RZ-Adventskalender lüftet "Koblenzer Geheimnisse" - Hinter dem 20. Türchen verbirgt sich eine Fassade in der Blumenstraße 8 in Lützel
20. Türchen im RZ-Adventskalender: Das Portfolio eines Architekten
Shabnam Ahmad Shahi vor dem Haus mit der Adresse Blumenstraße 8. Foto: Thomas Kölsch/Bast Medien Verlag
Thomas Kölsch

RZ-Adventskalender lüftet "Koblenzer Geheimnisse" - Hinter dem 20. Türchen verbirgt sich eine Fassade in der Blumenstraße 8 in Lützel

Shabnam Ahmad Shahi vor dem Haus mit der Adresse Blumenstraße 8. Foto: Thomas Kölsch/Bast Medien Verlag
Thomas Kölsch

Spitz- und Strebebögen, Pfeiler, Ornamente, Ecken und Kanten: Die zentralen Zierelemente der gotischen Architektur des Mittelalters erhielten im von romantischer Idealisierung geprägten 19. Jahrhundert einen neuen Aufschwung. Die Formensprache der Neugotik prägte von 1830 bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 viele Gebäude – doch so vielseitig wie die Fassade der Blumenstraße 8 im Koblenzer Stadtteil Lützel sehen nur wenige aus. Das dreigeschossige Wohnhaus besteht aus einer wilden Mischung verschiedener Gestaltungsformen dieses Stils – jedes Fenster ist einzigartig, jedes ein Beispiel für das breite Repertoire des Architekten, was denn auch das Ziel des Gebäudes ist.

„Dieses Haus wurde von Peter Friedhofen entworfen, gebaut und 1896 fertiggestellt“, erklärt Shabnam Ahmad Shahi, die während eines Rechercheprojekts für die Universität Koblenz-Landau vor drei Jahren auf den eigenwilligen Bau aufmerksam wurde. „Wir haben damals an einer Führung durch Lützel teilgenommen, das ja leider heutzutage den Ruf eines Problemviertels hat“, sagt sie. „Dabei sind wir eben auch hier vorbeigekommen, und mich hat das Haus sofort angesprochen. Deshalb habe ich mich genauer damit beschäftigt. Es diente gewissermaßen als das Stein gewordene Portfolio Friedhofens, was schon eine recht ungewöhnliche Idee war und bis heute ist. Außerdem zeigt es, dass Lützel im ausgehenden 19. Jahrhundert von gutbürgerlichen Schichten bewohnt wurde.“

Der nüchterne Stil ist nicht untypisch für die damalige Zeit, vor allem wenn das Geld knapp war.

Shabnam Ahmad Shahi

Konzeptionell ist das Haus insofern bemerkenswert, als dass es trotz der reichhaltigen Verzierungen zu einer in sich stimmigen Einheit wird. Einzig der linke Teil der oberen Haushälfte fällt aus dem Rahmen: Während der Rest des Hauses mit orangefarbenem Backstein verkleidet ist, besteht sie aus grauen Quadersteinen, die dieser Partie einen groben, unfertigen Charakter geben. „Wahrscheinlich wollte Friedhofen damit zeigen, dass er auch einfache Häuser ohne großen Zierrat planen konnte“, vermutet Ahmad Shahi. „Der nüchterne Stil ist nicht untypisch für die damalige Zeit, vor allem wenn das Geld knapp war.“ Zugleich demonstrierte der Architekt gerade durch den Kontrast die optischen Vorzüge der Neugotik.

Doch wer ist dieser Mann überhaupt, der sein gestalterisches Können auf diese Weise demonstrierte und sich damit letztlich ein Denkmal setzte? Peter Friedhofen (1853–1904), der nicht zu verwechseln ist mit dem gleichnamigen Gründer der Barmherzigen Brüder von Maria-Hilf, war Zimmerermeister, sein Bruder Jakob (1867–1926) Architekt. Gemeinsam betrieben sie das Bauunternehmen Gebrüder Friedhofen, das in Koblenz zahlreiche Häuser plante und errichtete. Insgesamt ein Dutzend Mal tauchen die Namen, mal einzeln und mal als Gebrüder Friedhofen, in der Liste der Kulturdenkmäler in Koblenz auf: Gründerzeitbauten, Jugendstilhäuser und sogar eine Halbvilla im Stil der Neurenaissance sind demnach im Stadtbild zu finden. Weitere neugotische Gebäude finden sich darauf nicht – angesichts der massiven Zerstörung der Stadt während des Zweiten Weltkriegs muss das aber nicht heißen, dass es sie nicht gab.

So geht es zum Wohnhaus: Das Gebäude befindet sich in der Blumenstraße 8 im Koblenzer Stadtteil Lützel.

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Koblenz und die Region sind voll von Geschichten, voller rätselhafter und oft übersehener Überbleibsel aus der Vergangenheit. Das Buch „Koblenzer Geheimnisse“ geht diesen nach. Es ist in Kooperation zwischen der Rhein-Zeitung und dem Bast Medien Verlag erschienen. In der Adventszeit stellen wir Auszüge daraus in Form eines Adventskalenders vor. Das Buch (Hardcover) kostet 24 Euro, hat 192 Seiten und ist durchgehend bebildert. Erhältlich ist es über unseren Produktshop www.rz-forum.de sowie im Buchhandel oder versandkostenfrei direkt beim Verlag per E-Mail an bestellungen@bast-medien.de ISBN: 9783946581925

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