Und warum kommt nahezu die gleiche Mannschaft nach einem 1:4 im Derby in Köln und nun einem desaströsen 0:6 zu Hause gegen Freiburg auf einmal wie ein Hühnerhaufen auf Speed daher? Sportpsychologen hätten ihre helle Freude daran, diese eine Frage zu beantworten, warum nämlich die einzige Konstante bei der Ohnmacht vom Niederrhein derzeit die Inkonstante ist.
Mit der lapidaren Bemerkung, wonach die Mannschaft „Qualität und auch Mentalität hat“ – siehe das Bayern-Spiel –, will Gladbachs Sportdirektor Max Eberl seine und die Person des Trainers aus der Schusslinie bringen. Dieses Manöver aber greift zu kurz. Stehen doch Spieler auf dem Rasen, die vor allem Eberl sich ausgesucht hat, um mit der Borussia mittel- und langfristig Erfolge feiern zu können. Eben diese Spieler aber sind es, die Eberl, Coach Adi Hütter und nicht zuletzt die Fans momentan im Stich lassen.
Das erwähnte Bayern-Spiel oder auch die eine oder andere Partie in der Champions League in der vergangenen Saison gegen Real Madrid oder Inter Mailand bestätigen den Eindruck, der sich bei zahlreichen Gladbach-Anhängern verfestigt: Geht es gegen große Klubs, kann die Mannschaft groß aufspielen, ja geradezu über sich hinauswachsen. Gegen Mannschaften, die dagegen giftig und gallig sind, die den unbedingten Willen zum Erfolg mitbringen und den Gegner ihr Selbstbewusstsein in jeder Phase des Spiels spüren lassen, hat die Borussia nur allzu oft nichts entgegenzusetzen. Im rheinischen Derby gegen den FC waren die Gladbacher sicher nicht die fußballerisch schlechtere Mannschaft. Allein, die Kölner wollten den Sieg mehr. Und das gab am Ende den Ausschlag.
Dass auf diese Derby-Schmach jetzt noch die Lachnummer gegen Freiburg folgte, verdeutlicht nur noch um so mehr, wie sehr es an Mentalität, an der Einstellung zur Arbeit fehlen muss, wenn die Qualität über 90 Minuten hinweg schlichtweg keine Rolle spielt.
Im Moment ist nicht erkennbar, ob Eberl und Hütter den Ernst der Lage erkannt haben. Nach außen wird weiter der Eindruck vermittelt, als habe es in der Wohlfühloase Borussia allenfalls ein wenig reingeregnet. Diskussionen über die Person Hütter hält Eberl für „absurd“. Okay. Intern indes ist das Führungsduo gut beraten, die Akteure an ihr Arbeitsethos zu erinnern, das bei der Borussia derzeit alles andere als preußisch (sic!) vorbildlich gelten kann.
Sicher, Hütter hat diese Mannschaft im Sommer so übernommen – und damit auch ihre Wankelmütigkeit. Doch sicher hat Eberl den Österreicher nicht für 7,5 Millionen Euro aus Frankfurt losgeeist, damit die Gladbacher ihren Mangel an Konstanz in dieser Spielzeit pflegen und gar weiterentwickeln.
Natürlich werfen die Corona-bedingten Einnahmenausfälle auch in Gladbach ihre Schatten auf diese Spielzeit. Leistungsträgern wie Matthias Ginter oder Denis Zakaria konnte Eberl lange Zeit kein seriöses Angebot zur Vertragsverlängerung anbieten. Jetzt hat das Duo ein solches Angebot vorliegen, spielt aber offensichtlich auf Zeit. Andere umworbene Akteure im Kader wie Jonas Hofmann oder Florian Neuhaus machen ihren Verbleib womöglich von den Entscheidungen von Ginter und Zakaria abhängig. Das sorgt nicht gerade für Ruhe im Kader – doch dieses Problem kennen andere Klubs auch. Gleichwohl zerreißen sich dort Woche für Woche die Spieler für ihren Verein. Ein Eindruck, den Gladbach-Anhänger bei ihren Stars und Möchtegern-Stars öfter vermissen als ihnen lieb ist.
Mit der Maßgabe, auf dem Feld alles spielerisch lösen zu können, ist die Borussia jahrelang gut gefahren. Doch wenn Teams wie Mainz, Köln oder Union Berlin den Gladbachern die Grenzen aufzeigen, ist es an der Zeit, sich nicht an den Erfolgen von gestern, sondern an den Herausforderungen von heute zu orientieren. Typen sind gefragt – und gefordert.