Negativzins Auch rheinland-pfälzische Städte kassieren derzeit für Kreditaufnahmen bei Banken
Auch Städte im Land profitieren: Wenn es Geld für das Darlehen gibt
Verkehrte Welt oder cleveres Geschäftsmodell? Die Antwort ist einfach: Banken kommt die Zahlung von Gutschriften an einen Kreditnehmer günstiger als Strafzinsen bei der Europäischen Zentralbank für das Parken von „überflüssigem“ Geld. Foto: dpa
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Rheinland-Pfalz. Statt Zinsen für einen Kredit zu zahlen, noch Geld dafür zu bekommen – von dieser kuriosen Wirkung des anhaltend niedrigen Zinsniveaus profitieren zurzeit Städte in Rheinland-Pfalz. Allerdings muss ein Kreditnehmer schon kräftig zulangen, um von den Banken solche Konditionen zu bekommen. Der kürzlich veröffentlichte Kommunalbericht des Landesrechnungshofs nennt das Beispiel einer kreisfreien Stadt, die für Kassenkredite von 387 Millionen Euro zuletzt monatliche Zinsgutschriften von 42.000 Euro erhielt. Dabei handelt es sich um Ludwigshafen.

Dies sei schon eine Einnahmequelle für die Stadt, heißt es in der Verwaltung. Allerdings habe Ludwigshafen zum gleichen Zeitpunkt auch noch Kassenkredite von weiteren 270 Millionen Euro aufgenommen, für die die Zahlung von Zinsen fällig gewesen sei. „Auch wenn die Stadt derzeit aus dem Negativzins Einnahmen generiert, hält die Stadtverwaltung diese Situation aus volkswirtschaftlicher Sicht weder für nachhaltig noch für längere Dauer sinnvoll“, erklärt ein Sprecher. Ludwigshafen hat Schulden von insgesamt 1,3 Milliarden Euro angesammelt.

Warum vergeben die Banken überhaupt solche Kredite mit Negativzinsen, bei denen sie nur verlieren können? Ein Grund ist, dass die Zahlung von Gutschriften an einen Kreditnehmer günstiger ist als die Strafzinsen, die sie entrichten müssen, wenn sie Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken. Dieser negative Einlagezins für die sogenannte Überschussliquidität der Banken beträgt zurzeit minus 0,4 Prozent. Die Belastung der Banken durch die negativen Einlagezinsen sei „eine der zahlreichen unerwünschten Nebenwirkungen der extrem expansiven Geldpolitik“ der Europäischen Zentralbank (EZB), erklärt der Bankenverband in Berlin.

Banken geben den Kommunen daher lieber kurzfristige Kassenkredite mit maximalen Laufzeiten von sechs bis zwölf Monaten zu Negativzinsen von minus 0,3 oder 0,2 Prozent, als den höheren Negativzins bei der EZB entrichten zu müssen. „Betriebswirtschaftlich ist das überhaupt nicht sinnvoll“, sagt der Geschäftsführer des Bankenverbands Rheinland-Pfalz, Hans-Karl Mertes. „Auf Dauer können die Banken das nicht durchhalten.“

Eine ganze Reihe von Städten nutze zurzeit die Negativzinsangebote von Banken, erklärt Michael Mätzig vom Städtetag Rheinland-Pfalz. Allerdings müssten dafür auch die sonstigen Konditionen passen, etwa die Laufzeit einer Finanzierung. Einige Banken zahlen nach seinen Angaben keine Negativzinsen aus, sondern geben einen Aufschlag zur Kreditsumme dazu, der dann nicht zurückgezahlt werden muss.

„Die Negativzinsen werden quasi mitgenommen“, erklärt Mätzig. „Ein ,Geschäftsmodell' stellen sie für die Kommunen nicht dar.“ Da gerade die Städte in Rheinland-Pfalz chronisch unterfinanziert seien und sich daher laufend neu verschulden müssten, sei die derzeitige Zinssituation ausgesprochen günstig. Obwohl die Verschuldung der Städte, Gemeinden und Landkreise fast jedes Jahr weiter gestiegen ist, ging die Höhe der Zinsausgaben seit 2009 kontinuierlich zurück, allein im vergangenen Jahr um 4,2 Prozent auf 272 Millionen Euro.

Die Finanzdezernenten und Kämmerer bemühen sich auch, ältere bald auslaufende Kreditverpflichtungen in neue Niedrigzinskredite umzuschulden. Für größere Städte gewinnen nach Angaben Mätzigs auch Schuldscheine mehr und mehr an Bedeutung: Während kurzfristige Kassenkredite den Kommunen die Erfüllung laufender Ausgaben ermöglichen, können sich Städte mit den meist zehnjährigen Schuldscheinen für längere Zeit finanziellen Spielraum verschaffen. Erworben werden die mit einem niedrigen Zins versehenen Schuldscheine meist von Sparkassen, Bausparkassen und Versicherungen.

Kleinere Kommunen haben weniger Instrumente für die Finanzierung ihrer Aufgaben zur Verfügung. „Erst wenn gigantische Kredite aufgenommen werden, kommen solche Effekte zustande“, sagte Stefan Schaefer vom Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz zu den Möglichkeiten von Negativzinsen. „Ein realistisches Finanzierungsinstrument ist das nicht.“ Auch könne sich die Situation mit einer Änderung der Zinsentwicklung schnell wieder anders darstellen.

Von Peter Zschunke

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