Westerwälder schlägt voll zu
Yakup Saglam – 48 Jahre, kein Sponsor, Box-Weltmeister
Yakup Saglam, dessen Sonnenbrille das eine oder andere aus dem Kampf gegen Mario Stein noch übrig gebliebene Veilchen verdeckt, brachte den WM-Gürtel des Global Boxing Councils nach Hachenburg. Hier würde er am liebsten seinen Titel verteidigen.
René Weiss

Wie er da sitzt, könnte er Rapper auf Urlaub sein oder ein Musikproduzent, der sich verfahren hat. Doch Yakup Saglam ist nicht zufällig im Westerwald. Hier ist seine Heimat. Hier kennt man ihn. Als Mensch, als Boxer – und jetzt als Weltmeister.

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Yakup Saglam deutet auf seinen Cappuccino, den er im Lauf des Interviewtermins schon zum Großteil geleert hat. „Halbe Sachen“, sagt er und nimmt einen weiteren Schluck, „gibt es bei mir nicht. Nicht beim Cappuccino und nicht beim Boxen.“ Es ist diese Einstellung, die den Hachenburger bei seiner größten sportlichen Leidenschaft als Faustkämpfer innerhalb der Ringseile dorthin gebracht hat, wo er sich heute befindet. Weit nach oben.

„Den Bums in den Fäusten verlierst du nicht. Den hatte ich mit 30, den werde ich auch mit 50 noch haben.“
Yakup Saglam, Box-Weltmeister aus Hachenburg

Im Koffer neben ihm liegt der Gürtel, der ihn stolz macht. „World Champion Global Boxing Council“ steht darauf geschrieben. Es ist das Utensil, das Saglam seit kurzem als Weltmeister ausweist. „Mein bislang größter Erfolg“, wie er im Alter von 48 Jahren sagt. Es ist dieser eine Satz, der so vieles erklärt und Yakup Saglam weitermachen lässt. Immer weiter und immer weiter. „Den Bums in den Fäusten verlierst du nicht. Den hatte ich mit 30, den werde ich auch mit 50 noch haben.“

Im Schwergewichtsboxen sind Schnelligkeit und Wendigkeit nicht so gefragt wie bei den leichteren Jungs. Hier kommt’s auf das an, was in den Händen steckt, weil ein Schlag, der den Gegner auf die Bretter schickt, alles entscheiden kann. „George Foreman hat mit 50 gegen Evander Holyfield gekämpft – gegen einen Weltklasse-Mann wie Holyfield“, erinnert Saglam. „Im Schwergewicht geht das.“

Kämpfe gegen große Namen wie Huck, Solis und Charr

Nun ist der 48-Jährige bereits seit 20 Jahren Profi, hat sich mit seinem Trainer Detlef Loritz im wahrsten Sinne des Wortes durchgeschlagen, unter anderem gegen große Namen wie Marco Huck, Olympiasieger Olanier Solis und Manuel Charr im Ring gestanden. „Ich bin zufrieden mit meiner Geschichte. Die schreibt deutschlandweit wahrscheinlich niemand anderes“, sagt der Hachenburger.

Mit zwölf Jahren ist Saglam in den Westerwald gekommen. Die Heimat in der Türkei bot ihm keine Perspektive mehr. Vom Onkel adoptiert, fasste er in der Region Fuß. Nach einer siebenjährigen aktiven Zeit als Fußballer bei der SG Weitefeld in der Bezirksliga suchte Saglam eine neue Herausforderung und fand sie im Boxring. Zunächst als Amateur, ab einem Alter von 28 Jahren dann auch als Profi. Er begann mit Fitnessboxen, merkte aber schnell, dass er nicht nur auf den Boxsack einhauen, sondern einem Gegner gegenüberstehen will.

Vor seinem WM-Coup in Erfurt holte sich Yakup Saglam beim Boxabend Bassenheim Wettkampfhärte.
René Weiss

Saglam bekam die Empfehlung, sich in Koblenz an Detlef Loritz zu wenden. „Am ersten Tag im Training bekam ich von Boxern aus deutlicheren tieferen Gewichtsklassen schwer Prügel. Alle gingen davon aus, dass ich am nächsten Tag nicht mehr kommen werde, aber ich stand wieder vor der Tür und fragte: ,Und gegen wen boxe ich heute?‘ Das hat Detlef beeindruckt“, erinnert sich der Quereinsteiger.

Zwischen Profi und Profi gibt es im Boxgeschäft Unterschiede wie Tag und Nacht. Da sind diejenigen, die mit ihrem Sport ihren Lebensunterhalt verdienen – und solche wie Saglam, die einen Beruf ausüben (müssen) und sich im eigentlichen Feierabend die Form holen, die sie für den nächsten Kampf brauchen. Sponsoren vermisst Saglam, und das als Weltmeister. Diesen Titel des Global Boxing Council (GBC) trägt der Westerwälder seit seinem Kampf in Erfurt. Saglam reiste mit seiner Sporttasche und Trainer Loritz nach Thüringen, kämpfte Lokalmatador Mario Stein nieder und brachte den WM-Gürtel mit in die Heimat.

Durch die Höhle des Löwen

„Ich musste durch die Höhle des Löwen“, beschreibt er den harten Kampf, in dem der Gegner vor dem boxbegeisterten Thüringer Publikum den Heimvorteil hatte. Acht Runden lang blutete Stein aus einem tiefen Cut über dem linken Auge, als der Ringarzt die Empfehlung aussprach, den Kampf abzubrechen, weil die Gesundheit bei allem sportlichen Ehrgeiz Vorrang hat. Der frischgebackene Weltmeister mit dem Kampfnamen „Skorpion“ verdeutlicht, dass er noch lange nicht am Ende angelangt ist. „Das Boxen ist meine größte Leidenschaft. Der Skorpion sticht immer wieder zu.“

Innerhalb der nächsten zwölf Monate muss Yakup Saglam, der in einem Hachenburger Fitnessstudio Boxkurse gibt und als Personal-Trainer arbeitet, zu einer Titelverteidigung antreten. Wenn es sich ergibt, würde er auch Mario Stein einen Rückkampf anbieten, weil er den Erfurter und dessen Management als faire Sportsleute kennenlernte. „Sie haben mir zwei Monate Vorbereitungszeit gegeben. Das ist heute nicht mehr gewöhnlich. Aber so korrekt arbeiten die echten Boxer. Mario und ich sind so welche.“

Zur Not wieder Tasche packen, losfahren, Titel verteidigen: Weltmeister Yakup Saglam und sein Trainer Detlef Loritz.
René Weiss

Weil Saglam jetzt der Mann ist, dem es den Gürtel zu entreißen gilt, wünscht er sich seinen Weltmeisterschaftskampf im heimischen Westerwald, am besten gleich in Hachenburg. „In der Rundsporthalle zu kämpfen, wäre das Größte.“ Der Heimvorteil soll beim nächsten Mal ihm gehören, er will seinem Publikum großen Sport präsentieren. Aber dafür werden Sponsoren gebraucht. Für einen Boxabend kalkuliert Saglam mit rund 20.000 Euro Ausgaben. „Ich habe in den langen Jahren alles versucht, aber die Anerkennung ist leider bescheiden“, berichtet der 48-Jährige. Aber er wird weitermachen und versuchen, auch den Kampf um mehr Aufmerksamkeit für sich zu entscheiden. Den um den Weltmeisterschaftstitel hat er schließlich bereits gewonnen.

„Ich will ein Vorbild für die Jugend sein. Ihr zeigen, was man alles erreichen kann. Mit mehr Unterstützung hätte ich es weit geschafft. Aber jammern gilt nicht. Ich bin bis hierhin alleine gegangen und ich kann auch weiterhin beweisen, dass man auch so etwas leisten und erreichen kann.“
Yakup Saglam, Box-Weltmeister aus Hachenburg

Ein Heimkampf wäre Saglams Traum, aber wenn es nicht anders geht, würde er auch wieder seiner Tasche packen und gemeinsam mit Trainer Loritz nach Erfurt reisen. Yakup Saglam ist ein Boxer, dem es um seinen Sport geht, der die größte Leidenschaft ist für den Weltmeister ohne Sponsoren. „Und ich will ein Vorbild für die Jugend sein. Ihr zeigen, was man alles erreichen kann. Mit mehr Unterstützung hätte ich es weit geschafft. Aber jammern gilt nicht. Ich bin bis hierhin alleine gegangen und ich kann auch weiterhin beweisen, dass man auch so etwas leisten und erreichen kann.“ Yakup Saglam ist eben nicht der Mann der halben Sachen. Nicht beim Leeren des Cappuccinos – und erst recht nicht im Boxring.

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