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Kommentar zu einer denkwürdigen Saison in der Fußball-Bundesliga: Alles ist anders – aber vieles wird sich leider nicht ändern

Die turbulenteste, seltsamste und leiseste Saison in der Fußball-Bundesliga ist zu Ende, abgesehen von der Relegation. Die Verantwortlichen dürften drei Kreuze schlagen, dass das gewagte und umstrittene Experiment ohne Zuschauer in den Stadien weitgehend vollzogen ist.

Aktualisiert am 18. Dezember 2023 17:04 Uhr

Geisterspiele
Gewohntes Bild nach der Corona-Pause: Bundesliga-Tore vor leeren Zuschauerrängen. Foto: Arne Dedert/dpa
Arne Dedert/dpa. dpa

Der Neustart nach mehr als zwei Monaten Spielpause mit Auflagen und Hygienekonzept ist weltweit beispielgebend. Darauf kann die Deutsche Fußball Liga um ihren gewieften Chef Christian Seifert stolz sein, die Protagonisten sollten sich aber lieber nicht zu viel darauf einbilden. Denn Demut täte der gesamten Branche nach dieser Schocksaison nicht schlecht. Schließlich sollen in der Corona-Krise gleich 13 Profiklubs von der Insolvenz bedroht gewesen sein. Allerdings fehlt der Glaube, dass sich wirklich etwas ändert.

Allen Beteuerungen zu mehr Bescheidenheit und Bodenhaftung zum Trotz wird die Milliardenblase Profifußball auch fortan nicht in Sack und Asche daherkommen. Daran ändern auch die leicht gesunkenen TV-Einnahmen aus dem neuen Rechtevertrag von 4,64 auf 4,4 Milliarden Euro nicht viel. Prunk und Protz werden weiterhin ständige Begleiter des Rummels sein, ein Innehalten ist in einem globalen turbokapitalistischen System eine Utopie.

Hoffnung macht da der Zusammenschluss vieler Fan-Szenen, der sich für eine gerechtere Verteilung der TV-Gelder, die Einführung eines nationalen Financial Fairplays und die Begrenzung von Investoreneinflüssen einsetzt. Wie es um den Einfluss und den Stellenwert der Fans bestellt ist, zeigt indes ebenfalls die Corona-Krise: Ohne Zuschauer rollt schließlich auch der Ball und damit der Rubel. Das Geschäft muss eben weitergehen, wahrscheinlich auch in der nächsten Saison ab Mitte September erst einmal mit ziemlich leeren Stadien.

Geisterspiele prägten diese denkwürdige 57. Bundesliga-Saison, es waren bislang 82 an der Zahl. Natürlich überstrahlte – oder besser: überschattete – Corona alles. So gerät leicht in Vergessenheit, dass diese Spielzeit weitere Turbulenzen mit sich brachte, abseits von Trainerrauswürfen und Videobeweisen. Rassistische Ausfälle gegen dunkelhäutige Profis trübten das Bild des Hochglanzprodukts, ebenso die ausufernden Hassparolen gegen den Hoffenheimer Unternehmer, Mäzen und Sportförderer Dietmar Hopp, der als Feindbild herhalten musste in der Kluft zwischen Fußballprofitum und Fußvolk. In beiden genannten Fällen stand die Bundesliga vor einer Zerreißprobe und zeigte seltene Solidarität. Einschließlich Corona hatte die höchste deutsche Spielklasse also gleich drei große Krisen zu bewältigen.

Rein sportlich betrachtet, änderte sich im Grunde genommen nicht viel, trotzdem tat sich einiges. Die Bayern zelebrierten weiter ihre Übermacht mit dem achten Titel in Serie, hoch gehandelte Dortmunder und Leipziger kämpften zu sehr mit sich selbst. In Gladbach feiern sie Trainer Marco Rose nach seiner beeindruckenden Premierensaison. Köln, Mainz und Frankfurt spielten konstant inkonstant, und bei den notorisch klammen und sieglosen Schalkern ist die Ratlosigkeit so groß, dass zwei Fitnesstrainer zu Sündenböcken gemacht und gefeuert werden sollen.

Immer schwerer wird es für die sogenannten Kleinen, im Konzert der Großen mitzuhalten. Und dennoch gibt es sie immer wieder, die Exoten im weitgehend geschlossenen System. Union Berlin spielt weiter erstklassig, Arminia Bielefeld ist zurück. Und der 1. FC Heidenheim, ein fleißiger Verein aus Ostwürttemberg, darf sich in der Relegation gegen abgestürzte Bremer Hoffnungen auf die Bundesliga machen. Es wäre die letzte Pointe einer außergewöhnlichen Saison.

E-Mail an den Autor: jochen.dick@rhein-zeitung.net

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