Löser hatte sich für die Entscheidung der Frauen am Samstag ein zunächst lapidar klingendes Ziel gesetzt: genauso wie schon in der Prüfung am Freitag fehlerfrei und mit einer guten Zeit durchkommen. Gesagt, getan. Löser meisterte mit ihrem elfjährigen Hengst Dexter Bois Margot genauso wie Justine Tebbel alle Hindernis makellos – Stechen.
„Ich wusste, dass ich Gold sicher habe, wenn ich noch einmal fehlerfrei bleibe“, schilderte die junge Reiterin von der Aar, die den Vorteil hatte, nach Tebbel in den Parcours gehen zu können. Die Strategie änderte sich schon nach dem ersten Hindernis, an dem die Latte fiel. Als Mischung aus „fehlerfrei, sicher und zügig“ beschreibt die Amazone die Herangehensweise an die restlichen Sprünge. Der Plan ging mit einem Wimpernschlagfinale auf. Löser war 0,16 Sekunden schneller als Tebbel und krönte sich zur Deutschen Meisterin.
„Dieser Titel ist der wichtigste Erfolg in meiner bisherigen Laufbahn. Ich freue mich, in meinem zweiten Jahr bei den Senioren schon oben mitzumischen. Jetzt verfolge ich das Ziel, den Anschluss an den großen Sport zu finden“, sagt sie.
Zeit zum Genießen und Realisieren hatte Löser bislang noch nicht. Schon Anfang der Woche kreisten die Gedanken um das nächste Turnier in Polen, wo sie bis Freitag mit drei Pferden reiten wird. „Ich denke, danach werde ich die deutsche Meisterschaft erst richtig Revue passieren lassen können und am Montag vielleicht auch auf den Erfolg einmal anstoßen“, erzählt die Siegerin von Balve. Mit ihr jubeln wird dann wahrscheinlich Patrick Stühlmeyer, der am Sonntag die Entscheidung der Männer und Frauen für sich entschied und genauso wie Emilia Löser im Stall von Reitsport-Legende Paul Schockemöhle arbeitet.
Dort prägt die Arbeit mit den Pferden den Alltag der 23-Jährigen. „Ich versuche, mich jeden Tag auf die Pferde zu konzentrieren und mir Zeit für sie zu nehmen. Sie merken, dass ich zu 100 Prozent fokussiert bin, was ich umgekehrt auch von ihnen erwarte.“
Sieben, acht Pferde sattelt und reitet Löser pro Tag. Angefangen am frühen Vormittag („Das ist die ruhigste Zeit, in der man sich am besten auf sich selbst konzentrieren kann“) bis in den späten Nachmittag hinein. Der Feierabend rückt erst dann näher, wenn die Vierbeiner versorgt sind und im Stall Klarschiff herrscht.
Bei so viel Arbeit und Reisestrapazen kommt etwas Distanz zum Heimatverein auf. „Der Kontakt zum Verein ist dadurch leider gering, aber die Verbindung reißt nach wie vor nicht ab, weil zu Hause alle mitfiebern, mich regelmäßig kontaktieren und bei meinen Eltern nachfragen, was ich mache und wie es auf den Turnieren läuft. Ich bin stolz darauf, den Reit- und Fahrverein Niederneisen auch weiterhin vertreten zu dürfen.“
„Wir freuen uns mit Emilia, die unsere Farben in Deutschland und im Ausland vertritt, über diesen großartigen Erfolg“, gratuliert auch der RuF-Vorsitzende Thomas Biebricher. Die Glückwünsche und herzlichen Umarmungen sind ihr beim nächsten Besuch auf der heimischen Anlage schon jetzt gewiss sein. Denn wenn Emilia Löser ihr Zuhause besucht, ist ein Abstecher auf den Reitplatz an der Aar immer Pflicht. „Egal, ob es im Rahmen des Turniers ist, oder wenn meine Mutter oder meine kleine Schwester reiten.“
Letztmals in Niederneisen ritt sie selbst beim Heimatbesuch im Herbst letzten Jahres, aber das steht in der knapp bemessenen Zeit auch nicht an erster Stelle. „Wenn ich zu Hause bin, versuche ich, die Zeit etwas zu genießen, nicht immer nur im Sattel zu sitzen, sondern die Pferde immer nur von unten zu sehen. Dementsprechend bin ich dann meistens nur zu Fuß auf der Anlage.“
Stunden im Sattel verbringt Emilia Löser auch so genügend. Egal, ob in ihrem beruflichen Alltag oder in den Hinderniswäldern der Reitsportwelt so wie am Samstag am größten Tag ihrer bisherigen Laufbahn in Balve.