Jaipur

Reise nach Indien: Schauspielerin Stephanie Stumph über ein Land voller Gegensätze

Indien – Dieses Land stand im vergangenen Jahr noch nicht auf meiner Reiseliste, bis ich diesen Anruf bekam, der mir mitteilte, dass ich meine Sachen packen und für zehn Wochen zu Dreharbeiten nach Jaipur reisen solle.

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Von unserer Gastautorin Stephanie Stumph

In der geschützten Blase eines Filmteams hatte ich die Möglichkeit, nun eine komplett neue Welt zu erkunden. Eine Welt, die teils fremd und schockierend ist, aber auch eine Lebendigkeit versprüht, die im tristen deutschen Alltag oft verloren geht. „Indien verschlingt dich lebendig, aber es liebt dich, wenn du es liebst.„ Diesen Satz im Drehbuch habe ich erst am Ende meiner Reise wirklich verstanden. Man muss sich auf dieses Land einlassen oder den nächsten Flieger in Richtung Heimat nehmen. Es hilft nichts.

Jaipur ist auch unter dem Namen „die pinke Stadt“ bekannt. Mit prächtigen Bauwerken, wie dem Palast der Winde (Hawa Mahal), dem City Palace, vielen bunten Farben und lebensfrohen Menschen. Schon eine Rikschafahrt ist ein Erlebnis. Da lautet die Devise „schön festhalten, sich von frischer Luft und Ruhe verabschieden, und rein ins Leben„. An jeder Straßenecke gibt es etwas zu entdecken. Affen, die über Häuserdächer laufen, Kamele und Elefanten am Straßenrand, Kühe inmitten von Menschen und Autos. Der normale Alltagswahnsinn. Man hat das Gefühl, als würde man mit den Tieren in einem großen Zoo ganz selbstverständlich zusammenleben.

Eine Oase der Ruhe sind die Maharadscha-Gräber Gaitore Ki Chhatrian. Unsere Gastautorin Stephanie Stumph war zehn Wochen in Indien und lernte Land und Leute kennen.

Umgeben von Kindern fühlt sich Stephanie Stumph wohl.

Verwandelte sich in eine indische Schönheit: Stephanie Stumph.

In Indien erlebte Stephanie Stumph eine Zeit voller Impressionen.

Seit 1995 ist Stephanie Stumph in über 40 Folgen der ZDF-Krimireihe Stubbe – Von Fall zu Fall als mittlerweile erwachsene Filmtochter Christiane an der Seite ihres Vaters Wolfgang Stumph zu sehen.

Die Schwüle und der Smog machen einem zu schaffen, ganz zu schweigen von dem Anblick unendlicher Müllberge, auf denen Hunde und Kinder munter spielen. Nach der Ankunft geht es erst mal rein in die Hoteloase, Klimaanlage an und tief durchatmen. Bereits nach einer halben Stunde Fahrt hat man so viele Eindrücke gesammelt, dass man mehrere Tage bräuchte, um sie zu verarbeiten. Ich traue mich die erste halbe Stunde gar nicht mehr vor die Tür, denn das ist für mich verwöhnte, wenig abenteuerlustige Mitteleuropäerin schon mehr, als ich je hätte in Büchern erfahren können. Die Neugier jedoch treibt mich raus auf die Märkte.

Meinen Stamm-Rikschafahrer Deepag, den ich Ihnen nur ans Herz legen kann, habe ich rasch gefunden. Er zeigt mir die tollsten Gewürz- und Blumenstände der Region, die einem Verwandten zweiten Grades gehörten. So lernt man schnell die ganze Familie kennen, und man bekommt das Gefühl dazuzugehören. Die Inder sind sehr gastfreundliche Menschen, und es ist eine große Ehre, zu ihnen nach Hause eingeladen zu werden. Nach ein paar Tagen grüßt man schon den ein oder anderen auf der Straße, als wäre man seit Jahren Nachbarn. An jeder Ecke blitzt und blinkt es. Wunderschön gekleidete Frauen in ihren farbenprächtigen Saris, die ihren täglichen Einkauf verrichten, spazieren über die Plätze Jaipurs.

In jedem Gesicht entdeckt man ein Lächeln und einen interessierten Blick. Die Betelnuss kauenden Männer, die in großen Gruppen an jeder Ecke beisammen sitzen, dominieren das Bild. Die atemberaubenden Tempel bei den Maharadscha-Gräbern sind einen Besuch wert. Man fühlt sich herausgerissen aus dem Trubel, wenn man den andächtig sitzenden Yogis beim Meditieren zuschaut. Es ist kaum zu glauben, aber man nimmt nach dem unaufhörlichen Gehupe in der Stadt plötzlich eine unerwartete Stille wahr. Indien hat viele Seiten. An den Anblick der unzähligen Kühe, die zwischen dem nicht stoppenden Straßenverkehr stehen oder liegen bleiben, hat man sich schnell gewöhnt. Womit ich mich jedoch nur schwer abfinden kann, ist das Bild der Kuh am Straßenrand, die auf Plastik kaut. Weit und breit keine Wiese.

Die Kühe werden auf die Straße geschickt, sobald sie keine Milch mehr geben, und dort leben sie, bis sie an einem Plastikbecher ersticken oder verhungern. Eine weitere Situation, in der ich mich machtlos fühle, ist der Besuch eines Slums im Rahmen der Dreharbeiten. So viel Elend mit eigenen Augen und nicht durch den Filter des Fernsehgeräts zu sehen, ist tief bewegend. Essen und Kleidung sind rar, und die Frauen freuen sich über jedes Stück Seife. Es ist frustrierend, dass ein Einzelner nichts an dieser Situation ändern kann. Indien verändert auch die Sicht auf das eigene Leben. Ein Höhepunkt ist der Besuch des Affentempels Galwar Bagh.

Wie Kühe sind auch Affen in Indien heilig. Chef des Tempels ist eine Horde von frei lebenden Affen. Am Eingang kann man eine Tüte Erdnüsse erwerben und die flinken Äffchen füttern. Man darf sich nur nicht beißen lassen, denn die Affen können schwere Infektionskrankheiten verursachen. Oben am Tempel heißt es, wie überall, Schuhe ausziehen, ein Bändchen um die Hand binden und einen Punkt auf die Stirn malen lassen, eine kleine Spende in die Dose und mit einem heiligen Gefühl die Landschaft von oben genießen. In den Abendstunden werden keineswegs die Bordsteinkanten hochgeklappt. Nein, da geht es erst richtig los. Feuerwerke von nächtlichen Hochzeiten, auf denen der Bräutigam seine Braut in der Dunkelheit das erste Mal sehen darf, oder schrill blinkende Umzüge zu Ehren einer der vielen Gottheiten – es wird immer gefeiert. Diese Lebenslust ist ansteckend. Ich frage mich die ganze Zeit, woher die Menschen die Unerschütterlichkeit trotz der Armut nehmen.

Aus ihrem Glauben, dem Schicksalsgedanken, der dadurch resultierenden Zufriedenheit oder dem guten indischen Essen vielleicht? Vielleicht sind es ja die Gewürze. Mein tägliches Leibgericht ist Sabz Shabnam Curry, viel Gemüse und ein wenig Käse in einer köstlich scharfen Soße mit Reis. Zum Ende hin esse ich sogar Salat, von dem einem ausdrücklich abgeraten wird. Sicher nicht ohne Grund, deswegen sollte man schon genau schauen, wo man was zu sich nimmt. „Wash it, peel it, cook it or forget it“ (Wasch es, schäl es, koch es oder vergiss es) ist durchaus ein Leitsatz für eine Reise durch Indien. Während des Abendessens sollte man sich nicht wundern, wenn es plötzlich stockdunkel um einen wird. Stromausfälle sind hier völlig normal und kommen mehrfach täglich vor. Ziemlich erschöpft fällt man abends nach einem eindrucksreichen Tag ins Bett. Die Lider sind geschlossen, aber die Farben rasen noch vor dem inneren Auge an einem vorbei. Indien.