Helft uns Leben
Auf den Feldern wächst die Zuversicht
Tansania1
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Kabasch

HELFT UNS LEBEN engagiert sich das ganze Jahr für Kinder in Not. In der Vorweihnachtszeit bitten wir aber gezielt um Spenden für zwei größere Projekte. Eines davon ist unser Gemeinschaftsprojekt mit der Kita Spabrücken: der Aufbau eines kleinen Gesundheitszentrums mit Kindergarten in Tansania.

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Ausgedörrtes Land, wohin das Auge blickt. Keine festen Straßen, nur hier und da eine Ansammlung runder Hütten, vor der ein paar Ziegen nach etwas Grünem suchen: Das ist das Land der Massai, in dem auch Schwester Mechthild lebt. In der Steppe Tansanias kämpfen die Menschen jeden Tag darum, ihre Existenz zu sichern. Denn was sollen sie tun, wenn Kinder an Malaria erkranken, der nächste Arzt aber 200 Kilometer entfernt ist? Wie sollen sie sich gesund ernähren, wie Hungersnöte überstehen? Schwester Mechthild bietet Hilfe zur Selbsthilfe.

Im Kindergarten der beschaulichen Hunsrück-Gemeinde Spabrücken im Kreis Bad Kreuznach steht der jährliche Afrika-Tag auf dem Programm. Eltern sitzen bei Kaffee und Kuchen zusammen, während die Kinder Musik machen, die ein bisschen nach dem Schwarzen Kontinent klingt. Ein Hauch Afrika weht durch den Kindergarten, der den Erlös des jährlichen Festes an Schwester Mechthild spenden wird. Denn die Eltern in Spabrücken wollen dazu beitragen, dass die Kinder und Jugendlichen im fernen Tansania eine gesicherte Lebensgrundlage bekommen. Viele von ihnen haben deshalb auch Patenschaften übernommen.

Einer, der dankbar ist für die finanzielle Hilfe aus der Nahe-Region, ist der 20-jährige Rashid. Während im Spabrücker Kindergarten sorgloses Spielen angesagt ist, steht er unter der sengenden Sonne Afrikas auf einem Feld am Ufer des Viktoriasees und jätet Unkraut. Ab und zu wischt er sich Schweißperlen von der Stirn. Tag für Tag arbeitet Rashid auf dem Feld und kultiviert die Heilpflanze Artemisia. Gemeinsam mit 14 weiteren Jugendlichen und jungen Erwachsenen arbeitet er im Projekt von Schwester Mechthild mit, die die Pflanze anbaut, um daraus Medizin herzustellen. Besonders bei Malaria kann sie den Heilungsprozess fördern. Rashid hat bereits gelernt, wie man Artemisia erntet und verarbeitet. Die Feldarbeit ist sein Ticket in ein besseres Leben.

Denn ebenso wie die anderen Jugendlichen und jungen Erwachsenen verdient der junge Mann mit dem Projekt von Schwester Mechthild seinen Lebensunterhalt. Rashids Eltern leben nicht mehr, seine Mutter ist an Aids gestorben, kurz darauf verstarb auch die Großmutter. Er hat niemanden, der sich um ihn kümmert. Ein Schicksal, wie es viele in Tansania gibt.

Seine Geschichte hat das Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ in einem Projektbericht als Beispiel dafür aufgeführt, wie Schwester Mechthild den Menschen in Afrika hilft: Rashid kann sich mit der Arbeit auf dem Feld sein Schulgeld verdienen und seinen Lebensunterhalt bestreiten. Ohne das Projekt hätte er die Schule abbrechen müssen. Auch Anesia, deren Familie sehr arm ist, arbeitet im Projekt mit. Jeden Morgen steht sie um fünf Uhr auf, um noch vor Sonnenaufgang Wasser am See zu holen. Später wird sie Artemisiablätter stampfen, um ein Pulver daraus herzustellen. Dann geht sie zweieinhalb Stunden zu Fuß zu ihrer Schule, und wenn sie abends heimkommt, macht sie im Schein der Öllampe noch ihre Hausaufgaben.

Ein Leben, das Schwester Mechthild kennt, weil sie dort zu Hause ist, wo es auch Rashid und Anesia sind. Seit 17 Jahren ist Mechthild Keller bereits in Tansania. Bis 1995 war sie Ordensschwester in Spabrücken, ehe sie ins ostafrikanische Land auswanderte, im Koffer außer Kleidung die bange Frage: „Werde ich es in der fremden Kultur schaffen?“ Schreckliche Angst vor Kleintieren hatte sie und eine gehörige Portion Respekt vor dem Leben in einer anderen Welt, deren Rituale und Traditionen ihr nicht so ohne weiteres zugänglich waren. Sie ließ sich eine Tür zurück offen, doch hindurchgegangen ist sie nie.

Das hat sie bisher auch nicht bereut, denn die Menschen in Tansania sind ihr ans Herz gewachsen. Und weil Schwester Mechthild bei und mit ihnen lebt, kennt sie ihre Bedürfnisse, wodurch sich viele ihrer Projekte von selbst ergeben: wie etwa der Aufbau von bisher 14 Kindergärten, Außenstationen von Pfarreien sowie Wohnmöglichkeiten für Lehrer, Katecheten und Schwestern. „Für die Kleinsten ist der Besuch eines Kindergartens wichtig, denn so erhöhen sie ihre Chancen auf einen Schulabschluss und eine Ausbildung“, weiß Kindergartenleiterin Heike Schweigert aus Spabrücken.

In Tansania ist zudem ein landwirtschaftliches Ausbildungszentrum mit Wohnheim entstanden. Dort erwerben die Seminarteilnehmer, zumeist Jugendliche ohne Berufsperspektive und die verarmte Bevölkerung im Ort, Kenntnisse über Landwirtschaft, Viehzucht und natürliche Medizin. Mais und Bohnen werden angebaut und die Trinkwasserversorgung gesichert.

Mit ihren Kursen über Anbau und Verarbeitung natürlicher Medizin hat Schwester Mechthild das Wissen über Heilpflanzen in vielen Gegenden in Tansania verbreitet. Alleinstehende Frauen, Mütter und Lehrer haben bei ihr bereits gelernt, was ihnen im Krankheitsfall hilft: Bei Malaria trinken sie Tee aus Artemisia, bei Hauterkrankungen tragen sie eine Creme aus den Blättern des Neembaums auf. Und wenn sie Wunden desinfizieren müssen, hilft ihnen der Saft einer unreifen Papaya mit ihrer antibiotischen Wirkung. Schwester Mechthild ist es sogar gelungen, dass die Einwohner selbst Naturkräuter anbauen und vertreiben. „Sie haben sich das anfangs nicht zugetraut und hielten Mechthild für eine Heilige, weil sie so viel Wissen hat“, erzählt Erzieherin Heike Schweigert.

Die Wirkung von Heilpflanzen zu kennen, ist gerade in Tansania sehr wichtig: „50 Prozent aller im Land erhältlichen Medikamente sind Fälschungen, und die eingeführten Kosmetika verursachen oft schlimme Hauterkrankungen“, berichtet Schwester Mechthild in einer E-Mail. Da sie im Busch lebt, ist die Kontaktaufnahme übers Handy schwer bis unmöglich. Es gibt keinen oder nur eingeschränkten Empfang. Ein Internetcafé kann Schwester Mechthild nur in der nächstgrößeren Stadt Arusha im Nordosten Tansanias aufsuchen, und die liegt drei bis vier Autostunden entfernt von der Steppe, wo sie lebt.

Alles in allem ist das jedoch eine vergleichsweise kleine Hürde, der sich Schwester Mechthild in ihrer Wahlheimat gegenüber sieht. Korruption, die große Kluft zwischen Arm und Reich sowie die Vertreibung der Bevölkerung aus ihren angestammten Gebieten, unterstützt von der Regierung, die den Grund an ausländische Investoren verkauft: All das erschwert ihren Einsatz für die Menschen. Hinzu kommen Katastrophen wie Hungersnöte. Die Erinnerung daran, dass Eltern ihre Kinder aus Verzweiflung verlassen haben und die Jungen und Mädchen nur ein paar Beeren zu essen hatten, die an Sträuchern wuchsen, war für die Ordensschwester mit das Schwerste, was sie bisher erlebt hat.

Nicht minder belastend ist in ihrem Alltag aber auch die im Land herrschende Gewalt. „Es geschieht immer wieder, dass Verbrechen unschuldigen Menschen angelastet werden, um sie aus dem Wege zu räumen“, berichtet Kindergartenleiterin Heike Schweigert. Sie hat Mechthild Keller in Tansania besucht und erfuhr von einem Vorfall, der sie zutiefst verstört hat: „Da ist vor einigen Jahren ein Mann bei lebendigem Leibe angezündet worden“, erzählt sie. Beschuldigt wurde eine Frau, die wegen ihrer zahlreichen Affären mit Männern in Verruf geraten war. Sie hatte die Tat jedoch nicht begangen. „Schwester Mechthild setzt sich dafür ein, dass die Frau einen Anwalt bekommt und einen fairen Prozess, denn sie ist zum Tode verurteilt worden“, sagt Heike Schweigert.

Zurzeit plant Schwester Mechthild den Bau eines Kindergartens und einer ambulanten Krankenstation in Arusha-Meserani. Ein Gebiet, in dem es viele verstreute Siedlungen gibt und wo die Wege weit sind. Das Gebäude soll jedes Jahr um ein Zimmer erweitert werden, sodass zusätzlich zum Kindergarten mit der Zeit eine Grundschule entsteht, der ein Wohnheim für Mädchen angeschlossen werden kann. Dort sollen auch Kurse stattfinden. Das alles ist ein weiterer Schritt auf dem langen Weg der Ordensschwester Mechthild, die Einwohner Tansanias dabei zu unterstützen, sich selbst zu helfen. „Ich möchte, dass die Menschen erkennen, dass sie nicht arm sind, sondern dass ihnen viele natürliche Ressourcen zur Verfügung stehen, die sie nutzen können. Sie haben sehr viel, nur wissen sie es meist nicht.“

(CORDULA KABASCH)