Horst Eckel war der letzte Weltmeister, der vom "Wunder von Bern" erzählen konnte
Der „Windhund“, der kein Held sein wollte: Letzter „Held von Bern“ – Weltmeister Horst Eckel gestorben
Er hatte stets ein Lächeln auf den Lippen: Horst Eckel, hier im Jahr 2019, vor einem Foto aus seiner aktiven Zeit als Nationalspieler. Foto: dpa
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Kaiserslautern. Horst Eckel war immer der Jüngste. Damals, als er als 15-Jähriger in der ersten Mannschaft des SC Vogelbach mehr als 40 Tore in einer Saison erzielte. Als er mit knapp 18 sein Debüt in der Oberligaelf des 1. FC Kaiserslautern gab, an der Seite seines großen Idols Fritz Walter. Und als er, gerade 22 Jahre jung, an jenem denkwürdigen Juli-Sonntag 1954 in Bern Fußball-Weltmeister wurde. Nun ist Horst Eckel im Alter von 89 Jahren gestorben – als Letzter der „elf Kameraden“, die auf dem regendurchweichten Rasen des Wankdorfstadions für die 3:2-Sensation gegen Ungarn gesorgt hatten.

Seine Weggefährten, darunter allein vier Kollegen vom FCK, waren teils schon lange tot. Horst Eckel blieb als Letzter, um bei zahllosen öffentlichen Auftritten die Erinnerung an das „Wunder von Bern“ weiterzutragen. Wortreich und engagiert, gewürzt mit einer Prise seines speziellen pfälzischen Humors und geprägt von einer ehrlichen Bescheidenheit, als sei er immer noch nur der Ausputzer für die berühmteren Teamkollegen. Es waren die immer gleichen Geschichten vom Fritz und vom Ottmar, vom Boss und vom Chef. Die Legende wurde zur Wirklichkeit, und Horst Eckel schien auch im hohen Alter aus der Erinnerung jugendliche Kraft zu schöpfen, er war einfach unermüdlich.

Der drahtige „Windhund“ galt schon zu aktiven Zeiten als Konditionswunder. Weil er sein Hobby ernst nahm, ließ er nie sein Training aus, bis ins neue Jahrtausend kickte er in der Lotto-Elf für wohltätige Zwecke. Der WM-Gewinn war der unbestrittene Höhepunkt seiner sportlichen Laufbahn. Insgesamt bestritt Eckel nur 32 Länderspiele, weil er sich früher als manch anderer um seine berufliche Zukunft als Sportlehrer kümmerte. Als Spieler und Trainer machte er sich nach dem Abschied vom FCK auch bei anderen Vereinen verdient, doch seine fußballerische Liebe, die gehörte bis zum letzten Tag nur dem pfälzischen Klub.

Dort absolvierte er sein erstes Probetraining, voller Bewunderung für die Stars der Walter-Elf, die schon damals, 1949, Kombinationsfußball fast in Vollendung präsentierten. Da wollte er mitmachen, und ehe er sich versah, war er dabei. Offenbar sahen Andere jene Talente in ihm schlummern, die er sich selbst nie zugetraut hatte. Auch Sepp Herberger, der Bundestrainer mit dem Faible für den Betzenberg. Nicht als Stürmer sah ihn Herberger, sondern als rechten Läufer, wo seine läuferischen und kämpferischen Qualitäten richtig zur Geltung kommen sollten.

Eine tragende Säule beim FCK

Herbergers Plan ging, wie wir alle wissen, auf. Nicht erst beim WM-Turnier 1954, sondern auch bei den Kaiserslauterer Meisterschaften 1951 und 1953 war Läufer Eckel eine tragende Säule. In Basel und Bern bestritt er er als einziger neben Fritz Walter alle sechs Spiele vom 4:1 gegen die Türkei bis zum 3:2 im Endspiel, auch das 3:8 gegen die Ungarn, als der Bundestrainer etliche Stammspieler schonte. Der laufstarke Pfälzer Eckel brauchte keine Schonung, er hätte, was die Kondition anging, auch zwei WM-Turniere hintereinander bestreiten können.

Die hemmungslose Begeisterung der Deutschen über ihre Weltmeister wurde natürlich auch Horst Eckel zuteil. Typisch, welche Feier ihm am besten gefallen hat: Als sich ganz Vogelbach und noch ein paar benachbarte Dörfer aufgemacht hatten, um ihrem sportlich größten Sohn die Ehe zu erweisen. Als Weltmeister, schrieb er später in seiner bewegenden Biografie „Die 84. Minute“, fand der schüchterne Pfaff-Arbeiter sogar den Mut, die Dame seines Herzens anzusprechen und sie – natürlich – für sich zu gewinnen.

Kurz nach der WM lehnte er ein lukratives Angebot aus England ab. Bristol City bot 150.000 Mark Handgeld und 10.000 Mark Monatsgehalt. Eckel blieb lieber „dehääm“ beim FCK, für 320 Mark im Monat. Bei der WM 1958 absolvierte er die letzten Länderspiele, zwei Jahre später verließ er den FCK, bei dem es ohne den zurückgetretenen Fritz Walter eh nicht mehr so viel Spaß machte.

Zu jung und zu ehrgeizig, um Weltmeister von Beruf zu werden, ließ Eckel sich zum Sportlehrer ausbilden und arbeitete nebenbei als (Spieler-)Trainer. In dieser Zeit führte die Familie Eckel zusätzlich ein Sporthotel in Morbach im Hunsrück, um das sich vornehmlich Ehefrau Hannelore kümmerte. Schließlich wurde er in Kusel sesshaft, zwei Töchter kamen zur Welt, und die Eckels führten ein Leben, das man als recht beschaulich bezeichnen könnte.

Berater für ein Meisterwerk

Wenn da nicht der 4. Juli gewesen wäre, alle Jahre wieder, der Jahrestag des Triumphs von Bern. Mit jedem Jubiläum wurde der Sieg der Fußballer mehr und mehr verklärt zur wahren Geburtsstunde der demokratischen Bundesrepublik. Und als der 50. Jahrestag näherrückte, sozusagen die „Goldene Weltmeisterschaft“, da bekam Horst Eckel einen Anruf. „Wortmann mein Name, Sönke Wortmann. Ich drehe einen Film über das Wunder von Bern und brauche Ihre Hilfe.“ So wurde der jüngste der Weltmeister zum Berater für das filmische Meisterwerk, das den Mythos vom Berner Wunder, den größten Tag im Leben des Horst Eckel und seiner Kameraden, endgültig unsterblich machte.

In seinen letzten Lebensjahren wurden Eckels öffentliche Auftritte seltener. Auch der jüngste Weltmeister wurde langsam älter. Im vergangenen November wurde er in die Ruhmeshalle des deutschen Fußballs aufgenommen, zur gleichen Zeit erholte er sich von einer Hüftoperation. Seinen 90. Geburtstag am 8. Februar wird Horst Eckel nicht mehr erleben. Der jüngste Weltmeister von Bern hat den anhaltenden Rummel um ihn und seine Fußball-Kameraden wohl auch genossen, ganz verstanden hat er die Verehrung, die den „Helden von Bern“ zuteil wurde, nicht. Er ein Held? Dazu pflegte Horst Eckel zu sagen: „Ich bin doch ein ganz normaler Mensch geblieben.“

Von unserem Mitarbeiter Stefan Kieffer

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