Gewerkschafter fordern Verlängerung der Regelungen für Kurzarbeit
Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt: Betriebe in der gesamten Region spüren die Rezession
Die Debeka in Koblenz.
Sascha Ditscher

Trotz regionaler Rückschläge hat Deutschland die Corona-Krise gut in den Griff bekommen, doch beschleunigt die Pandemie den Weg in die Rezession. Auch Gewerkschafter und Politiker befürchten, dass sich diese Negativentwicklung in den kommenden Wochen immer stärker auf den Arbeitsmarkt auswirkt.

Die Debeka in Koblenz.
Sascha Ditscher

Und nicht nur das. So mancher geht davon aus, dass die Arbeitgeber soziale Errungenschaften abbauen und Mitspracherechte der Beschäftigten einschränken. Das wurde kürzlich auch einer Videokonferenz deutlich.

Eingeladen hatte die SPD-Landtagsabgeordnete Anna Köbberling, die zugleich auch wirtschaftspolitische Sprecherin ihrer Fraktion ist. Führende Gewerkschafter und Betriebsratsmitglieder zogen mit. Und Ali Yener brachte sehr schnell auf den Punkt, um was es geht:

Dass die Rente mit 63 und die Grundrente bereits Geschichte sein könnten, bevor Senioren davon profitieren. Und das, so der Erste Bevollmächtigte der IG Metall in Koblenz, obwohl sich die Gewerkschaften im Krisenjahr zurückhalten.

So haben die Metaller die im März begonnenen Tarifverhandlungen ausgesetzt, gearbeitet wird nach den alten Verträgen. Außerdem kooperiert man bei der Entwicklung von Zukunftsstrategien schon lange mit den Arbeitgebern. Es geht vor allem durch die Sicherung von Stellen durch Qualifizierung oder flexible Arbeitszeitmodelle. Auch Gewerkschafter wissen: Jeder gute Zyklus hat einmal ein Ende. Das heißt aber nicht, dass man bereit ist, über Jahre erkämpfte Rechte einfach so wieder abzugeben. Ali Yener kündigte massiven Widerstand an, wenn es wirklich so weit kommen sollte.

Auch wenn Krisen in Koblenz und Umgebung in der Regel nicht so gravierende Folge haben wie in den großen Industriestädten, zeigt der Blick auf die Zahlen, dass die Lage auch in der Region sehr ernst ist. Sebastian Hebeisen rechnete vor, dass allein in Koblenz rund 8000 Beschäftigte von Kurzarbeit betroffen sind.

Das bedeutet: In vielen Familien ist die Kaufkraft stark zurückgegangen. Für Hebeisen, der Vorsitzender des DGB-Stadtverbandes ist, hat die Pandemie deshalb nicht zu einem Versorgungs- als vielmehr zu einem globalen Nachfrageproblem geführt. Aus Sicht des Gewerkschafters ist der Ansatz der Bundesregierung, mit einem Konjunkturpaket die Binnennachfrage zu stärken, richtig.

Für Hebeisen stellt sich deshalb vor allem die Frage, wo man nachjustieren kann.

Wie stark die Globalisierung in Koblenz angekommen ist, zeigt das Aleris-Werk. Dort werden vor allem Aluminium-Walzprodukte für die Luftfahrtindustrie hergestellt. Der Betriebsratsvorsitzende führte aus, dass das Unternehmen gleich mehrere Herausforderungen meistern muss, wobei nicht nur der Konjunktureinbruch, sondern auch die inzwischen vollzogene Übernahme durch Novelis zu Veränderungen geführt hat.

So werden wichtige Fragen nicht mehr in Koblenz, sondern in der Schweiz entschieden. Aber immerhin: Durch Kurzarbeit ist bislang gelungen, Stellenstreichungen zu vermeiden. Allerdings führt die Krise dazu, dass zwölf „Langzeitaushilfen“ wohl nicht wie geplant übernommen werden. Insgesamt haben derzeit 60 Aushilfen keine Perspektive mehr im Werk.

Auch beim Stellite-Hersteller Deloro ist die Situation dank Kurzarbeitsregelungen und Disziplin der Mitarbeiter stabil. Allerdings ist, so Betriebsratschef Wilfried Keil, der Puffer weitgehend aufgebraucht. Deswegen würde er es ebenso wie Marc Ferder (DGB Rheinland-Pfalz) begrüßen, wenn die Kurarbeiterregelungen bis zum Jahresende verlängert würden.

Dagegen läuft, so Betriebsratschef Claus Poppenberg, bei Mercedes-Benz Nutzfahrzeuge in Koblenz die Kurzarbeit bereits Ende Juni aus.

Die gute Konjunktur am Bau macht es möglich, der Lkw-Absatz stimmt. Beim Versicherer Debeka konnte man sogar komplett auf Kurzarbeit verzichten. Betriebsratsvorsitzender Michael Meyer führt das auf das traditionell gute Verhältnis von Mitarbeitern und Vorstand zurück. Ergebnis: Bereits im Februar war ein Krisenstab eingerichtet worden, man einigte sich auf Heimarbeit und flexible Arbeitszeitmodelle. Außerdem wurde massiv in dezentral einsetzbare Technik investiert. ka

Top-News aus der Region