Klaus Reimann zu olympischem Denken und Handeln
Der Ausverkauf der olympischen Ideale schreitet weiter ungebremst voran. Nicht zuletzt weil genau jene, die den Sport eigentlich voranbringen sollten, ihm mehr schaden als nutzen. Die Granden im Internationalen Olympischen Komitee (IOC) versagen dabei ebenso wie die nationalen Vertreter im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB).
Im Namen des Sports auf Tour, und viel zu oft doch nur auf eigene Rechnung unterwegs, haben sie eben diesen Sport längst zu ihrem Instrumentarium gemacht. In Zeiten ungezügelten Geldscheffelns, erbitterter Kämpfe um Sponsoren und Fördergelder und nicht zuletzt wegen einer nur nach ökonomischen Gesichtspunkten getroffenen Wahl des Olympiaortes beschreibt das firmeninterne Motto „schneller, höher, weiter“ schon längst nicht mehr die sportlichen Ziele. Sotschi ist sozusagen Sinnbild dafür, wie sehr es umfassender Reformen bedarf, soll hinter all dem Streben nach Macht und Gewinn irgendwann auch wieder die ursprüngliche olympische Idee zum Vorschein kommen.
Mehr Rückbesinnung
Etwas mehr Rückbesinnung, etwas weniger monetärer Gigantismus, vor allem aber ein unverstellter Blick auf die politischen wie gesellschaftlichen Geschehnisse am jeweiligen Olympiaort täte gut, sollen die Dinge wieder ins Lot kommen. Natürlich können auch Spiele wie die in Sotschi eine Chance sein. Für eine im Hinterland verarmte Region und Menschen, die Hoffnungen und Wünsche mit Olympischen Spielen vor ihrer Haustür verknüpfen. Wenn diese Spiele dann aber nur der Zurschaustellung eines fragwürdigen politischen Machtapparates dienen, wenn sich einige Ausgesuchte Grund und Boden unter den Nagel reißen und zu den eigentlichen Profiteuren dieser Spiele werden, wenn Korruption den einen Reichtum beschert und andere weiter ihrer Armut überlässt, dann wird diese Chance grandios vertan.
Der neue IOC-Boss Thomas Bach hat in Sotschi gute Miene zu bösen Spielen gemacht. Er hat als Putins Pflichtverteidiger das Milliardenspektakel am Schwarzen Meer in Schutz genommen, in der Hoffnung, dass es eines Tages nicht zum Milliardengrab verkommt. Bach hat aber auch angekündigt, es fürderhin besser zu machen. Er will weniger Extravaganzen für die verwöhnte IOC-Familie, mehr Transparenz bei der Vergabe der Spiele. Mehr Bewusstsein für Umweltbelange, mehr Sozialverträglichkeit. Okay, das alles wollte Jacques Rogge auch, als er 2001 sein Amt antrat. Der Rest ist bekannt.
Lässt Bach Taten folgen?
Ob Bach seiner vollmundig angekündigten Agenda 2020 Taten folgen lässt? Bis dato ist der Industrieberater nicht eben als kompromissloser Reformer auffällig geworden. Auf der anderen Seite ist er gut beraten, die Chance zu nutzen. Nicht zuletzt im Interesse des IOC, das mit seinem Geschäftsgebaren auf einem guten Weg ist, auch die letzten Getreuen zu vergraulen. Abstimmungen wie die zuletzt in München über die abgelehnten Spiele 2022 zeigen, dass immer mehr Menschen das post-feudale Gehabe des IOC gehörig auf den Geist geht. Olympia selbst, der Sport und seine Helden begeistern und sind nach wie vor gesellschaftsfähig. Was man von der Kolonialmacht IOC nicht behaupten kann. Die Selbstreinigungskräfte des Sports sind gefordert.
Während Bach seine Chance also noch nutzen kann, haben sie in der DOSB-Chefetage selbige mal wieder prächtig vertan. Im Elfenbeinturm der deutschen Leibesübungen hecheln sie weiter den Medaillen hinterher, als sei der kalte Krieg noch im vollem Gange. Auf Wachstum getrimmten Wirtschaftsbossen gleich, nehmen sie das Ergebnis der vergangenen Spiele zum Maßstab, packen noch was drauf und schon ist es geschnürt, das Medaillenpäckchen fürs nächste Großereignis. Mit sich rumschleppen müssen es die Athleten. Als stünden die Aktiven nicht schon genug unter Strom, ist es den Vespers, Hörmanns und Co. ein Leichtes, den Druck noch zu erhöhen. Greifen die Sportler dann aber zu unsauberen Mitteln, um die so sauber formulierten Vorgaben zu erfüllen, zeigt sich die Führungsriege geschockt und konsterniert. Zu so viel Heuchelei muss man erst mal fähig sein.
Hilft viel Geld wirklich viel?
Lohnender wäre es, sich der Schwächen im System anzunehmen, verkrustete Strukturen aufzubrechen. Sind uns Goldmedaillen im Rodelsport mehr als 60 Millionen Euro an direkter und indirekter Förderung binnen vier Jahren wert? Wäre ein Teil des Geldes bei den Eisschnellläufern oder den völlig vernachlässigten Winter-Trendsportarten nicht viel besser aufgehoben? Ist es überhaupt der alles selig machende Grundsatz, wonach viel Geld auch viel hilft?
Ganz früher mal galt der Sport als schönste Nebensache der Welt. Sport macht Spaß – nur militante Nicht-Sportler vermochten sich diesem Credo zu widersetzen. Und heute? Sport. Macht! Aber wo ist der Spaß geblieben?