Nach einem Grätschenduell in der Anfangsphase direkt vor seiner Coaching Zone feuerte Klopp seine Mannen frenetisch an. Ob er da schon ahnte, dass dieses Spiel nach dem 1:0 und vergebenen Großchancen seiner Mannschaft kippen würde? Die Partie war aus Dortmunder Sicht ohnehin ein Spiegelbild der abgelaufenen Saison: Vor dem Tor fehlte die Effektivität – und im Falle eines Marco Reus auch die hundertprozentige Fitness zum Torabschluss. In der Defensive taten sich Fehlerketten auf, die in ihrer Summe 16 verheerende Minuten mit 3 Gegentoren bedeuteten. Nicht umsonst war dieser BVB vor einigen Monaten noch Tabellenletzter, ehe er sich in die Qualifikation für die Europa League zurückkämpfte.
Dieses Mal gelang Klopps Team die Wende nicht, auch wenn er in der Halbzeit trotz eines 1:3 „das hundertprozentige Gefühl hatte, dass wir hier noch für ein Spektakel sorgen können“, wie der Borussia-Trainer meinte. Da seine Mannschaft jedoch den Anschlusstreffer, sei es durch eigene Abschlussschwäche oder eine zumindest strittige Elfmeterverwehrung, nicht zustande brachte, verfolgte Klopp die letzten Minuten seiner BVB-Zeitrechnung für ihn untypisch lethargisch und mit auf dem Rücken verschränkten Armen. Nach dem Schlusspfiff ging er gemäßigten Schrittes in die BVB-Fankurve, als wolle er den Abschied noch ein wenig hinauszögern. Bei den Sprechchören zu seinen Ehren stand Klopp dann das Wasser in den Augen. „Es tut extrem weh und fällt mir schwer loszulassen“, gab er in der anschließenden Pressekonferenz mit brüchiger Stimme Einblick in seine aufgewühlte Gefühlswelt, die durch die offizielle Zeremonie im Rahmen eines „schwarz-gelben Abends“ im Berliner Klub „Kraftwerk“ noch weiter durcheinandergewirbelt wurde.
Auf die Frage, ob er nun Angst habe, in ein Loch zu fallen, antwortete Klopp: „In meinem Leben gab es noch nie Leere. Ich habe eher den Kopf immer zu voll.“ Dass er auch in Berlin mit Leib und Seele bei der Sache war, hatte der Schwabe zuvor bewiesen, als er ARD-Moderator Gerhard Delling anblaffte („Sie können auch noch ein bisschen dazulernen“).
Es war diese polarisierende Spannbreite zwischen Enthusiasmus und Ereiferung, die die Bundesliga zweifellos bereichert hat. Und so fand Klopps Wolfsburger Trainergenosse Dieter Hecking die passenden Schlussworte: „Er ist ein herausragender Kollege. Ich bin mir sicher, dass wir ihn bald wiedersehen werden. Und ich freue mich jetzt schon auf die ,Schlachten‘ an der Außenlinie.“
Jochen Dick