Wer ist Favorit in der Gruppe F? Wer kommt in den „Hammergruppen“ B und D weiter? Und wie sieht die Konstellation für die deutsche Mannschaft aus? Zwei Tage vor dem EM-Eröffnungsspiel in München stellen sich Laien, vermeintlichen Experten und den Teilnehmern der zahlreichen Tipprunden essenzielle Fragen, die einer Antwort bedürfen. Wobei es sich im Fußball dummerweise wie im richtigen Leben verhält: Bei komplexen Sachverhalten gibt es keine einfachen Lösungen.
Mit Selbstvertrauen – und Demut
Fangen wir bei der deutschen Mannschaft an: Eigentlich, so sollte man meinen, hat es das Los gut mit der Auswahl von Bundestrainer Julian Nagelsmann gemeint. Schottland, Ungarn und die Schweiz – da hätte es deutlich schlimmer kommen können. Zumal die beiden Siege im Frühjahr in Frankreich sowie gegen die Niederlande die fußballerische Stimmungslage im Land komplett gedreht haben. Nun werden die Skeptiker zurecht anmerken, dass die Kategorie „machbar“ auch bei den Weltmeisterschaften 2018 (Mexiko, Schweden, Südkorea) und 2022 in Katar (Japan, Spanien, Costa Rica) zutraf – die Vorrunde aber jeweils im Fiasko endete. Bei allem Selbstvertrauen, das die DFB-Elf in diesen Tagen ausstrahlt, ist ein Schuss Demut sicher ein guter Ratgeber. Auch weil sich abzeichnet, dass der Weg ins Halbfinale oder gar ins Endspiel kein leichter wird. Man kann rechnen und spekulieren, wie man will: Die Gastgeber bekommen es mutmaßlich schon früh mit den ganz großen Namen zu tun.
Frankreich oder die Niederlande erst im Halbfinale?
Bei allen denkbaren Varianten empfiehlt es sich aus deutscher Sicht, die Vorrunde als Gruppensieger zu beenden. Denn: Das Los will es so, dass es bereits im Achtelfinale gegen Schwergewichte wie Spanien, Italien oder England aus den Gruppen B und C gehen könnte – oder auch gegen unbequeme Kontrahenten wie Serbien oder Dänemark. Einer von beiden wäre wahrscheinlich dann der Gegner, wenn England Gruppensieger wird. Sollte die DFB-Auswahl wider den aktuellen Eindrücken mit Ach und Krach als Zweiter oder gar Dritter in die K.o.-Runde einziehen, wäre direkt im Anschluss ein Duell gegen eines der drei genannten Top-Teams wohl unausweichlich. Als Gruppensieger würde man dem erst einmal aus dem Weg gehen, ein solches Duell würde erst im Viertelfinale warten. Und: Bei einem Turnierverlauf, in dem die Favoriten ihrer Rolle gerecht werden, wartet erst im Halbfinale die Niederlande oder Frankreich.
Dabei ist noch längst nicht klar, ob eben jene Holländer oder Franzosen überhaupt weiterkommen. „Oranje“ und „Les Bleus“ rangeln in der Gruppe D mit den durchaus hoch einzuschätzenden Österreichern um die beste Ausgangsposition für das Achtelfinale. Und wer will eine seriöse Prognose wagen, wie das Hauen und Stechen in der Gruppe B mit Italien, Spanien und Kroatien ausgeht? Weitaus einfacher fällt es, die Rollen in den Gruppen E und F zu benennen. Belgien (gegen die Ukraine, Slowakei und Rumänien) scheint einen ebenso gangbaren Weg ins Achtelfinale zu haben wie Portugal (gegen Tschechien, Türkei und Georgien).
Rechenspiele hin, Konstellationen her: Die Erfahrung lehrt, dass es am Ende ohnehin ganz anders kommt und jedes Turnier eine ganz spezielle Pointe bereithält. Und wer Europameister werden will, muss zwar nicht gegen alle Mannschaften gewinnen – aber zumindest gegen jene, die der Spielplan hervorbringt.
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