Nun, auch dem Sport ward in diesem Jahr ein heißer Sommer beschert. Und der war beileibe nicht dröge, sondern vielmehr sehr süffig, nimmt man die Ereignisdichte zum Maßstab.
Jetzt, wo der Herbst sich ankündigt, ist es ein guter Zeitpunkt, diesen Sportsommer zu bilanzieren. Im Juni war es, da hallte ein Schrei durch Roland Garros. Die deutsche Tennis-Hoffnung Alexander Zverev knickte im Halbfinal-Match gegen Rafael Nadal um. Mehrfacher Bänderriss. Statt hoffnungsvoll zum Turnier nach Wimbledon ging es mühevoll auf Krücken vom Bett in den Garten. „Die Sportwelt leidet mit Tennis-Star Zverev“ – unter dem machte es der Privatsender RTL nicht.
Im Juli sorgte dann ein Däne für Schlagzeilen. Jonas Vingegaard schlug dem hohen Favoriten Tadej Pogacar ein Schnippchen und gewann überraschend die 109. Ausgabe der Tour de France. Erst der zweite dänische – nun ja – Triumph nach Bjarne Riis 1996. Später musste der Begriff Triumph gestrichen werden, die Farce trat an seine Stelle. Riis soll nach Aussage von Teammasseurs Jeff d'Hondt „randvoll“ mit dem Ausdauermittel Epo gewesen sein. In den Folgejahren machten es viele „Tour-Gewinner“ Riis nach. Es waren vor allem für die französische Staatsanwaltschaft und Doping-Jäger rund um den Globus heiße Sommer seinerzeit.
Aber wir schweifen ab. Zurück zum Erlebnis, das ja auch immer nur so groß ist, wie das Ergebnis es vorgibt. So denken zumindest viele, die zum Nationalstolz ein sehr inniges Verhältnis haben. Durch die deutsche Brille betrachtet, waren die European Championships im August in München d a s Sportereignis dieses Sommers schlechthin. In neun Sportarten gab es Medaillen in der bajuwarischen Metropole. Ganz München, halb Bayern und so mancher aus dem Rest der Republik und den angrenzenden Ländern schien auf den Beinen. Sportkletterer und Beachvolleyball-Akteure teilten sich den Königsplatz. Den Olympia-Berg machten die Rad-Freestyler zu ihrem kreativen Revier, und sogar die dem gleichnamigen Sportfunktionär geweihte Rudi-Sedlmayer-Halle war ein Erlebnis beschert. Dort fand die Tischtennis-EM statt. Die Stimmung? Überall prächtig!
Meist beachtet und am telegensten kam die Leichtathletik rüber. Für die deutsche Leichtathletik war es nach der WM-Schmach von Eugene so etwas wie eine Auferstehung – nur im Sommer eben. Zehnkämpfer Niklas Kaul, Langstrecklerin Konstanze Klosterhalfen und andere liefen heiß. Platz eins in der Medaillenwertung – was auch für die Gesamtheit der neun Wettbewerbe galt – täuscht indes darüber hinweg, wie hart die deutschen Leichtathleten nach wie vor um (finanzielle) Anerkennung für ihre Profession kämpfen müssen. Eine Profession, von der allein die meisten nicht leben können. Für Gina Lückenkemper, Europameisterin über die 100 Meter, müssen sich die DLV-Akteure „den Arsch aufreißen“, um gegen die Vollprofis anderer Nationen bestehen zu können. Noch Fragen? Heiße Diskussionen um die Sportförderung hierzulande werden diesen Sommer locker überdauern.
Ja, und nun, im September, die Basketball-EM. Mit einer Erlebnisdichte, wie Köln sie sonst nur aus dem Karneval kennt. Die deutsche Mannschaft spielt sich in die Herzen der Fans – also der Fans, die zu den jeweils 18.000 Zuschauern in der Halle zählten. Oder jener Anhänger, die im Internet über den Streamingdienst MagentaSport live dabei waren – kostenfrei. ARD und ZDF hatten sich bei der Rechtevergabe vornehm zurückgehalten. Anderes Thema.
Quizfrage als Rausschmeißer aus dieser Kolumne: Wer fristete in diesem Sportsommer – Frauen-EM und Eintracht Frankfurt ausgenommen – nur ein Schattendasein? Richtig, der Fußball. Hat auch keiner vermisst, gibt der doch für den Rest des Jahres zumeist den Ton an. Und bald ist ja Winter. Da spielen ARD und ZDF ihre Kernkompetenz aus – Biathlon. An jedem Wochenende. Stundenlang. Weil die Quote bei diesem Erlebnismarathon stets mitsiegt. Bis das Frühjahr und das eine oder andere Stoßgebet den schießenden Langläufern ein Ende setzt. Und dann: ist schon bald wieder Sommer!