KTV-Trainer zieht Bilanz
Kein Aufstieg, aber auch keine Enttäuschung
KTV-Trainer Ralf Schall (links) war meist mit seinen Turnern sehr zufrieden – auch wenn es für den Aufstieg nicht gereicht hat.
Wolfgang Heil

Turn-Zweitligist KTV Koblenz begeistert immer mehr Zuschauer - auch wenn das Saisonziel verpasst wurde.

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Die 2. Kunstturn-Bundesliga Nord kann man sich mittlerweile nicht mehr ohne die KTV Koblenz vorstellen. Mit dem vierten Tabellenplatz in der Saison 2024 haben die Koblenzer das 13. Jahr ihrer Zweitligazugehörigkeit vollendet. Mittlerweile schielt das „Team vom (R)Eck“ sogar in Richtung 1. Liga. Seit 2019 beendeten die Koblenzer die Saison mindestens auf dem vierten Platz, und in der heimischen Turnhalle auf dem Asterstein, die in dieser Saison bestens gefüllt war, wurde seit 2020 kein Wettkampf mehr verloren. Wären da nur nicht diese Auswärtswettkämpfe, die die Koblenzer Träume auch in diesem Jahr verhinderten. Nach einem verheißungsvollen Saisonstart mit deutlichen Siegen gegen die KTG Heidelberg (54:24) und die TG Saar II (68:18) standen zwei Auswärtswettkämpfe in Folge an, bei denen der KTV nicht der gesamte Kader zur Verfügung stand. Erst setzte es eine 12:55-Klatsche bei der Metropole Ruhr, dann folgte ein knappes 36:41 bei der KTV Obere Lahn, das die Aufstiegshoffnungen der Koblenzer begrub. Das Team reagierte mit zwei deutlichen Siegen gegen den TuS Vinnhorst II (60:9) und die Lokalrivalen der TSG Grünstadt (53:27), unterbrochen von der wohl besten Saisonleistung: Beim späteren Meister MTV Ludwigsburg lag die KTV lange aussichtsreich in Führung und erkämpfte nach einer Aufholjagd des MTV letztlich ein 33:33-Unentschieden. KTV-Trainer Ralf Schall ordnet im Interview mit unserer Zeitung die Dinge ein.

Herr Schall, was war für Sie persönlich der schönste Moment der Saison? 

Aus sportlicher Sicht war das für mich der Punkt in Ludwigsburg. Andere würde sagen, das war kein Gewinn, weil wir den Sieg verpasst haben, aber ich finde, dass wir einen tollen Wettkampf gezeigt und zurecht einen Punkt entführt haben. Abseits vom Sport war für mich der schönste Moment, als wir 500 Zuschauer in der Halle hatten. Das hat mich in dieser Saison vielleicht am meisten beeindruckt. Gab es auch einen Tiefpunkt? Ich war nach der Niederlage bei der Oberen Lahn ein bisschen niedergeschlagen. Die Niederlage war eigenverschuldet, wir hätten aus eigener Kraft gewinnen können. Wir haben da bei Übungen Fehler gemacht, bei denen ich eingeplant hatte, dass sie auf jeden Fall funktionieren. Ich muss mir dann immer ins Gedächtnis rufen, dass wir alle nur Menschen sind und dass wir alle Fehler machen – auch ich als Trainer. Bei mir passiert das, wenn ich die falschen Worte bei der Ansprache wähle oder eine falsche Entscheidung treffe, und bei den Turnern sind es eben Stürze.

Als internes Ziel wurde vor der Saison der Aufstiegswettkampf ausgerufen. Das Ziel wurde mit dem vierten Tabellenplatz recht deutlich verpasst. Wie sehr ärgert Sie das? 

Wir setzen uns den Aufstiegswettkampf jedes Jahr als internes Ziel. Ich bin nicht enttäuscht darüber, dass wir das nicht geschafft haben. Mit unserem Potenzial hätten wir oben mitturnen können, in einem Dreikampf zwischen der Ruhr, Ludwigsburg und uns. Auch, wenn die Obere Lahn am Ende vor uns gelandet ist, sehe ich uns eher in diesem Dreikampf. Nach der Niederlage gegen die Obere Lahn war ich natürlich im ersten Moment enttäuscht. Dass wir das Ziel verpasst haben, ist aber kein Problem für mich, weil ich weiß, dass jeder alles gegeben hat. Nach der Saison 2023 haben Sie gesagt, dass der Mannschaft ein deutscher Topturner – am besten auf Nationalmannschaftsniveau – fehle, um den Sprung in die 1. Bundesliga zu schaffen. Mit Elias Jaffer steht nun ein Jugendnationalturner im Team, der das Potenzial hat, diese Rolle auszufüllen.

Wie beurteilen Sie Jaffers erste KTV-Saison? Denken Sie, dass er der KTV erhalten bleiben wird?

Es ist toll, was Elias diese Saison gemacht hat. Er ist erst 17 und kommt jede Woche ohne seinen Trainer alleine aus Halle. Bei den Wettkämpfen war er trotzdem immer sehr fokussiert. Ich glaube, er ist hier schon ganz gut angekommen. Für Wettkämpfe übernachtet er zusammen mit Angelo (Schall) und den Holländern (Loran de Munck und Amine Abaidi) bei uns zuhause. Das ist etwas ganz anderes als das Turnen, das er bisher gekannt hat. Ich denke, es ist eine schöne Erfahrung für ihn, dass er Ligawettkämpfe turnen kann. Die Zusammenarbeit mit seinem Heimtrainer Sven Sixtus läuft auch super. Ich hoffe deshalb, dass wir Elias langfristig an uns binden können, und damit meine ich nicht finanziell, sondern emotional.

Neben Jaffer waren diese Saison die ausländischen Turner Loran de Munck, Amine Abaidi und Lorenzo Galli wieder wichtige Leistungsträger, während Jordi Hagenaar die Saison verletzungsbedingt verpasst hat. Wen werden wir nächste Saison wieder bei der KTV sehen?  Die Holländer (de Munck, Abaidi, Hagenaar) haben uns schon zugesagt. Bei ihnen müssen wir wie in jedem Jahr schauen, wann sie vom niederländischen Verband ihre Freigabe bekommen, da sie alle in der Nationalmannschaft turnen.

Wird es unter den deutschen Turnern Zu- oder Abgänge geben? 

Bisher steht nichts an. Wir werden sehen, wer die Erstliga-Auf- und -Absteiger sein werden und ob damit Vereinsauflösungen einhergehen. Manchmal dreht sich dann das Personalkarussell. Wenn sich etwas anbietet, gibt es vielleicht eine Neuverpflichtung. Ansonsten ist unklar, wie es bei Vinzenz Haug weitergeht. Er wird der KTV aber auf jeden Fall erhalten bleiben und hat schon angekündigt, ansonsten in den Trainerbereich zu wechseln. Während es am Pauschenpferd diese Saison sehr gut lief, konnte der Barren in keinem Wettkampf gewonnen werden. Nur de Munck und Galli haben Übungen mit einem Schwierigkeitsgrad über vier geturnt.

Gibt es einen Plan, wie das Problem „Barren“ bis zur nächsten Saison behoben werden kann? 

Der Plan ist auf jeden Fall nicht, einen neuen Barrenspezialisten zu verpflichten. Wir wollen das Gerät im Training fokussieren und die Schwierigkeit hochstufen. Ich muss mich noch mit den neuen Wertungsvorschriften vertraut machen, die ab nächster Saison für die kommenden vier Jahre gelten, da wird sich einiges gravierend ändern.

Im vergangenen Jahr haben Sie angesprochen, dass die Jugendarbeit verbessert werden muss, um den Verein in der deutschen Spitze zu etablieren. Gibt es hier schon Fortschritte? 

Ja, wir haben zusammen mit dem Turnverband eine Trainingsgruppe gegründet. Rekrutiert wurde über eine Kindertagesstätte, wir haben momentan elf Turner im Alter von fünf bis sieben Jahren. Alle Kinder kommen aus der Region Koblenz, und unser Ziel ist es, dass sie in zehn Jahren in der ersten Mannschaft turnen können. Es ist wichtig, dass die Kinder so jung anfangen. Selbst mit sieben Jahren sind sie fast schon zu alt, da man in diesen jungen Jahren enorme Sprünge macht. Außerdem haben wir eine Trainingsgruppe mit Zehn- und Elfjährigen. Sie hat in den vergangenen Jahren leider nicht das Trainingspensum bekommen, das es bräuchte. Hier hat vielleicht einer die Chance, es in den Leistungsbereich zu schaffen. Dann gibt es zwei Jugendturner, die in der Hessenliga bei den Erwachsenen mitturnen. Da es nur zwei sind, haben wir keine eigene Mannschaft. Langfristig streben wir aber ein Team in der Jugendbundesliga an. Dafür brauchen wir natürlich Leute, die dieses Niveau haben.

Bei den vergangenen zwei Heimwettkämpfen wurde zweimal in Folge der Zuschauerrekord gebrochen. Wie kann die KTV es schaffen, auch in der langen Saisonpause bis zum September 2025 relevant zu bleiben? 

Beim nächsten Mal würden wir natürlich gerne schon mit 300 Zuschauern anfangen. Wir setzen natürlich auch auf die Medien, um präsent zu bleiben. In jedem Fall wollte mich noch mal bei allen bedanken, die am letzten Wettkampftag gekommen sind. Wir wissen die Unterstützung von allen, die diese Saison in der Halle waren, wirklich sehr zu schätzen.

Das Gespräch führte Kilian Jorde

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