Auf 144 Seiten ist zu lesen, wie in diesem Land alles wieder besser werden soll, was alles schlechter geworden ist. Der Koalitionsvertrag der künftigen Regierungspartner aus Union und SPD liegt nach eingehenden Beratungen vor – und berücksichtigt tatsächlich den Sport in besonderer Weise. Bis hierhin hatte dieser im politischen Alltag keine allzu große Lobby, es sei denn, ein großes Fußballturnier oder ein olympischer Medaillengewinn ließ sich mit seiner Strahlkraft zur politischen Inszenierung und für öffentlichkeitswirksame Bilder und Stellungnahmen nutzen.
Jedenfalls scheint der deutsche Sport, in seinen zahlreichen Facetten im Spitzen- und Breitenbereich, durch den Koalitionsvertrag aus dem stiefmütterlichen Dasein in eine Pflanzreihe weiter vorn geholt zu werden. Dem Sport und dem für ihn so wichtigen Ehrenamt werden in dem umfangreichen Schriftsatz mit der Gesamtüberschrift „Verantwortung für Deutschland“ knapp drei Seiten gewidmet. Nur oder auch immerhin, kann man sagen, andere Bereiche müssen sich mit einem ähnlichen Umfang begnügen.
Leistung soll (wieder) im Vordergrund stehen
Unter Punkt 4.3 geht es ab Vertragsseite 116 einigermaßen sportlich zu, eingeleitet durch den Satz: „Sport soll Spaß und Lust auf Leistung machen.“ Besonders den Unionsvertretern war es wohl wichtig, neben dem Vergnügen wieder eine gewisse Ernsthaftigkeit zu betonen, wo doch nach Meinung vieler Schläfrigkeit und Laissez-faire dieses Land an den gefühlten Abgrund geführt haben. Und im Sport geht es schließlich um Leistung, um Siege, Titel, Medaillen. Hier kündigt das schwarz-rote Schriftstück einen „Paradigmenwechsel“ an: „Effizienter, flexibler und weniger bürokratisch“ soll es in der Spitzensportförderung zugehen, damit deutsche Athleten bei Großereignissen wieder in der Ersten Liga mitspielen. Leicht gesagt beziehungsweise geschrieben, deutlich schwerer umzusetzen – zumal hier bereits die Ampel auf keinen grünen Zweig gekommen ist. Aber gute Vorsätze sind ja schon mal besser als schlechte Absichten.
Allerdings sollte die neue Regierung stets im Auge behalten, dass der Sport weit mehr ist als Medaillengewinne bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften. Gerade in seiner Breite ist er für die Gesellschaft von immenser Bedeutung im Hinblick auf Gesundheitsfürsorge, Zusammenhalt, Identifikation, Integration, Inklusion, Toleranz, Vielfalt und Fairness. Das Ehrenamt spielt besonders in den Sportvereinen und -verbänden eine große Rolle und soll in Zukunft laut Koalitionsvertrag gestärkt werden. Ebenso wird eine „Traineroffensive“ im Leistungssport mit besserer Vergütung ausgerufen sowie eine groß angelegte und 1 Milliarde Euro schwere Sanierung und Modernisierung der darbenden deutschen Sportstätten und Schwimmbäder. Das alles – sowie auch die „steuerrechtliche Freistellung von Prämien für gewonnene Medaillen“ im Spitzenbereich – kann und sollte den Sport zuversichtlich stimmen, dass er endlich annähernd die Wertschätzung und Bedeutung bekommt, die ihm zusteht.
Stellvertreter und Stimme des Sports?
Das manifestiert sich im Berliner Manifest auch in dem Bekenntnis zur künftigen Ausrichtung von Großereignissen, neben Olympischen und Paralympischen Spielen sind hier ausdrücklich Weltmeisterschaften in der Leichtathletik und den Nordischen Ski-Wettbewerben sowie die Fußball-Europameisterschaft der Frauen und die World Games der nicht-olympischen Sportarten erwähnt. Was komplett neu ist und die sportlichere Ausrichtung der neuen Regierung betont, ist die Ernennung „eines Staatsministers für Sport und Ehrenamt im Bundeskanzleramt“, wie es auf Seite 118 des Koalitionsvertrages fast schon beiläufig heißt. Noch weiter hinten wird dann klargestellt, das dieser (oder diese?) aus den Reihen der CDU kommen wird.
Welchen Einfluss der Staatsminister, bloß nicht zu verwechseln mit einem Bundesminister, künftig haben wird, ist noch unklar. Aber immerhin hat der Sport jetzt einen eigenen Stellvertreter – und damit hoffentlich eine starke Stimme – im politischen Alltag. Bis dato war der Sport im Bundesministerium des Innern und für Heimat verortet, als eines und in der Rangfolge unterstes von neun Themengebieten.