Beständigkeit sucht man im Profifußball genauso vergeblich wie einen Grand-Slam-Turniersieg in der Vita von Tennis-Ass Alexander Zverev. Mal abgesehen vom 1. FC Heidenheim, wo Trainer Frank Schmidt nach dem gesicherten Bundesliga-Klassenerhalt in seine 19. Saison auf der Ostalb geht. Das nennt sich mal kontinuierliches Arbeiten. Beim Heidenheimer Relegationsgegner SV Elversberg war Trainer Horst Steffen eigentlich auch nicht mehr wegzudenken.
Nach sieben Jahren beim saarländischen Sensationsteam geht der 56-Jährige mit dem breiten Grinsen und dem großen Gespür für talentierte Fußball-Profis aber nun zu Werder Bremen. Auch Trainer müssen schauen, wo sie bleiben und wo sie den nächsten Karriereschritt machen können. Und der heißt für Steffen nach sieben Jahren in der Regionalliga sowie in der dritten und zweiten Spielklasse eben Erste Liga. In Bremen folgt er auf Ole Werner, der bei Werder seinen Vertrag nicht vorzeitig verlängern wollte und dann nicht mehr an der Weser bleiben durfte. Werder wolle Kontinuität auf der Trainerposition sicherstellen, ließ der konsequente Klub verlauten. Da hilft ein Chefcoach, der ohnehin nur noch ein Jahr bleiben möchte, nicht wirklich weiter.
Ein bunter Hund bei der grauen Maus
Auch Sandro Wagner, bis Mitte Juni noch Assistenzcoach von Bundestrainer Julian Nagelsmann, war in Bremen gehandelt worden. Der frühere Stürmer übernimmt stattdessen und etwas überraschend den FC Augsburg, bei dem kürzlich Trainer Jess Thorup mitsamt Sportdirektor Marinko Jurendic entlassen wurde. Der eloquente Wagner soll den FCA vom Image der grauen Maus befreien, schließlich ist der 37-Jährige bekannt wie ein bunter Hund. Zahlreiche Klubs, vom Erstligarückkehrer 1. FC Köln bis hin zum einstigen Champions-League-Teilnehmer RB Leipzig, suchen derweil weiter nach einem neuen Trainer für die neue Saison.
In der 2. Liga hatte es im Endspurt der vergangenen Spielzeit eine ausgewachsene Entlassungswelle gegeben. Gleich sieben Coaches mussten kurz vor Toreschluss gehen, was sogar den Berufsverband Bund Deutscher Fußball-Lehrer auf den Plan rief. Ein Trainerwechsel ist eben immer noch der einfachste und schnellste Weg: Man hat einen Schuldigen gefunden und kann somit von Fehlplanungen und -einschätzungen der Vereinsführung ablenken.
Auch bei der Zusammenstellung eines Spielerkaders kann von Kontinuität längst keine Rede mehr sein. Es wird immer schwieriger, eine Mannschaft über einen längeren Zeitraum zusammenzuhalten. Diese Erkenntnis ist zwar nicht ganz neu, aber dennoch desillusionierend. Loyalität und Vereinstreue gibt es so gut wie nicht mehr, ebenso wenig wie Dankbarkeit. Wenn so viel Geld im Umlauf ist, zählen vielmehr Egoismen, Fußballer und Trainer sind eben auch nur moderne Wanderarbeiter. Was ihnen nur zum Teil vorzuwerfen ist: Eine Profikarriere ist nun mal kurz und bietet nur begrenzt und keineswegs verlässlich die großen Möglichkeiten.
Neuaufbau aufs Neue
So muss die Frankfurter Eintracht Jahr für Jahr, im Falle von Omar Marmoush war es sogar zum Halbjahr, ihre besten Torjäger ziehen lassen. Nach Sébastien Haller, Ante Rebic, Luka Jovic, Randal Kolo Muani und eben Marmoush wird es in diesem Sommer der junge Franzose Hugo Etikité sein, der das Weite und das große Geld sucht. Beim Rhein-Main-Nachbarn FSV Mainz 05 ist die Zukunft der beiden Nationalspieler Nadiem Amiri und Jonathan Burkardt weiterhin offen – auch wenn die Mainzer von einem Verbleib ihres Offensivduos ausgehen, das entscheidend zum Einzug in die Play-offs der Conference League beigetragen hat.
Besonders Amiri dürfte sich in einer Zwickmühle befinden. Der 28-Jährige weiß, was er an den 05ern hat: Erst nach seinem Wechsel von Bayer Leverkusen zu den Rheinhessen wurden seine fußballerischen Qualitäten wieder geschätzt und gebraucht. Gleichwohl könnte es sein, dass bei Amiri nicht mehr allzu viele große Vereine mit sportlichen Ambitionen und finanziellen Reizen vorstellig werden. Nicht nur auf dem Platz ist Fußball ein Spiel der genutzten, aber auch verpassten Chancen.
Bemerkenswert waren in diesem Zusammenhang die Aussagen von Fisnik Asllani nach dem verpassten Bundesliga-Aufstieg der SV Elversberg. Unter Tränen erklärte der 22-Jährige im Interview direkt nach dem Abpfiff des zweiten Relegationsspiels gegen Heidenheim, dass er allen Menschen rund um Elversberg extrem dankbar sei und dass er erst im beschaulichen Saarland den Spaß am Fußball wiedergefunden habe. Trotzdem muss der hochveranlagte Offensivspieler nach seiner Leihe nun zurück zu seinem Stammverein TSG Hoffenheim. Das Fußballgeschäft hat eben keine romantische Ader.
Ein Trainer als Grund zum Gehen
Dass die angesprochenen Beschäftigungsfelder von Trainern und Spielern in direkter Abhängigkeit zueinander stehen, beweist das Beispiel Leverkusen. Hätte der Spanier Xabi Alonso seine erfolgreiche Zeit unterm Bayer-Kreuz fortgesetzt, anstatt zu Real Madrid zu wechseln, würde der Werksklub wohl nicht einen derartigen Spieler-Exodus erleben. Ein Trainer kann für einen Fußballer ein Grund zum Bleiben sein – aber auch ein Grund zum Gehen.
So flüchtete Torwart Yann Sommer im Sommer 2023 laut der Aussage von Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge aus München, weil der damalige Trainer Thomas Tuchel keinen Wert mehr auf die Gesellschaft des früheren Gladbacher Keepers legte. Nun spielt Sommer bei Inter Mailand – und steht dank überragender Leistungen am Samstagabend im Champions-League-Finale gegen Paris Saint-Germain. In München. Die Bayern sind nur Zuschauer.