Nur wenig Interesse an Einwohnerversammlung zum neuen Schutzkonzept - Stadt will besser aufklären
Andernacher Hochwasser- und Starkregen-Schutzkonzept bei Einwohnerversammlung vorgestellt: Es fehlt an Bewusstsein für die Gefahr
Die Hochwasserschutzwand bewahrte die Konrad-Adenauer-Allee im Januar davor, von den Fluten des Rheins überspült zu werden. Die bauliche Vorsorge gegen Starkregenereignisse gestaltet sich indes ungleich schwieriger und kostenintensiver. Foto: Martina Koch (Archiv)
Martina Koch

Andernach. Hochwasserkatastrophen und verheerender Starkregen sind Naturereignisse, die – glücklicherweise – auch am Mittelrhein nicht gerade häufig auftreten. Die Fachleute nahmen bei der Erstellung des Hochwasser- und Starkregenschutzkonzepts für die Andernacher Kernstadt und die Stadtteile Wetterphänomene in den Blick, die im Schnitt lediglich alle 100 oder 200 Jahre auftreten. Das mag mit ein Grund dafür gewesen sein, dass das Interesse der Bürger an der Einwohnerversammlung zum Thema, die aufgrund der Pandemie als Videokonferenz stattfand, recht überschaubar war.

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Umso wichtiger ist es, dass die Stadt sich darum bemüht, in regelmäßigen Abständen Bewusstsein für die drohenden Gefahren zu schaffen, waren sich die Experten und die Verwaltungsspitze einig: „Das erarbeitete Konzept soll nicht in der Schublade verschwinden“, versprach Oberbürgermeister Achim Hütten den Zuhörern. Kurt Knittel vom beauftragten Mainzer Ingenieurbüro Francke + Knittel stellte den Interessierten das 32 Punkte umfassende Maßnahmenpaket vor.

Die Fachleute sehen demnach im Bereich der baulichen Schutzmaßnahmen vor Überschwemmungen nur wenig Potenzial. Zwar könne die Stadt prüfen, inwieweit zusätzliche Regenrückhaltebecken, etwa im Bereich des Deubachs, eingerichtet werden können. Der Aufwand für den Bau und die Erhaltung der Becken sei allerdings in Relation zu den erwartbaren Schäden durch nur selten auftretende Starkregenereignisse recht hoch: „Weitere Regenrückhaltebecken lohnen sich aus wirtschaftlicher Sicht oft nicht“, erläuterte Knittel.

Stattdessen müssten die Andernacher selbst dafür Sorge tragen, ihre Grundstücke sowie ihr Hab und Gut bestmöglich vor Überschwemmungen zu schützen, um Schäden zu minimieren. Zu den privaten Vorsorgemaßnahmen gehören etwa der Einbau von Rückschlagklappen zwischen Kanal und Hausentwässerung, die Sicherung von Heizung und Stromzufuhr, der Kauf mobiler Elemente zum Schutz niedriggelegener Türen und Fenster vor eindringendem Wasser sowie das Abschließen einer Elementarschadenversicherung.

Eine besondere Rolle bei der Prävention kommt laut Knittel den Landwirten zu, die Flächen auf dem Burgerberg bewirtschaften. Querbepflanzungen zur Fließrichtung des Wassers auf den Feldern könnten im Falle eines Starkregens die Speicherfähigkeit der Flächen erhöhen und verhindern, dass wertvoller Mutterboden in tiefer gelegene Ortsteile gespült wird. Zur Umsetzung solcher Maßnahmen sei man als Kommune auf die Kooperation mit den betroffenen Landwirten angewiesen, machte Barbara Manthe-Romberg vom Informations- und Beratungszentrum Hochwasservorsorge Rheinland-Pfalz deutlich: „Die Landwirte machen das auf freiwilliger Basis und müssen mehr eingebunden werden.“ Stadtchef Hütten regte an, dafür regelmäßige Runden zum Austausch zwischen Verwaltung und Landwirten zu etablieren. Der Verwaltung kommt in Sachen Hochwasserschutz in erster Linie die Aufgabe zu, bei der Ausweisung von Baugebieten das Gefährdungspotenzial durch Überschwemmungen im Blick zu haben. So sollten die von den Fachleuten ermittelten Fließwege bei Starkregen in die Planungen mit aufgenommen werden. Die Stadt müsse Bauwillige über die Risiken aufklären und Beratung zum bestmöglichen Schutz bieten. Beim Neubau oder der Sanierung von Straßen solle die Leistungsfähigkeit der Kanalisation überprüft und gegebenenfalls verbessert werden, heißt es in der vorläufigen Fassung des Hochwasserschutzkonzepts. Das setzte man in der Stadtverwaltung bereits jetzt um, betonte Bauamtsleiter Rainer Schmitz. Man lege die Kanäle so aus, dass sie genug Kapazitäten haben, um ein alle drei Jahre auftretendes Starkregenereignis bis zur Straßenoberkante aufzunehmen. „Seltenere Ereignisse können nicht abgebildet werden. Wir prüfen aber immer, ob sich das nächstgrößere Rohr nehmen lässt.“

Im Miesenheim habe man bereits jetzt damit zu kämpfen, dass der Kanal bei starkem Regen überlastet sei, beschwerte sich eine Miesenheimer Bürgerin und vermutete, dass die zusätzlichen Abwässer aus den Neubaugebieten in der Pellenz das Kanalsystem an seine Grenzen bringen. Dem widersprach Bauamtsleiter Schmidt: Die Zuleitung von Abwasser aus der Pellenz sei gedrosselt. Überschüssiges Wasser werde bei Starkregen noch in der Pellenz zurückgehalten und in die Nette geleitet.

Die Stadt müsse in den kommenden Jahren ihre Anstrengungen, in der Bevölkerung ein Bewusstsein für die Gefahren von Überschwemmungen zu schaffen, verstärken, forderte FDP-Stadtratsmitglied Judith Lehnigk-Emden: „Leute die in der Felster wohnen, fühlen sich ja oft gar nicht betroffen“, sprach sie einen der Straßenzüge an, über den sich im Falle eines Starkregenereignisse immense Wassermassen in Richtung Innenstadt ergießen würden.

Oberbürgermeister Hütten sicherte den Teilnehmern der virtuellen Runde zu, die von den Experten vorgeschlagenen Maßnahmen nach und nach umzusetzen. „Wir müssen die Liste abarbeiten, um die Vorsorgesituation zu verbessern.“

Von unserer Redakteurin

Martina Koch

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