Vom Nürburgring berichtet unser Reporter Christoph Erbelding
Nürburgring. Auch Wolfgang Ullrich konnte wieder lachen. Gelöst gab sich der Audi-Sportchef in der Boxengasse, die Kopfhörer um den Kopf geschnallt, fast so, als wäre nichts gewesen. Er hatte sichtlich Spaß daran, mit seinem Team Teil der Langstrecken-WM am Nürburgring zu sein, die erstmals in Deutschland eine Station einlegte, seitdem sie wieder dem Weltverband FIA untersteht.
Dass Ullrich schwere Wochen hinter sich hat, war in diesen Augenblicken nicht zu sehen. Der durch ihn ausgelöste Skandal in der Deutschen Tourenwagenmeisterschaft, als er von Timo Scheider per Funk das Rausschieben eines Kontrahenten gefordert hatte, ist immer noch nicht ganz vom Tisch, mitunter wird noch über ein baldiges Ende seiner Zeit als Audi-Verantwortlicher spekuliert. Am Nürburgring hatte dieses Thema diesmal allerdings keinen Platz. Andere Fahrer und Fahrzeuge standen im Mittelpunkt. Und eine Rennserie, der es guttut, auch am Nürburgring Station zu machen.
Es war nicht nur für den gescholtenen Audi-Mann ein angenehmes Wochenende, wobei bei ihm sicherlich der Fokus darauf lag, endlich wieder am Wesentlichen zu arbeiten, anstatt sich für einen Fauxpas erklären zu müssen. Für viele Piloten kam die Rückkehr an den Nürburgring derweil einer Reise in die Vergangenheit gleich, und diese hatten sie als passionierte Rennfahrer vielleicht sogar ein wenig herbeigesehnt. Das war an vielen Kleinigkeiten zu erkennen. Zum Beispiel an den offiziellen Pressegesprächen. Da tummelten sich die Fahrer bestens gelaunt in dem dafür hergerichteten Medienzentrum – und zwar ausnahmslos, dazu noch überpünktlich. „Niemals“ hätte es das in der Formel 1 gegeben, fand dieses Verhalten der Fahrer nicht nur Mark Webber außergewöhnlich, und der muss es wissen, schließlich zählte der Australier in der Königsklasse jahrelang zu den stärksten Piloten. Dass er dennoch glücklich ist, nun in der Langstrecken-WM für Porsche zu fahren, versicherte er: „Die Formel 1 hat ihren Höhepunkt doch Mitte der 2000er erreicht, seitdem geht es ein bisschen bergab. Der Motorsport an sich erlebt keine so rosigen Zeiten. Aber die Langstrecken-WM entwickelt sich stetig, wie eine Kurve an der Börse, die ganz langsam nach oben geht. Aber sie zeigt immerhin nach oben.“ Und dass es so weitergeht, daran soll nun auch dauerhaft der Nürburgring seinen Anteil haben. Vielleicht beschleunigt er die Kurve ja sogar noch ein wenig.
Die Rennen in dieser Serie mit den hochgezüchteten Sportwagen haben natürlich ihre Eigenheiten. Sie sind mit in der Regel sechs Stunden sehr lang, die Fahrzeuge sind – im Gegensatz zu den Formel-Wagen – geschlossen, und außerdem können die teilnehmenden Fahrer von Lauf zu Lauf variieren. Es waren zum Sechs-Stunden-Rennen vom Nürburgring nicht alle Fahrer dabei, die noch in Le Mans am Start gestanden hatten – die 24 Stunden haben eben eine spezielle Tradition und Anziehungskraft. Das soll auch gern so bleiben, finden die Fahrer, doch es spricht eigentlich auch nichts dagegen, dass sich der Nürburgring daneben etabliert, die Zuschauerzahlen stimmten jedenfalls und steigerten sich im Lauf des Wochenendes.
Der Letzte, der etwas dagegen hätte, demnächst wieder häufiger am Ring vorbeizuschauen, ist wohl Alexander Wurz. Der Österreicher, 69-mal in der Formel 1 gestartet, hat als junger Fahrer mal zwei Jahre in Meuspath gewohnt, also in unmittelbarer Ring-Nachbarschaft, um sich seinerzeit besser auf Formel-Ford- und Formel-3-Rennen vorbereiten zu können. Nun kehrte er zum ersten Mal seit dem Formel-1-Rennen im Jahr 2007 zurück. „Der Nürburgring fasst so langsam wieder Fuß, die Betreiber können nun so langsam wieder anfangen, die guten Serien zu holen“, findet der Toyota-Fahrer. „Und dann gehören wir mit der Sportwagen-WM definitiv dazu.“
Info: Sieg geht an Porsche
Nach sechs Stunden stand der Sieger fest: Porsche hat das Langstrecken-WM-Rennen auf dem Nürburgring gewonnen. In ihrem Le-Mans-Auto der leistungsstärksten Kategorie fuhren Timo Bernhard, Mark Webber und Brendon Hartley 203 Runden und damit mehr als alle anderen Teams. Ein weiteres Porsche-Trio belegte Platz zwei, Audi und Toyota folgten dahinter. ce