Interview: Der frühere Mainzer Trainer spricht über seinen neuen Job bei Dynamo Moskau
Ehemaliger Trainer vom FSV Mainz 05 über seinen neuen Job in Russland: Die ersten Stunden waren Wahnsinn
Gemeinsam in Moskau: die ehemaligen Mainzer Sandro Schwarz (rechts) und Zeljko Buvac. Foto: Dynamo Moskau
Dynamo Moskau

Moskau. Er war Jugendspieler, Profi, U 19-, U 23-Trainer und Bundesliga-Coach beim FSV Mainz 05. Doch im November 2019 wurde der gebürtige Mainzer Sandro Schwarz bei den 05er entlassen. Nach einer Auszeit nahm der 42-Jährige vor etwas mehr als einem Monat den Trainerjob beim russischen Erstligisten Dynamo Moskau an. Dort arbeitet er mit den Ex-Mainzern Zeljko Buvac (Sportdirektor) und Andrej Woronin (Co-Trainer) zusammen. Im Interview mit unserer Zeitung spricht Schwarz über seinen turbulenten Einstand, die Corona-Situation in Russland und über seine Rolle im Klub.

Lesezeit 3 Minuten

Wie geht es Ihnen zu einer Hochzeit der Corona-Pandemie in Moskau?

Moskau ist – wie die halbe Welt – ein Hotspot, aber hier bei Dynamo bekommst du davon nichts mit.

Sie halten sich ausschließlich auf dem Vereinsgelände auf?

Ja, hier ist alles, was ich brauche. Man kann hier schwimmen, laufen, Tischtennis spielen, man kann zum Lesen in die Bücherei gehen …

… ist Ihr Russisch schon so gut?

(lacht) Ich habe deutsche und englische Bücher dabei.

Und untergebracht sind Sie im vereinseigenen Hotel?

Ich habe ein Dreizimmerapartment. Man muss sich das vorstellen wie eine moderne Sportschule. Jeder hat ein oder zwei Zimmer als Rückzugsort. Wer Familie hat, fährt meistens nach Hause, aber wenn wir zwei Trainingseinheiten am Tag haben, bleiben alle Spieler hier. Wenn man in die Mensa geht, trifft man immer jemanden, wer allein sein will, geht auf seine Bude.

Suchen Sie nach einer Wohnung in der Stadt?

Aktuell habe ich das nicht vor, schon deshalb nicht, weil der Verkehr verrückt ist. Ich war jetzt einmal in der Stadt, auf dem Roten Platz, und die Fahrt hat fast zweieinhalb Stunden gedauert. Immerhin konnte ich in der Zeit meinen Mittagsschlaf machen.

Werden Sie und ihr Team regelmäßig auf Corona getestet?

Der Verein macht das klasse, die Ergebnisse liegen ratzfatz vor.

Apropos ratzfatz: Sie waren kaum in Moskau angekommen und hatten schon ihr erstes Spiel gegen Sotschi gewonnen.

Die ersten Stunden waren Wahsinn. Wir sind am Donnerstag spätabends hier angekommen, wurden durchs Trainingszentrum geführt, hatten zwei Interviews und freitags volles Programm mit Antrittsrede und Pressekonferenz. Dann haben wir trainiert, die Jungs kennengelernt. Ein brutales Programm, aber eine tolle Erfahrung, sich so ins Getümmel zu stürzen mit neuer Kultur, neuer Sprache, neuer Mannschaft. Und mit dem ersten Spiel 26 Stunden später.

Sie haben aus den ersten sechs Spielen 13 Punkte geholt. Können Sie sich daran erinnern, wann Sie in Mainz so eine Bilanz hatten?

In der Bundesliga nicht. Zu meiner Zeit bei der U 23 hatten wir einige sehr gute Phasen, aber ich weiß nicht, ob auch mit einer solchen Ausbeute. Aber was in Mainz galt, gilt auch heute in Moskau: Gewonnene Spiele fühlen sich nicht nur besser an als verlorene, sie beschleunigen auch den Entwicklungsprozess einer Mannschaft.

Wie haben die Spieler es aufgenommen, dass ein Trainer aus Mainz kommt, der zuletzt mit seiner Mannschaft im Tabellenkeller stand, aber Mainzer Szenen als Anschauungsunterricht vorführt?

Inhaltlich war es erst mal der beste Weg, wir haben ja auch nicht nur Videoclips aus der 05-Zeit vorgespielt. Wir hatten nicht das Gefühl, dass die Spieler skeptisch waren und sich gefragt hätten: „Soll der uns jetzt nach Europa führen?“ Im Gegenteil: Sie lechzen danach, immer voranzukommen.

Verkörpert die Mannschaft eine andere Mentalität als in Mainz?

Ich will keine Vergleiche ziehen. Wir hatten auch in Mainz über zwei Jahre Phasen, in denen wir eine Top-Mentalität auf den Platz bekommen haben. Was mir hier auffällt, ist die hohe Bereitschaft, diese Art Fußball spielen zu wollen. Es liegt aber auch daran, wie man als Trainer die Dinge angeht. Hier in Moskau ging es nach der Ankunft nur um Fußball, Fußball. Fußball.

Sie müssen nicht wie in Mainz das Gesicht, die Identifikationsfigur des Vereins sein?

Genau. Klar spüre ich auch, dass eine gewisse Erwartungshaltung an meine Person besteht, mehr zu sein als nur Trainer. Das ist auch in Ordnung. Aber trotzdem ist es so, dass ich mich komplett mit sportlichen Themen auseinandersetzen kann.

Ein anderer ehemaliger Mainzer, Zeljko Buvac, stand in den vielen Jahren, in denen er als Co-Trainer mit Jürgen Klopp gearbeitet hat, immer in der zweiten Reihe. Wie ist Buvacs Rolle in Moskau?

Er fungiert als Sportdirektor, ist aber eng bei uns, Wir haben einen Austausch auf Augenhöhe, ohne Eitelkeiten. Es geht um Fußball. Das ist eine super angenehme Arbeitsatmosphäre, die aber weit darüber hinausgeht, weil wir uns schon so lange kennen.

Sie waren über einen so langen Zeitraum noch nie von zu Hause weg. Was sagen Frau und Kinder?

Sie unterstützen mich total. Klar wärst du gern öfter bei der Familie, und die Familie würde auch gern mal hier Eindrücke gewinnen, was aufgrund der Corona-Situation im Moment natürlich nicht geht. Die Menschen hier machen es mir aber auch einfach, mich heimisch zu fühlen. In der Länderspielpause war ich vier Tage zu Hause, über Weihnachten und Neujahr werde ich auch nach Deutschland kommen. Und diese Momente erlebt man dann viel bewusster als das sonst der Fall ist.

Das Gespräch führte unser Mitarbeiter Peter H. Eisenhuth

Top-News aus der Region