Jener Klub, der es mit milliardenschweren Investitionen des Russen Roman Abramowitsch bis an die Spitze Europas geschafft hat, ehe der Oligarch nun aufgrund seiner Nähe zum kriegsführenden Präsidenten Wladimir Putin mit zahlreichen Sanktionen überzogen und ihm der Verein quasi aus den Händen gerissen wurde.
Kein Ticketverkauf, kein Trikotverkauf, ein begrenztes Reisebudget von umgerechnet 24.000 Euro pro Auswärtsspiel – dies sind nur einige der drastischen Auflagen, die den Klub derzeit nahezu handlungsunfähig machen. Auch Verhandlungen mit Spielern sind tabu, erst recht denn neue Verpflichtungen. Kritiker auf der Insel monieren, dass an Abramowitsch und dem FC Chelsea ein Exempel statuiert werden soll, nachdem die Regierung über Jahre reiche Russen ungestört gewähren ließ und die Hauptstadt schon den Beinamen „Londongrad“ erhielt.
Vor diesem Hintergrund bekommt die Fußballer-Floskel, „von Spiel zu Spiel zu denken“, eine ganz neue Bedeutung. Denn jedes Spiel könnte möglicherweise das letzte sein. In englischen Medien wurde bereits das Szenario einer Insolvenz thematisiert, sollte sich kein solventer Käufer finden. Obendrein, so zeigen die jüngsten Ereignisse, sollte er moralisch integer sein. Ein zweites Newcastle United, wo der Verein im Angesicht des Abstiegs seit einigen Monaten keine Scham hat, sich vom saudi-arabischen Regime alimentieren zu lassen, wäre kaum vermittelbar.
Aber offenbar gibt es auch in der westlichen Welt genügend Milliardäre, die nicht wissen, wohin mit dem vielen Geld – und sich mal eben einen Fußballklub gönnen. An Kaufwilligen für den FC Chelsea scheint es jedenfalls nicht zu mangeln. Aussichtsreicher Kandidat scheint dabei die US-Familie Ricketts zu sein, der bereits das Baseball-Profi-Team der Chicago Cubs gehört und die dort zuletzt für eine schlappe Milliarde Dollar das Stadion saniert hat. Entsprechend wird auch genug Geld vorhanden sein, um die Chelsea-Stars wie Romelu Lukaku, Kai Havertz oder Antonio Rüdiger weiterhin üppig zu entlohnen.
Doch ganz so einfach ist es wohl dann doch nicht, ein derartiges Geschäft ist etwas komplexer als ein Gebrauchtwagenkauf. Allein die Zeit drängt: Weil eben keine Tickets verkauft werden dürfen, droht der Mannschaft von Trainer Thomas Tuchel im Viertelfinale der Champions League ein Geisterspiel, allenfalls Dauerkartenbesitzer könnten zugelassen werden. Angesichts all dieser Widrigkeiten ist es bemerkenswert, wie der Ex-Mainzer und Ex-Dortmunder eine Wagenburg-Mentalität geschaffen hat und derzeit mit der Mannschaft trotzig von Sieg zu Sieg eilt. Von den vergangenen elf Pflichtspielen gewann das Team aus dem Londoner Westen zehn.
„Wenn es sein muss, fahre ich auch mit einem Siebensitzer zum Auswärtsspiel“, gibt sich der Coach kämpferisch – und denkt dabei wohl auch an die vielen Mitarbeiter im Verein, die sich mehr als die Profis um ihren Arbeitsplatz sorgen müssen. Die anstehende Tour in der Champions League zu Real Madrid könnte da zu einem ziemlichen Ritt werden. Und nach dem Spiel wählt Tuchel dann einen der Stars aus, der als ein Akt der Solidarität die Trikots mit nach Hause zum Waschen nimmt.
Aber so weit wird es wohl nicht kommen, die Geschichte zeigt, dass sich (fast) immer ein Gönner findet, der frisches Geld in das System Fußball steckt. Wenn nicht ein US-Milliardär, dann eben jemand anderes. Im Falle des FC Chelsea gibt es inzwischen mehrere Interessenten – was den Preis nach oben treiben dürfte. „Der König ist tot, es lebe der König“, heißt es unter den Fans des Klubs, die offenbar einen ziemlichen Fatalismus entwickelt haben, wer im Hintergrund dafür sorgt, dass der Ball rollt. Keine gute Nachricht für den Fußball.