Nürburgring

RZ-Kultur: Rock am Ring – Ein emotionaler Abschiedsakt

Ein Bad in "seinen" Fans: Veranstalter Marek Lieberberg verabschiedete sich vom Ring, der feierte ihn wie einen Rockstar. Zehntausende skandierten: "Wir sind der Ring!" Foto: Jens Weber.
Ein Bad in "seinen" Fans: Veranstalter Marek Lieberberg verabschiedete sich vom Ring, der feierte ihn wie einen Rockstar. Zehntausende skandierten: "Wir sind der Ring!" Foto: Jens Weber.

Einen solchen Auftritt hat es in 29 Jahren Rock am Ring noch nie gegeben. Am Samstag steht Veranstalter Marek Lieberberg auf der Centerstage und verabschiedet sich vom Ring.

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Von Anke Mersmann und Markus Kuhlen

Zehntausende skandieren „Wir sind der Ring“ und stimmen „Marek, Marek“-Sprechchöre an, als dieser zum Abschluss ein Bad in der Menge nimmt. Lieberberg sagt: „Steine, Parkplätze, Beton haben keine Geschichte. Der Ring ist der Bund zwischen diesen tollen Fans, fantastischen Gruppen und uns.“ Jubel erschallt.

Hintergrund für diesen emotionalen Ausbruch: Das Traditionsfestival Rock am Ring verlässt nach fast drei Jahrzehnten den Nürburgring. 2015 gibt es hier das Festival „Grüne Hölle“.

Rock am Ring war nicht nur deshalb dieses Jahr etwas ganz Besonderes – und das war sowohl den 82 500 Festivalgängern an den vier Tagen als auch einigen Bands deutlich anzumerken. Sie feierten „das Ende“ ekstatisch und bereiteten der Eifel, die sich mit vier Tagen Sonnenschein von ihrer besten Seite zeigte, eine gigantische Abschlussparty.

Eröffnet wurde diese am Donnerstag unter anderem mit Iron Maiden und Cro. Am Freitag folgte auf der Hauptbühne Mando Diao. Der Ring tat sich schwer mit den abgehobenen Schweden, zumindest dann, wenn sie ihren neuen 80er-Jahre-Synthie-Sound spielten. Bei den alten Indierock-Krachern aber drehten die Leute im Schein der prallen Abendsonne auf.

Ihr herrlicher Untergang konnte später mit der wuchtigen Licht- und LED-Show von Kings of Leon nicht mithalten. Dazu beschallten die vier Amerikaner die Massen mit sattem Rock, sie wissen, wie sie Zehntausende in Fahrt bringen. Die drängten sich noch weit hinten im dritten und letzten Zuschauerbereich vor der Bühne, um zumindest über die Großbildleinwände einen Blick auf Kings of Leon zu erhaschen.

Auf der Alternastage ging es düsterer zu. Dafür sorgten die Editors, die passend zum Einbruch der Dunkelheit aufspielten. In trotz sommerlicher Temperaturen immer noch hochgeschlossener Lederjacke betraten Sänger Tom Smith und seine Mannen die Bühne. Im Publikum hingegen dominierten immer noch T-Shirts, Sommerkleidchen und Flip Flops – die zu Tanzschuhen wurden.

Festeres Schuhwerk war bei Queens of the Stone Age sinnig: Frontmann Josh Homme und seine Mannen lieferten ein Set voller Hits, das der Meute vor der Alternastage keine Wahl ließ, als zu hüpfen. An mehreren Stellen im Publikum teilten sich die Massen, um wieder aufeinander zu zu springen und im Kreis umherzuhüpfen – das passiert immer dann, wenn Ringrocker völlig begeistert von dem sind, was vor ihnen auf der Bühne passiert.

Danach begann das große Warten. Bei nur noch einstelligen Temperaturen harrten Tausende bis 1.15 Uhr für die Nine Inch Nails aus. Ausgelaugte Gesichter, dösende Menschen, frierende und erschöpfte Körper überall. Aber das Warten wurde belohnt. Ein brachialer Sound und ein engagierter Trent Reznor brauchten nur Sekunden, um alle Müdigkeit wegzublasen und die Menge bis 2.30 Uhr tanzen zu lassen.

Der Samstag forderte von den Ringrockern ebenfalls viel Ausdauer. Insbesondere Ricky Wilson, Sänger der Kaiser Chiefs, legte auf der Centerstage gehörig vor: Von links nach rechts rannte er ein ums andere Mal über die Bühne, begleitet von einer Welle hochgereckter Arme aus einem euphorisierten Publikum.

Da wussten die Fantastischen Vier noch eine Schippe draufzulegen: Die Hip-Hopper ließen es krachen, kamen unter Pyroflammen und Feuerwerksfontänen auf die Bühne. Smudo und Kumpanen sind seit 25 Jahren im Geschäft, länger, als etliche Zuschauer auf der Welt sind. Textsicher zeigte sich die Menge trotzdem, die Fantas standen einem riesigen Chor gegenüber.

Danach blieb es gigantisch: Man muss kein Fan sein, um festzustellen, dass der Ring Linkin Park liebt – und Linkin Park den Ring. Die US-Amerikaner dirigieren die Massen mit Härte und Harmonie: Zehntausende Kehlen singen, Zehntausende Arme schwingen, Zehntausende Beine springen. So sieht er aus, der Mythos Rock am Ring. Und als gegen Ende die ersten Zuschauer in Richtung Zelt schlendern wollten, erklang mit „Numb“ ein weiterer Mega-Hit. Das Grüppchen stockte, drehte sich um und tanzte weiter – Linkin Park ließ keinen kalt. Vor der Zugabe skandierten Band und Fans: „Rock am Ring! Rock am Ring!“ Gänsehaut.

Was braucht es, um eine solche Masse noch mal zu motivieren? Jan Delay auf der Alterna-stage. Der Hamburger brachte alle zum Tanzen. Metaljungs in Kutte, Mädchen im Sommerkleid, Feierwütige mit bunter Sonnenbrille, ältere Ringgänger mit Bierbecher – es ist ein Hüpfen, Armeschwenken und Mitsingen.

Vom gestandenen Metalfan bis zum Blumenmädchen können sich die Massen auch auf eine weitere Band einigen: Metallica. Als Headliner am Sonntagabend mobilisierten James Hetfield und Co. Zehntausende, der Jubel vor der Centerstage war ohrenbetäubend. Gute zwei Stunden lang bekamen sie eine krachende Show mit allen großen Hits geboten. Dazu griff Metallica nicht nur mit Lasern und Lichtspektakel auf riesigen LED-Wänden tief in die Effektkiste, die Band zeigte auch Nähe zu den Fans: So standen während der Show etwa zwei Dutzend Metallica-Anhänger am Bühnenrand. Nacheinander durften sie an Hetfields Mikro, um den folgenden Song anzukündigen – und jeden begrüßte der Ring mit Freudenstürmen.

Die große Ehre des letzten Auftritts hatte Marteria. Er feierte mit Zehntausenden schreienden und springenden Menschen mit Bengalos und Nebelfackeln eine Abschiedsparty – als Rapper Casper dazu kam, brachen alle Dämme. Ekstatischer kann es nicht werden, dachten viele – bis zu „Die Nacht ist in mir“ Mister Rock am Ring die Bühne betrat: Campino. Nach dem Song schrie der Frontman: „Wo Marek Lieberberg und seine Familie ist, da ist Rock am Ring. Und wo Rock am Ring ist, da sind die Toten Hosen.“ Schon wieder Gänsehaut – ein legendärer Auftritt zum Ende einer Legende.