Im Moment des eigenen Triumphs und des gegnerischen Scheiterns bewies Bo Henriksen Größe. Bevor der Trainer des FSV Mainz 05 über das Spiel, den 4:1-Sieg seiner Mannschaft und die Chancen im Kampf um die Teilnahme an einem europäischen Wettbewerb sprach, widmete er sich dem VfL Bochum. „Absolute Weltklasse“ bescheinigte er den Anhängern des Tabellenletzten nicht nur für deren Unterstützung ihrer Mannschaft während der gesamten Partie, sondern erst recht für die lang andauernden Ovationen und Gesänge hinterher, als der Abstieg besiegelt war.
„Was für ein wunderschönes Erlebnis mit den Fans“, sagte Henriksen und kam erst danach auf die noch viel erfreulicheren Mainzer Geschehnisse zu sprechen. Zum eigenen Erfolg nämlich gesellte sich das 0:0 von RB Leipzig in Bremen – womit die 05er an den Sachsen vorbei auf den sechsten Tabellenplatz gerückt sind. Sprich: Sie haben es wieder in der eigenen Hand, ob sie in der nächsten Saison international dabei sind.
Große Lust auf das Heim-Endspiel
„Wir haben das gewünschte Finale“, resümierte 05-Sportdirektor Niko Bungert. „Am 34. Spieltag auf einem Europapokalplatz ins Heimspiel zu gehen, war das, was wir erreichen wollten. Jetzt haben wir ein wunderbares Spiel gegen einen Topgegner vor der Brust, und darauf haben wir große Lust.“ Ein Sieg am Samstag (15.30 Uhr/Sky) gegen Bayer Leverkusen, und die Mainzer wären nicht auf Stuttgarter Schützenhilfe in Leipzig angewiesen.
Ein Prunkstück ihrer Fußballkunst war es lange Zeit nicht, was die 05er im Ruhrstadion boten. Zur ersten Halbzeit passte es, dass die Führung erst in der Nachspielzeit und per Standard fiel. Nadiem Amiri erzielte sein zweites Freistoßtor in dieser Saison, aus 22 Metern zentraler Position versenkte der Spielmacher den Ball im linken oberen Winkel. Ein Treffer aus dem Spiel heraus hätte schon durch Zufall zustande kommen müssen, so wild, zerfahren, umkämpft, aber wenig strukturiert sich die Begegnung bis dahin gestaltete, nimmt man die erste Viertelstunde aus.
Probleme mit dem Bochumer Pressing
In der belief sich der Mainzer Ballbesitz auf 70 Prozent, Jonathan Burkardt besaß nach 30 Sekunden die Chance zum 1:0, Torwart Timo Horn wehrte den abgefälschten Ball gerade noch ab. In der neunten Minute scheiterte Phillipp Mwene mit einem Schlenzer am auf der Linie per Kopf klärenden Ivan Ordets. Danach wurden die klaren Aktionen zur Mangelware. Das hohe Tempo wich vielen Mittelfeldzweikämpfen, Ballverlusten hüben wie drüben und Mainzer Problemen im Spielaufbau.
„Wir hatten Probleme mit dem hohen Bochumer Pressing“, analysierte Henriksen. „Wir hätten darauf mit langen Bällen reagieren können, aber das will ich nicht immer sehen.“ Mitte des ersten Durchgangs rief er deshalb Amiri zwecks taktischer Anpassung zu sich. Der zentrale Mittelfeldspieler sollte auf den linken Flügel ausweichen, um dort Überzahl herzustellen und einen geordneten Aufbau von hinten heraus zu ermöglichen. Dennoch blieb es bis zur Pause ein schwieriges Unterfangen, „Bochum war ein bisschen besser.“
Welche Serie endet am Samstag?
Das änderte sich nach dem Seitenwechsel. Der VfL, dem nur ein Sieg geholfen hätte, machte zwangsläufig Räume auf, „die man gegen Mainz nicht aufmachen darf“, wie Bochums Trainer Dieter Hecking konstatierte. Und die Rheinhessen steigerten sich enorm. Mwene, Burkardt und in der Nachspielzeit Paul Nebel schraubten das Ergebnis in die Höhe, Gerrit Holtmanns zwischenzeitliches 1:3 feierten die Bochumer Fans zwar ausgelassen, es fiel aber nicht ins Gewicht.
„Das war für alle ein sehr spezielles Spiel“, resümierte Henriksen, dessen Akteure sich nach der Partie einen ausgelassenen Jubel verkniffen. „Wir haben uns aus Respekt vor den Bochumern zurückgehalten“, sagte der 17-Tore-Mann Burkardt. Das soll am nächsten Samstag ganz anders aussehen. Der Trainer weiß um die Schwere der Aufgabe: „Wir haben zu Hause seit sechs Monaten nicht verloren“, sagte er. „Aber Leverkusen ist seit zwei oder drei Jahren auswärts ungeschlagen.“ Klang wie ein Scherz. Stimmt aber. Beim „Finale dahaam“ sollten die 05er eine zweijährige Serie beenden.