Es gibt wieder eine Nachlieferung von Akten an den parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe (U-Ausschuss): Rund 900 E-Mails aus dem polizeilichen Lagezentrum des rheinland-pfälzischen Innenministeriums sind dem U-Ausschuss nachgeliefert worden, wie das Innenministerium in Mainz bekannt gab. 20 E-Mails betreffen die Flutnacht vom 14. auf den 15. Juli 2021, die übrigen die Tage nach der verheerenden Flut, bei der im nördlichen Rheinland-Pfalz mindestens 135 Menschen starben.
Die Information unserer Zeitung, dass unter den 20 E-Mails aus der Flutnacht mindestens eine Nachricht enthalten ist, die brisant ist – es soll von „erschreckenden Bildern“ geschrieben worden sein – bestätigte das Innenministerium auf Anfrage. In der ersten der 20 E-Mails vom 14. Juli 2021, 23.52 Uhr – verschickt vom Lagezentrum an die Polizeihubschrauberstaffel – sei es um die Bestätigung des Erhalts von Handybildern gegangen. Mit der Anmerkung, „dass es sich um erschreckende Bilder handele“. Wie das Innenministerium einräumte, sei diese Nachricht eine, „die unstreitig hätte vorgelegt werden müssen“.
Aussagen von Mitarbeitern des Lagezentrums widersprechen E-Mail-Inhalt
Ein Mitarbeiter des Lagezentrums im Ministerium von Michael Ebling (SPD) hatte bei seiner Vernehmung im September ausgesagt, dass man lediglich „von einem punktuellen extrem starken Hochwasser“ ausgegangen sei, ein Kollege hatte diese Einschätzung bestätigt. Diese Aussagen stehen im klaren Widerspruch zum Inhalt mindestens einer E-Mail, die nun nachgereicht worden ist.
Eigentlich sollte ein Mitarbeiter sowie der Leiter des Lagezentrums und der Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium am 4. November im U-Ausschuss aussagen. Das Gremium verschob allerdings die Zeugenbefragung, weil einen Tag vorher erneut neues, umfangreiches Beweismaterial (37 Gigabyte) zur Verfügung gestellt worden war. Die Zeugen sollen dennoch noch einmal erscheinen – wann, ist unklar.
Der von Innenminister Ebling eingesetzte Revisor Christian Seel komme in seinem ersten, am Mittwoch vorgelegten Teilbericht zum Ergebnis, es sei nicht erkennbar, dass Akten oder Daten mit Absicht nicht vorgelegt worden seien, teilte das Innenministerium weiter mit. In dem Bericht heißt es aber auch: „Es kann letztlich nicht ausgeschlossen werden, dass es einzelne Dateien gibt, die nicht gefunden wurden.“ Dies sei aber nicht zu beanstanden.
Die Möglichkeit einer versehentlichen Nichtlieferung halte ich daher für ausgeschlossen.
Michael Frisch, Obmann der AfD-Fraktion
Die Obmänner der Oppositionsfraktionen sahen das anders. Michael Frisch sprach von „durchaus brisanten“ E-Mails, diese Brisanz müsse der Landesregierung bekannt gewesen sein. Frisch sagte: „Die Möglichkeit einer versehentlichen Nichtlieferung halte ich daher für ausgeschlossen.“ Das Maß sei nun voll. Frisch forderte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) auf, ein Machtwort zu sprechen und „dieses unsägliche Spiel zu beenden“.
122 Videos und 21 weitere Dokumente hätten bereits im März an den parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe gehen müssen. Das ist aber erst jetzt passiert, wie das rheinland-pfälzische Innenministerium mitteilt.Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe im Ahrtal: Auch ADD liefert zu spät Beweismaterial
Stephan Wefelscheid (Freie Wähler) sagte, es gehe mittlerweile abstrakt um die Frage, wie die Landesregierung mit der parlamentarischen Kontrolle der Regierung umgehe. Wefelscheid ergänzte: „Dass jetzt scheibchenweise neue Unterlagen auftauchen, ist ein Skandal. So geht man nicht mit dem Untersuchungsausschuss um.“
Die nicht fristgerechte Vorlage von Unterlagen ist ein schwerwiegendes Versäumnis, hier geht es um einen glatten Verfassungsbruch, bescheinigt durch den eingesetzten Revisor.
Dirk Herber, Obmann der CDU-Fraktion
Dirk Herber (CDU) sagte, die Dreyer-Regierung versage nicht nur bei der Aufklärung der Flutkatastrophe, sondern behindere zusätzlich die Ausschussarbeit. Die nicht fristgerechte Vorlage von Unterlagen sei ein „schwerwiegendes Versäumnis, hier geht es um einen glatten Verfassungsbruch, bescheinigt durch den eingesetzten Revisor“, so Herber.
Rheinland-Pfalz/Dresden. Der Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe unterscheidet sich von früheren U-Ausschüssen vor allem dadurch, dass es um die zentrale Frage geht, ob der qualvolle Tod von mehr als 130 Menschen zu verhindern gewesen wäre.Landen Flutakten vor Verfassungsgerichtshof? Experte erklärt, wann eine Regierung Rechte eines U-Ausschuss verletzt