Britta Steffen ist Olympiasiegerin, Welt- und Europameisterin im Schwimmen gewesen - und im März kommt die erfolgreiche Sportlerin zum ersten Mal nach Koblenz. Im Rahmen einer Veranstaltung des Schwimmverbandes Rheinland hält Steffen einen Vortrag zu dem Thema „Mentale Stärke im Sport“. „In Zeiten, in denen die Trainingsmethodik nicht mehr den primären Unterschied macht, würde ich sagen, entscheidet die Fähigkeit, die Leistung jeweils zum rechten Zeitpunkt abzurufen“, sagt Steffen im Gespräch mit unserer Zeitung.
Frau Steffen, Sie kommen im März nach Koblenz und halten einen Vortrag „Mentale Stärke – Der Wettbewerbsvorteil“. Warum glauben Sie, ist die Psyche für die sportliche Leistung so wichtig?
In Zeiten, in denen die Trainingsmethodik nicht mehr den primären Unterschied macht, würde ich sagen, entscheidet die Fähigkeit, die Leistung jeweils zum rechten Zeitpunkt abzurufen. Zudem muss man sich absolut fokussieren können, um sich bei den großen Wettbewerben nicht ablenken oder gar einschüchtern zu lassen.

Die meisten verbinden Ihren Namen mit einer erfolgreichen Olympia-Goldmedaillengewinnerin. Sie haben aber gerade durch Ihre Erfahrungen bei Ihren ersten internationalen Meisterschaften erlebt, wie wichtig mentale Stärke für die Leistung ist, Stichwort „Trainingsweltmeisterin“. Erzählen Sie mal Ihre ersten Erlebnisse bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften.
Da weiß ich gar nicht, wo ich beginnen oder enden soll. Das Wesentliche lag wohl darin, dass ich damals von den vielen Zuschauern, den Medienvertretern und den Kameras so beeindruckt war, dass ich vorerst nicht meine volle Leistung zeigen konnte. Bei meinen ersten Spielen war ich überfordert, was die Größe des Olympischen Dorfes anbetraf als auch die Größe eines chinesischen Basketballers, der 2,46 Meter „hoch“ war. Eine Mensa, die 4000 Plätze bemisst, kenn ich beispielsweise auch nur von Olympia. Verrückt fand ich damals wie heute, dass es in der Mensa McDonald’s gab und sogar Starbucks… Ich war also bei meinen ersten Spielen mehr mit den Schauplätzen neben dem Schwimmbecken beschäftigt.
Sie haben also, bevor Sie sportlich den Durchbruch schafften, einige Rückschläge hinnehmen müssen. Wie haben Sie die „Wende“ geschafft und sind in Peking 2008, bei ihren dritten Olympischen Spielen, Doppel-Olympiasiegerin geworden? Vor allem, was ist auf mentaler Seite passiert?
2004, bei meinen zweiten Spielen, verletzte ich mir den Fuß, legte anschließend frustriert vier Monate Pause ein und kehrte mit dem Versuch, mit einer Mentaltrainerin zusammenzuarbeiten, wieder zurück. Diese Trainerin war der Schlüssel zum Erfolg, sie half mir, meine Stärken herauszuarbeiten und mit mir an meinen Schwächen zu arbeiten. Wir arbeiteten mit Visualisierung, Atem- und Achtsamkeitstraining. Jede Woche wurde ich fokussierter, selbstbewusster und lernte, meine Nervosität positiv zu beeinflussen.
Wenn Sie von mentaler Stärke sprechen, können Sie also aus einem großen eigenen Erfahrungsschatz, mit negativen und positiven Erlebnissen, zehren. Mit diesem Wissen: Was würden Sie heute am Anfang Ihrer Karriere anders machen?
Gleich von vornherein mit einer passenden Mentaltrainerin zu arbeiten. Der Rest war für meinen Weg schon sehr optimal.
Und was würden Sie einem zwölfjährigen Mädchen empfehlen, wenn ein Schwimmtrainer in einem Dorf auf sie zukommt und ihr sagt: Du bist so talentiert, geh‘ in ein Sportinternat in der 100 km entfernten Großstadt?
Wenn sie diesen Weg gehen will und das Elternhaus mitspielt, warum nicht?! Versuch macht klug.
Sie sind erfolgreiche Spitzensportlerin gewesen, wie lassen sich Ihre Erkenntnisse in Bezug auf mentale Stärke auf den normalen Leistungssport und den Breitensport herunterbrechen?
Egal, welche Art von Sport oder Beruf, mentale Stärke ist als eine Art Prozess zu verstehen, der einen robuster macht für alle Herausforderungen im Leben und mir hilft, Dinge als Chance zu betrachten, die ich früher als Problem eingestuft hätte.
Ein weiteres Thema bei der Veranstaltung des Schwimmverbands Rheinland auf der Karthause am 15. März ist der Vortrag von Norbert Heck „Save Sport – Prävention sexualisierte Gewalt“. Ist es auch in dieser Hinsicht für eine junge Sportlerin enorm wichtig, mental stark zu sein? Und wie kommen junge Sportler dahin?
Wer selbstbewusst ist und auch im Umfeld vertrauenswürdige Personen als Ansprechpartner hat, der hat einen gewissen Schutz. Aus meiner Sicht sollte man die Kinder jederzeit bestärken, sich anzuvertrauen, wenn ihnen etwas komisch vorkommt. Nichtsdestotrotz sollten auch Erwachsene, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, Schutz (vor Verleumdung) erfahren. Alle Beteiligten, Kinder, Jugendliche und Erwachsene, sollten die jeweiligen Grenzen des Gegenübers beachten, hier auch das Stichwort gegenseitiger Respekt und miteinander Regeln aufstellen, wie die Zusammenarbeit laufen soll.
Frau Steffen, waren Sie schon einmal in Koblenz?
Noch nicht.
Nach Formtief kommt Durchbruch mit Olympischem Gold
Britta Steffen war über 50 und 100 Meter Freistil Doppelolympiasiegerin 2008, Doppelweltmeisterin 2009 und Doppeleuropameisterin 2006. Aufgewachsen in Schwedt an der Oder, erhielt sie im Alter von zwölf Jahren die Möglichkeit, aufs Schwimm-Internat nach Potsdam zu gehen. Dort entwickelte sie sich zur Weltklasseschwimmerin und nahm 2000 in Sydney im Alter von 16 Jahren zum ersten Mal an Olympischen Spielen teil. Vier Jahre später in Athen startete Steffen auf zwei Strecken, ohne aber die gesteckten Ziele zu erreichen. Enttäuscht gab sie 2004 das Schwimmen auf und begann ihr Studium. Erst im August 2005 begann sie wieder zu trainieren, dann mit einer Mentaltrainerin, mit der sie den Durchbruch schaffte und 2008 in Peking zweimal Olympia-Gold gewann. Heute lebt Britta Steffen in Berlin und ist dort Laufbahnberaterin am Olympiastützpunkt.