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Rückpass von Klaus Reimann: DFB – Ein Neuanfang braucht Inhalte

Neuanfang ist so ein Wort, von dem in diesen Tagen geradezu inflationär Gebrauch gemacht wird. Nach fast 15-monatiger Geiselhaft durch das Coronavirus, dem Gefühl, weggesperrt zu sein von einem Leben, wie wir es zuvor fälschlicherweise als selbstverständlich angesehen haben, sind wir gerade dabei, die pandemiebedingten Fesseln nach und nach wieder abzustreifen. Die Freiheit nehmen wir uns dann (hoffentlich) bald wieder.

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Noch ist das Prozedere aber zeitlich ziemlich unbestimmt und diffus – was uns stante pede zum Deutschen Fußball-Bund führt. Von nebulös bis skandalös, der Männer-Mauschelverein war ja schon in Vor-Corona-Zeiten eine feste Größe, wenn es darum ging, sich selbst die Fesseln anzulegen. Beim DFB ist der Begriff „Neuanfang“ mittlerweile nur noch eine leere Worthülse. Daran vermochte auch der letzte Präsident Fritz Keller nichts zu ändern. Keine zwei Jahre im Amt, blieb Kellers Rolle bis zuletzt so undurchsichtig wie der an Kopf und Gliedern kranke Verband selbst. Zum schlechten Schluss trat Keller dann nicht nur zurück, sondern auch noch nach.

Der Mann, der dem DFB zu neuer Solidität verhelfen wollte, beklagte in seiner Rücktrittserklärung interne Machtkämpfe und Eitelkeiten und beschrieb einen Zustand, der mit „ordnungsgemäßer Verbandsführung nichts zu tun hat“. Womöglich wollte der Winzer und Gastronom aus dem Breisgau tatsächlich Fesseln sprengen beim DFB. Wenn dem so war, so hat er es ungeschickt angestellt. Ein paar unglückliche öffentliche Auftritte und ebenfalls in der Öffentlichkeit ausgetragene Hahnenkämpfe in der Führungsriege später war dann schon wieder Schluss für den Erneuerer, unter dem alles beim Alten geblieben ist.

Vielleicht war die Entgleisung Ausdruck eigener Ohnmacht, als Keller während einer Präsidiumssitzung seinen Stellvertreter Rainer Koch in einem Atemzug mit Roland Freisler nannte, dem Nazi-Schergen und Vorsitzenden des Volksgerichtshofes. Gesellschaftlich jedenfalls bedeutete diese Bemerkung Kellers Aus – und war verbandsintern ein willkommener Anlass, sich des ungeliebten (weil unbequemen?) Präsidenten zu entledigen.

Jetzt heißt es also: Neuanfang, der nächste! So langsam lichten sich im bisherigen Führungszirkel zum Glück die Reihen. Von den allesamt mit Makeln versehenen Herren von Vize Koch bis Generalsekretär Friedrich Curtius wird hoffentlich keiner mehr nach Höherem drängen, wenn im kommenden Jahr beim außerordentlichen DFB-Bundestag ein Neuanfang eingeleitet werden soll, der diesen Namen auch verdient.

Klar, dabei kommt es auch auf Personen an. Viel wichtiger aber noch wäre es, die Zeit bis zu eben jenem Bundestag zu nutzen, um sich innerhalb der Verbandes mal darüber klar zu werden, wo der DFB überhaupt hin will. Jeder Anfang hat schließlich auch ein Ende, in diesem Fall ein Ziel. Um das zu definieren, gehören kluge Köpfe aus allen Abteilungen des Verbandes – von Frauenfußball über das Schiedsrichterwesen bis hin zum Amateurfußball – für ein paar Tage vergattert, um einen Leitfaden, eine Präambel, zu formulieren.

Die Landesfürsten könnten eine solche Denkfabrik gern mit aufbauen helfen, damit auch hier der Proporz gewahrt wird. Nur selbst dabei sein oder inhaltlich steuern sollten sie den Prozess bitte nicht.

Das ist kein leichtes Unterfangen, sicher. Hat der DFB doch allein mehr als 26 Fach-Ausschüsse und -Kommissionen. Aber es ist ein lohnendes Projekt. Denn erst dann ergibt es Sinn, die Person zu finden, die sich mit diesen Zielen auch identifizieren kann. Das darf gern eine Frau sein – die Mischung aus Empathie und Sachverstand kann der DFB gut gebrauchen. Vielleicht braucht es diesen Schub von der Basis, um oben wieder Menschen zu haben, die tatsächlich für alle sprechen.

Das neue Wirken des DFB mitbestimmen zu können, sollten im Übrigen all jene auch als ein Stück Freiheit begreifen, die bis jetzt verbandsintern übers Meckern und Mosern nicht hinausgekommen sind. Denn im Grunde ist ein solcher Verband ja auch nur eine Bürgergesellschaft in klein, die erst durch ein konstruktives Miteinander funktioniert. Die Freiheit der Mitbestimmung, die darf sich ein jeder im Verband gern nehmen.

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