Bei den wirtschaftlichen Interessen nämlich hört der Spaß mit der Selbstbestimmtheit des Sports in der Regel schnell auf – gut zu beobachten in diesen Tagen bei den seltsamen Beziehungen, die Vereine und Verbände mit der streitbaren Weltmacht China pflegen. Fragen Sie mal Mesut Özil, Stefan Müller-Römer oder Daryl Morey.
Es sei mal dahingestellt, wie Mesut Özil dazu kam, politisch jetzt ausnahmsweise mal den richtigen Ton zu treffen. Es mag der gläubige Muslim in ihm gewesen sein, der anprangerte, wie die muslimische Minderheit der Uiguren in China unterdrückt wird. Warum er die chinesischen Machthaber in dieser Causa maßregelt, seinem Sugardaddy Recep Tayyip Erdogan dagegen nahezu jede Menschenrechtsverletzung durchgehen lässt, steht auf einem anderen Blatt.
Natürlich stießen Özils harsche Worte auf ebensolche Kritik – aber beileibe nicht nur in China. Postwendend distanzierte sich auch der FC Arsenal, Arbeitgeber des Ex-Nationalspielers, von den Äußerungen seines Spielers. Der Verein habe sich „immer an das Prinzip gehalten, sich nicht in die Politik einzumischen“, hieß es in einer Stellungsnahme. Das muss nicht weiter wundern, kosten Özils Worte Arsenal doch eine Menge Geld. China ist ein riesiger Markt für die englische Premiere League. Die Reaktion der Chinesen ließ indes nicht lange auf sich warten. Der Staatssender CCTV nahm postwendend die Partie des FC Arsenal gegen Manchester City aus dem Programm. Und aus der chinesischen Version der Fußball-Simulation „Pro Evolution Soccer“ ist der Deutsch-Türke jetzt auch raus.
Der Fall Özil ist nicht das einzige Beispiel für die Interessenkollision beim ewig jungen Duell „freie Meinungsäußerung trifft freien Markt“. Bei der Suche nach neuen Einnahmequellen war beim Fußball-Bundesligisten 1. FC Köln der Plan gereift, sich gen China zu orientieren. In der Region Shenjang sollte eine Fußball-Nachwuchsakademie entstehen. Die Kölner hätten mit Subventionen in Millionenhöhe rechnen können. Doch der FC hat sein Interesse zurückgezogen, untermauert mit markigen Worten vom Vorsitzenden des Mitgliederrats. „In China werden die Menschenrechte in massiver Form missachtet. Deswegen bin ich der Ansicht, dass ein Verein wie der 1. FC Köln dort nicht aktiv sein sollte, weil Geldverdienen um jeden Preis für mich nicht infrage kommt“, sagte Stefan Müller-Römer in aller Klarheit.
Zu starker Tobak für FC-Boss Walter Wolf. Der ruderte in präsidialer Manier zurück. Es handle sich bei Römer-Müllers Statement um „unabgestimmte Äußerungen“. Andere mögliche Formen der Zusammenarbeit, „beispielsweise Sponsoring mit chinesischen Unternehmen, bleiben davon unberührt“. Nanu, gibt es entgegen der Auffassung des Philosophen Theodor W. Adorno doch ein richtiges Leben im falschen?
Für die nordamerikanische Basketball-Profiliga NBA ganz bestimmt. Sieben Worte von Daryl Morey, dem Manager der Houston Rockets, kosteten die NBA Millionen. „Kämpfe für die Freiheit. Stehe mit Hongkong“ hatte Morey getwittert – und damit Anfang Oktober ein mittleres Erdbeben im basketballverrückten China ausgelöst. Der Kampf für mehr Demokratie in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong wird von der Polizei niedergeknüppelt.
Sofort strichen die Staatssender die Live-Übertragungen von NBA-Vorbereitungsspielen aus dem Programm. Um den Streit mit ihrem größten Markt nicht eskalieren zu lassen, legte sich die NBA mächtig ins Zeug. Es folgte eine prompte Entschuldigung auf der Internetseite. Moreys Tweet wurde gestrichen. Und Rockets-Besitzer Tilman Fertitta wusch seinem Manager den Kopf. Der Kotau vor dem großen Geld war perfekt.
Aber das ist gängige Praxis. Die Wirtschaft und sogar souveräne demokratische Staaten machen es schließlich vor – Stichwort Waffenhandel. Gut, die müssen sich auch nicht mit selbst auferlegten Lasten wie Fairness und Toleranz herumschlagen. Der Sport indes ist dabei, eben diese Werte zu verraten und zu verhökern – für ein bisschen schmutziges Geld ...