Neuwied. Nach dem Meisterstück war Sarah Kamarah die meistgefragte Gesprächspartnerin der Journalisten. Das lag nicht nur daran, dass die VCN-Kapitänin vom gegnerischen Trainer zum dritten Mal in dieser Saison zur besten Spielerin ihrer Mannschaft gewählt wurde. „Diese Wahl bedeutet mir nicht so viel“, räumte Kamarah ein, „wir sind alle so gut. Allein kann ich keine Spiele gewinnen.“
Doch die Sporttherapeutin symbolisiert wie keine andere den Aufschwung, den die Deichstadtvolleys seit dem Aufstieg in die 2. Bundesliga vor sechs Jahren genommen haben. Als einzige Spielerin des aktuellen Teams hat sie alle Zweitliga-Spielzeiten mitgemacht. „Ich bin gemeinsam mit Maike Hennig, die zwei Jahre nach mir kam, so etwas wie das Gesicht dieses Vereins“, stellt sie fest.
Daran war nicht zu denken, als Sarah Kamarah in der Spielzeit 2015/2016 beim VCN in der 2. Bundesliga debütierte. „Das war eine neue Herausforderung für mich“, sagt sie im Rückblick, „diese Entwicklung hätte ich damals nicht vorausgesehen. Jedes Jahr hatte ich den Gedanken, jetzt reicht's, jetzt sollte ich aufhören. Aber dann konnte ich mich doch nicht losreißen, weil ich immer das Gefühl hatte, da geht noch ein bisschen mehr.“
Während die Mannschaft jedes Jahr ein Stückchen besser wurde, lernten auch die Vereinsverantwortlichen stets dazu. „Der Verein hat viel gemacht in diesen Jahren und sich weiteentwickelt. Ohne den Vorstand und die vielen ehrenamtlichen Helfer wären unsere Erfolge nicht möglich geworden. Trotzdem ist die familiäre Atmosphäre im Verein immer stärker geworden“, stellt sie fest.
Unter den drei Trainern Milan Kocian, Bernd Werscheck und Dirk Groß etablierte sich die Mannschaft in der 2. Liga. „Vergleichen kann man die drei nicht, das sind drei verschiedene Personen“, stellt Kamarah klar, „von jedem habe ich viel gelernt.“ Zuletzt hat sie sogar ihre eigene Rolle auf dem Spielfeld neu definiert: „Ich war immer Mittelblockerin, aber Dirk Groß hat mich in dieser Saison auf Diagonalangreiferin umgeschult, und ich finde in diese Rolle immer besser hinein.“
Mit den Erfolgen wuchsen auch die Ziele, bis sich Kamarah und ihre Kolleginnen vor dieser Spielzeit den ultimativen Triumph vornahmen: die Zweitligameisterschaft, die sie nun bereits drei Spiele vor Saisonende unter Dach und Fach gebracht haben. „Dafür haben wir alle so viel geschwitzt und investiert“, sagt die Kapitänin, „dass wir es geschafft haben, ist ein schönes, ein einmaliges Gefühl.“
Schwer zu glauben, dass die Anführerin der Deichstadtvolleys, die am Dienstag ihren 32. Geburtstag feiert, noch immer nicht weiß, ob sie ab Oktober auch in der Bundesliga für den VCN aufschlägt. „Noch ist alles offen“, sagt sie, „ich habe viel darüber nachgedacht, aber ich bin noch zu keinem Entschluss gekommen.“ Nun, da der Titel errungen ist, stehen die Gespräche zwischen Verein und Spielerinnen an. „Jetzt können wir uns besser darauf konzentrieren.“ Natürlich hat es bereits Vorgespräche gegeben.
Von außen betrachtet, scheint es kaum vorstellbar, dass der VCN die Herausforderung Bundesliga ohne seine zwei „Gesichter“, ohne Sarah Kamarah und Maike Henning, angehen wird. „Wenn ich die Chance bekomme, kann ich weitere Erfahrungen sammeln“, überlegt Sarah Kamarah, „aber gleichzeitig stelle ich mir die Frage: Kann ich da mithalten?“
Die fast täglichen Autofahrten von ihrem Wohnort Bonn nach Neuwied, die Intensität des Trainings, die Coach Groß für die 1. Bundesliga weiter verschärfen wird, stellen eine zusätzliche und neue Herausforderung dar.
Doch ernsthafte Argumente nennt sie nicht, warum sie die Früchte der Arbeit aus sechs intensiven Jahren nicht mit den Teamkolleginnen ernten soll. „Ich komme mit jedem Menschen klar, habe mich mit allen Trainern und Spielerinnen gut verstanden“, lobt Kamarah die Harmonie im und um das Team „Für mich ist eine gute Kommunikation das A und O. Bei uns gibt es Lösungen statt Probleme.“ Es klingt doch recht zuversichtlich, dass Sarah Kamarah und der VC Neuwied auch das Problem Vertragsverlängerung schnell und zufriedenstellend lösen werden.
Und auch die Wahrscheinlichkeit, dass Maike Henning an Bord bleiben wird, ist nicht gering. „Als ich vom Internat in Dresden nach Hause zurückgekommen bin und in Neuwied angefangen habe, wollte ich den Spaß am Volleyballspielen wieder finden. Vorher habe ich zwei Mal am Tag trainiert, viel mehr investieren müssen. Trotzdem sind wir erfolgreich. Es ist schön, dass wir es als Verein zusammen geschafft haben, Meister zu werden und aufzusteigen“, sagt die 21-Jährige. „Ich bin offen“, sind ihre Worte auf die Frage, ob sie den Weg in die 1. Bundesliga mitgehen wird.