„Ultracycling“ nennt sich die Extremsportart, die die 29-Jährige ausübt und sie vor Kurzem zu einem Rennen quer durch Deutschland veranlasste. „Beim Ultracycling geht es um die Suche nach Herausforderungen und das Überschreiten von Grenzen“, sagt Knaul. Im Gegensatz zu klassischen Etappenrennen wie der Tour de France, wo tagsüber gefahren und nachts pausiert wird, geht es bei dieser Art von Radsport nonstop vom Start bis zum Ziel. In Knauls Fall in 40 Stunden 800 Kilometer von Aachen durch das nördliche Rheinland-Pfalz bis nach Görlitz. So war jedenfalls der Plan.
Unwetter zwingt Bad Kreuznacherin zur Aufgabe
„Leider musste ich das Rennen vorzeitig beenden“, berichtet die Bad Kreuznacherin. Der Grund: Schwere Unwetter über Deutschland. „Rund 200 Kilometer vor dem Ziel wurde das Wetter einfach zu gefährlich.“ Es donnerte und blitzte, Wasser überschwemmte die Straßen, und Bäume drohten auf die Strecke zu fallen. Knaul: „Deshalb entschieden mein vierköpfiges Team und ich, dass wir kein Risiko eingehen und das Rennen schweren Herzens abbrechen.“
Die Enttäuschung darüber ist Knaul auch Tage später noch deutlich anzumerken. „Es ist schwer zu akzeptieren, wenn man eine Entscheidung treffen muss, auf die man keinen Einfluss hat.“ Nichtsdestotrotz liegen mehr als 600 Kilometer und rund 5700 Höhenmeter innerhalb von 28 Stunden hinter der Radsportlerin. Ein echter Härtetest für Mensch und Rad. „Wenn man so lange am Stück Fahrrad fährt, bleiben Schmerzen und Müdigkeit nicht aus“, berichtet Selina Knaul vom Rennen. Entzündetes Knie, taube Finger, Magenkrämpfe, Sekundenschlaf – die 29-Jährige hatte während des zwei Tage dauernden Wettbewerbs mit einer Reihe von Problemen zu kämpfen.
600 Kilometer Strecke und nur 1 Stunde Pause
Umso beeindruckender ist, dass Knaul trotz alledem so gut wie keine Pause machte. „Abgesehen von kurzen Toiletten- und Ampelunterbrechungen habe ich nur für zwei kurze Schlafpausen von je 20 Minuten und eine Massage pausiert. Das war's.“ Die große Herausforderung sei es jedoch gewesen, trotz der Widrigkeiten mental fokussiert und motiviert zu bleiben. „Man durchlebt während des Rennens einige Höhen und Tiefen und muss auch mal fluchen. Trotzdem muss man weitermachen“, berichtet die Bad Kreuznacherin. Doch wie schafft man es, diese Herausforderung zu meistern, zumal die 29-Jährige bereits mit Knieproblemen an den Start gegangen war?
Knaul hatte monatelang trainiert, Körper und Kopf auf die Strapazen vorbereitet, Rad und Material getestet. „Körper und Geist müssen eine Einheit sein. Sonst schafft man es nicht.“ Aber die ehemalige Fußballerin, die für RB Leipzig in der Regionalliga kickte, weiß mit Ausnahmesituationen umzugehen. „Mich haben im Fußball schon des Öfteren Verletzungen ausgebremst, aber ich habe dagegen angekämpft oder bin immer wieder zurückgekommen“, sagt sie.
Extremsportlerin hat nächstes Rennen schon im Blick
So fand sie schließlich auch zum Radsport. Als ein Kreuzbandriss vor einigen Jahren das fußballerische Karriereende für sie bedeutete, wechselte die gelernte Sportmanagerin und Fitness-A-Trainerin vor fünf Jahren die Sportart und unterschrieb 2023 beim Rennstall Luckybike aus Leipzig.
„Ich liebe einfach Herausforderungen. Manchmal kann die Herausforderung für mich nicht groß genug sein“, erklärt Knaul, weshalb sie nicht einfach nur Radsport betreibt, sondern beim Ultracyclingrennen teilnahm. Umso bitterer ist es für sie, dass sie das Rennen nicht beenden konnte. „Körperlich und mental hätte ich die letzten 200 Kilometer noch geschafft.“ Aber die Bad Kreuznacherin richtet den Blick auch schon wieder nach vorne. „Mein Motto ist ja: Gebe niemals auf.“ So hat die Extremsportlerin bereits das nächste Ultracyclingrennen, diesmal von Berlin nach München und zurück, im August im Blick.