Berlin

Drei Tage Re:publica mit „Google Glass“ aus dem 3D-Drucker: „Du brauchst Rampensau-Gen“

Er war das gefragteste Fotomotiv der Re:publica und Gesprächsthema, wo er auftauchte: „Da ist einer mit der Google Glass!“ Doch wer Hannes Schleeh ansprach, erfuhr die Wahrheit von ihm: Das Erlebnis ist unbezahlbar, die Brille aus dem 3D-Drucker hat 25 Euro gekostet. Wie es ist, damit unterwegs zu sein – und wieso er glaubt, dass die Brille die Smartphones ablösen wird: Das Interview.

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Berlin – Er war das gefragteste Fotomotiv der Re:publica und Gesprächsthema, wo er auftauchte: „Da ist einer mit der Google Glass!“ Doch wer Hannes Schleeh ansprach, erfuhr die Wahrheit von ihm: Das Erlebnis ist unbezahlbar, die Brille aus dem 3D-Drucker hat 25 Euro gekostet. Wie es ist, damit unterwegs zu sein – und wieso er glaubt, dass die Brille die Smartphones ablösen wird: Das Interview.


@7xy heißt er bei Twitter, und auf der Re:pulica fühlte er sich richtig wohl – auch mit Google Glass aus dem 3D-Drucker. Foto: terraeuro/Flickr CC BY 2.0

Von unserem Redakteur Lars Wienand

Die Antwort kam schnell: Nicht Telefonieren wollte er, lieber ein Videogespräch im Google Hangout machen, um zu erzählen. Hannes Schleeh ist der Mann, der die Re:publica mit etwas narrte, amüsierte und aufregte, was aussah wie die Datenbrille Google Glass. Der 50-jährige Blogger und Inhaber einer Agentur für Social Media-Beratung berichtete selbst in Hangouts von der Re:publica. Und für das Interview (am Textende komplett im Video) hatte der Oberbayer die Brille wieder aufgezogen.

Muss man nerdig oder profilneurotisch sein, um mit einer Attrappe über die Re:publica zu rennen?
Ich bin sicher etwas nerdig, ich habe mich sehr wohl gefühlt unter den anderen Nerds. Für so eine Aktion muss man schon ein gewisses Quantum Mut und ein Rampensau-Gen mitbringen, damit man das durchsteht. Man wird schon angeschaut in der verschiedensten Art und Weise. Ich bin noch nie so viel fotografiert worden.

Wirst Du Dir denn auch eine echte zulegen?
Sie muss bezahlbar sein. 1500 Dollar, mhmm, das ist zu hoch für meine Preisgrenze zu hoch. 300 Euro sind ein Preisbereich, der passt.

Ungetrübter Durchblick: Die Brille aus dem 3D-Drucker hat keine Funktionen. Foto: <a href=
Ungetrübter Durchblick: Die Brille aus dem 3D-Drucker hat keine Funktionen.
Foto:
Und was hat Dein Modell gekostet?
Wenn man nicht rechnet, dass ich ein altes Handy zerlegt habe wegen der Linse, die ich eingebaut habe, dann hat es 25 Euro gekostet. Da kann man nichts sagen. Ich hatte Nils Hitze von 3DDinge die Datei geschickt, mit der man die Brille drucken lassen kann, und am nächsten Tag hat er Bild gepostet von einem nackten weißen Modell. Ich habe dann noch entgratet und Felgenspray darauf gemacht, damit es noch echter aussieht. Und ein Loch reingebohrt, um die Linse vom Handy einzusetzen.
Wenn man das Original mal in echt gesehen hat, sieht man, dass meine ein bisschen zu klein ist. Aber es gab eben nur eine echte bisher in Deutschland – Robert Scoble auf der Next (Video) – deswegen war die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass es viele Menschen gesehen hatten.

Aber Du hast das ja in der Regel aufgelöst.
Ich wollte ja keinen veräppeln. Es ging mir darum, wie die Leute darauf reagieren, was sie zur Brille meinen. Die meisten wollten ja mal durchgucken und das Erlebnis haben, die waren dann meistens sehr sehr enttäuscht, und einige wollten sie dann auch nicht mehr aufsetzen. Andere schon, denen habe ich dafür abverlangt, dass ich sie fotografieren und die Fotos in meinem Blog veröffentlichen darf.

Aber warum das Schaulaufen?
Ich kann’s kaum erwarten, dass ich diese Brille endlich auch mal aufsetzen kann, und ich wollte sehen, wie Menschen auf diese Brille reagieren. Ich habe einen großen Unterschied feststellen können zwischen Re:publica, wo jeder wusste, was ich auf der Nase habe, und der Welt außerhalb. Draußen in Berlin fällst Du keinem auf, die normalen Menschen wissen gar nicht, was das Ding ist. Die Reaktionen, bei denen, die sie erkennen, sind hochinteressant, und es gibt mehrere Fraktionen.



Hattest Du denn keine Sorge, dass Dich jemand als „Glasshole“ angeht und Dir das „unheimliche Ding“ von der Nase haut?
Die, die eher zu den Datenschützern gehören und sehr restriktiv mit ihren Daten umgehen haben eher einen Bogen um mich gemacht. Es waren ganz wenige von der Fraktion, die mit mir diskutiert haben – und es war ein einziger, der mich auf englisch gefragt hat, ob er mir ins Gesicht hauen darf, ich sei ein Glasshole. Der hatte aber ein breites Grinsen auf. Zu allem anderen gehört schon ziemlich viel kriminelle Energie – und ich bin ja auch ein großer breiter Kerl…

Während Du mit der Brille über die Re:publica gelaufen bist, warnte Sascha Lobo in einem Text, dass es heftige gesamtgesellschaftliche Gefechte um die neuen Möglichkeiten geben wird. Es gibt ein Foto von Euch beiden – über was habt ihr gesprochen?

Über die Brille witzigerweise überhaupt nicht. Ich hatte ihn einfach mal von Gesicht zu Gesicht kennenlernen wollen, da habe ich ihn einfach mal angesprochen. Er kennt meinen Partner Gunnar Sohn ganz gut. Wir haben ein paar Worte gewechselt, die Fotos machen lassen und dann ist er weitergezogen. Er hat aber sicher gesehen, dass es Fake ist.


Und was sagst Du zu den möglichen künftigen Auseinandersetzungen um die Brille und die neuen Möglichkeiten?
Das haben wir ja jetzt schon, und auch mit 3D-Druckern – damit kann man Pistolen drucken. Die Frage ist, müssen wir deshalb jetzt 3D-Drucker verbieten? Müssen wir Google Glass verbieten, weil man damit Leute Filmen und Aufnehmen kann? Technologie an sich ist nie böse. Ein Referent sagte auf der Re:publica, wir müssen lernen, die Gesellschaft so weiterzuentwickeln, dass es niemand nötig hat, Technologie böse einzusetzen.

Da muss der Mensch sich erst einmal ganz schön weiterentwickeln.
Jaa, ja. Aber wenn wir uns technologisch nicht weiterentwickelt hätten, würde der Mensch noch mit Keulen durch den Wald laufen und Tiere erschlagen. Dazu gehören auch neue Technologien wie Google Glass und 3D-Drucker. Es gehört auch zu den Aufgaben von uns Nerds, den Leuten zu sagen, es ist nicht schlimm, es hat Vorteile, Es kommt darauf an, was derjenige, der die Brille auf der Nase hat, damit macht. Es braucht eine Netikette für Glass, eine Glassikette, wie der Blogger Gerhard Schröder schreibt, der angestoßen hat, dass andere auch dazu bloggen.

Und trotzdem nimmt das doch nicht die Angst der Menschen, mit Google Glass unbemerkt gefilmt zu werden.
Es gibt auch Pen-Kameras und Knopf-Kameras, genügend Möglichkeiten im Internet, sich hochauflösende versteckte Kameras zu besorgen, mit denen viel unbemerkter aufgenommen werden kann. Die Brille ist ja nur eine andere Art, ein Smartphone zu tragen. Ich kann mir aber in Deutschland ein Gesetz vorstellen, dass ein Blinklicht oder eine Rundumleuchte angehen muss, wenn man mit diesem Ding filmt – ich hätte nichts dagegen, wenn ein Lämpchen leuchtet, ich würde aber auch immer fragen. Warum müssen wir denn alles verbieten, nur weil wir ein paar kleine Schweinchen haben, die sich nicht an Regen halten und auch andere Wege finden würden als die Brille?

Wieso willst Du das Ding denn unbedingt haben?
Ich träume davon, die Transalp, eine achttägige Alpenüberquerung mit dem Mountainbike, die ich zwei Mal gemacht habe, noch mal mit Google Glass nachzufahren. Du bist dort unterwegs, und bekommst die original Anweisungen für die Route, die ich nie wieder finden würde, in Google Glass eingeblendet. Für so etwas würde ich mir eine Google Glass kaufen.

Modernste Technik – oder der Anschein davon aus dem 3D-Drucker – im alten Backsteingemäuer.  Foto: <a href=
Modernste Technik – oder der Anschein davon aus dem 3D-Drucker – im alten Backsteingemäuer.
Du glaubst, dass sich Kinder in 15 Jahren über Filme wundern werden, in denen Menschen auf „hellleuchtende Täfelchen“ starren. Kommt so schnell das Ende der Smartphones?
Ich war lange Zeit in der Mobilfunkbranche und habe mich beim iPhone verschätzt, weil ich es im technischen Vergleich nicht so toll fand. Ich habe es aus Blindheit für nicht marktfähig erklärt. Die Revolution in der Einfachheit der Bedienung habe ich dann selbst gemerkt- und ich glaube, dass das jetzt der nächste Sprung sein könnte. Es hat ist eben viel natürlicher als mit so einem Täfelchen rumzurennen. Bei Autos habe ich in der Oberklasse ja auch die Head Up-Displays, wo mir Informationen eingeblendet werden.

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Autor:
Lars Wienand
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