann lasst sie von der AfD halt mal ran, sie werden sich schon entzaubern.“ Schweitzer: „Das ist eine gefährliche Illusion. Die hassen nichts mehr als unsere Demokratie.“ Man müsse sich der AfD entgegenstellen.
Dass die SPD in Rheinland-Pfalz seit 33 Jahren regiert, sei „jeden Tag harte politische Arbeit“, erklärt der Pfälzer. Der 51-Jährige bedankt sich bei seiner Vorgängerin Malu Dreyer und dem scheidenden Parteichef Roger Lewentz für die erfolgreiche Staffelstab-Übergabe. Er sei „sehr, sehr dankbar für alles, was Roger und du als Team für die rheinland-pfälzische SPD geleistet haben. Da wäre jeder Superlativ angemessen“.
Klingbeil lobt Bürgernähe und Geschlossenheit der RLP-SPD
In Richtung CDU ruft der Regierungschef: „Bei der CDU wird es schon schwierig, den stellvertretenden Kassenprüfer zu wählen, ohne dass man in Klausur gehen muss.“ Rheinland-Pfalz sei das Land der „ehrlichen Arbeit“, die SPD stehe für „die ehrliche Rieslingschorle nach der Arbeit“. Erneut großer Beifall im Saal.
Bei dieser Einigkeit, bei diesem Jubel muss dann auch der SPD-Bundesvorsitzende Lars Klingbeil bekennen: Es sei schon ein richtiges Wohlfühlprogramm für einen Parteivorsitzenden, wenn er mal nicht in Berlin, sondern in Rheinland-Pfalz unterwegs sei. „Hier ist die Welt noch in Ordnung“, sagt Klingbeil und gesteht, dass er bei seinem Lieblingslandesverband zu Gast sei. Klingbeil lobt die Bürgernähe und die Geschlossenheit der rheinland-pfälzischen Sozialdemokraten.
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Die rheinland-pfälzischen Sozialdemokraten zeigen bei ihrem außerordentlichen Delegiertentreffen am Samstag, wie man einen Parteitag orchestriert, wie man sich selbst feiert. Die SPD muss aber gehörig aufpassen, dass aus ihrem Selbstbewusstsein nicht Selbstgefälligkeit und Selbstüberschätzung wird, ...Kommentar zum SPD-Führungswechsel: Schöne Parteitagsshow – nur knapp vor der Selbstüberschätzung
Am Anfang und fast ganz am Ende des Parteitags dürfen zwei sprechen, die in Mainz besonders gefeiert und gewürdigt werden: Roger Lewentz und Malu Dreyer. Lewentz eröffnet zunächst das Delegiertentreffen. Der frühere Innenminister würdigt die Staffelstab-Übergabe als eine, die „in der deutschen Parteienlandschaft absoluten Ausnahmecharakter hat“. Er spricht von „der allerbesten Weichenstellung für einen fulminanten Wahlsieg“ bei der nächsten Landtagswahl im Frühjahr 2026.
Lewentz freut sich auf „die neue Zeit“
Seit 1991 habe er mit vier Ministerpräsidenten eng zusammengearbeitet, blickt der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Kamp-Bornhofen (Rhein-Lahn-Kreis) zurück. Seinen Genossen ruft der 61-Jährige heute zu: „Das macht einen Jungen vom Land enorm stolz. Das werde ich euch nie vergessen.“ Er freue sich auf „die neue Zeit mit Freunden, mit meiner Familie, und mit meiner Frau, in die ich seit 1985 verliebt bin“. Jetzt schallen „Oh“-Rufe durch den Saal.
Für Lewentz gibt es minutenlangen Applaus, „Danke, Roger“-Schilder gehen in die Höhe. Der langjährige Parteivorsitzende wird bei den Verabschiedungen schließlich zum zweiten Ehrenvorsitzenden der SPD Rheinland-Pfalz nach Alt-Ministerpräsident Kurt Beck ernannt.
Die Sozialdemokraten im Saal sind aber nicht nur mit „Danke, Roger“-, sondern auch mit „Danke, Malu“-Schildern ausgestattet. Dreyer wird zum Ehrenmitglied gekürt. Die frühere Regierungschefin findet, dass „das ein toller Parteitag gewesen ist“. Die SPD Rheinland-Pfalz habe sie fast 30 Jahre lang getragen, „die Partei war für mich immer etwas sehr, sehr Besonderes“. Ihrer SPD prophezeit Dreyer eine gute Zukunft. Noch einmal gibt es Ovationen – und viel Beifall.