Wenn man sich auf die nackten Zahlen beschränkt, dann steht nach Beendigung des zweiten Spieltags in der Gruppe B frei von Zweifeln fest: Besser hätten die deutschen Vorzeigekicker nicht starten können in dieses Turnier. Mehr als sechs Punkte aus zwei Spielen haben auch die größten Mannschaften der Fußball-Geschichte nie geholt.
Nimmt man dann noch die emotionale Komponente hinzu, dann erklärt sich auch dem Letzten die grenzwertige Euphorie im Land. Erzfeind Holland ist geschlagen, was soll jetzt noch passieren? Nichts, glaubt Oliver Kahn, und verkündet aus dem ZDF-Seniorendomizil auf Usedom tolldreist: Wir werden Europameister.
Man muss kein Nörgler sein, um auf ein Detail kurz hinzuweisen. Bis die Erwartungen eines ganzen Volkes und eines einzelnen Ex-Torhüters erfüllt sein werden, ist noch ein schönes Stück Strecke zu gehen. Natürlich hat die deutsche Elf in aller Sachlichkeit Portugal geschlagen, natürlich hat sie gegen Holland gut gespielt. Nur, und das ist ja schon allein der Konstellation in der Gruppe geschuldet: Sie hat, Stand heute, noch nicht einmal die Vorrunde überstanden. Ein 0:1 gegen Dänemark, und vorbei wäre es womöglich mit der ganzen Herrlichkeit.
Dieses Detail kann hilfreich sein, sich bei aller berechtigten Freude einen Schuss Sachlichkeit zu bewahren. Die beiden Auftritte der DFB-Auswahl lassen in Wahrheit noch keinen schlüssigen Trend erkennen. Und unübersehbare Baustellen gibt es auch; gerade auf den Außen. Starke Flügel aber wird Joachim Löw brauchen, spätestens, wenn es in die K.-o.-Spiele geht – beginnend mit einem Viertelfinale gegen schnelle und kombinationssichere Russen oder einen Gastgeber, der die Fans im Stadion und die ganze Nation hinter sich weiß.
Der weite Weg zum Ziel hat aber auch sein Gutes: In dieser frühen Phase hat Löw längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Top-Spieler wie Reus und Götze kommen zusammen noch auf keine EM-Minute Einsatzzeit – und werden vielleicht trotzdem ein Faktor. Und wenn nur in der Überlegung: Theoretisch geht's ja noch besser.
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