Vor knapp 14 Jahren bekam der 1. FSV Mainz 05 eine neue sportliche Heimat, mitten in den Feldern des Stadtteils Bretzenheim. Die Arena in Laufnähe des Europakreisels hat in diesen Jahren schon so manches Fußball-Fest beherbergt, rauschende Siege gegen die Bayern oder den BVB etwa. Stimmungstechnisch erlebte das kompakte Stadion nun aber einen neuen Höhepunkt. „Krass, das war absolute Gänsehaut“, schwärmte der Mainzer Stürmer Jonathan Burkardt nach dem 2:2 (1:0) in der Bundesliga gegen den SC Freiburg über die Erlebniswelt am Europakreisel. „So etwas habe ich hier noch nie erlebt.“
Die Atmosphäre war zum Teil einem in der zweiten Halbzeit turbulenten Spiel geschuldet, zum Großteil jedoch den Feierlichkeiten des 120-Jahre-Jubiläums des Klubs. Vor dem Anpfiff wurde ein riesiges Banner in der Westkurve hochgezogen, es zeigte jubelnde Fans und den Ort der Vereinsgründung im Jahr 1905, das Café Neuf. Bis auf die Freiburger Anhänger waren die Stadionbesucher mit Fahnen ausgestattet worden, was die Arena in Rot tauchte. „Das war sehr beeindruckend“, staunte auch Gäste-Trainer Julian Schuster. 05-Sportdirektor Niko Bungert hatte ein besonderes Gefühl für diesen Nachmittag: „Es lag was in der Luft.“ Die Mainzer liefen zur Feier des Tages in weißen Sondertrikots mit rotem Diagonalstreifen auf, die in ihrem Retro-Look stark an die peruanische Nationalmannschaft bei der WM 1982 erinnerten.
Beste Stimmung, zäher Beginn
Der Beginn der Partie zwischen zwei disziplinierten Mannschaften geriet dann allerdings recht zäh. Die beiden Champions-League-Anwärter wollten ihre Chance nicht gleich im Hurra-Stil verspielen. Mit der ersten echten Torraumszene – nach 34 Minuten – gingen die Rheinhessen etwas überraschend in Führung. Burkardt stand bei einer scharfen Hereingabe von Anthony Caci goldrichtig, es war der 15. Saisontreffer des 24-Jährigen. Noch kurz vor der Pause dezimierten sich die Mainzer selbst. Dominik Kohr sah nach einem Foul an der eigenen Strafraumgrenze gegen Lucas Höler zuerst die Gelbe Karte, Schiedsrichter Benjamin Brand entschied zudem auf Elfmeter.
Nach einem ausgedehnten Videostudium berichtigte der Unparteiische auf Rot für Kohr und Freistoß für Freiburg (43.). Welche der beiden Varianten den 05ern nun lieber war, sei dahingestellt, SCF-Trainer Schuster war jedenfalls klar, „dass du Mainz auch in Überzahl nicht komplett in den Griff bekommst“. Zwar kam seine Mannschaft durch den eingewechselten Michael Gregoritsch zum zwischenzeitlichen Ausgleich (58.), doch Mainz 05 wäre nicht Mainz 05, wenn es locker ließe. Unter dem energiegeladenen Trainer Bo Henriksen geht halbe Kraft offenbar nicht, sondern nur Vollgas.
Lob für Mainzer Nationalspieler
Und so gingen die Hausherren in Unterzahl tatsächlich auf die neuerliche Führung, angetrieben durch die kürzlich für die deutsche Nationalmannschaft berufenen Burkardt und Nadiem Amiri. „Unglaublich, was die beiden leisten“, lobte Coach Henriksen. Das galt auch für Torwart Robin Zentner, der zwar nicht für die DFB-Elf berufen wurde, dies aber durchaus verdient hätte. Zentner verhinderte durch eine Reihe starker Paraden den zweiten Freiburger Treffer, auf der Gegenseite erzielte Verteidiger Andreas Hanche-Olsen das zweite Mainzer Tor (74.). Die Arena stand kopf, die Euphorie zündete eine neue Stufe. Doch dann schlug abermals der SC Freiburg zurück: Nach Vorarbeit des starken Ritsu Doan traf Lukas Kübler zum leistungsgerechten 2:2 (79.).
Nach diesem zum Ende hin wilden Ritt musste sich auch Jonathan Burkardt erst einmal sammeln. Für ihn und seinen Teamkollegen Amiri geht es nun zur DFB-Elf, die am 20. und 23. März im Nations-League-Viertelfinale gegen Italien antritt. Zum ersten Mal in der 05-Vereinsgeschichte stellt der Klub gleichzeitig zwei deutsche Nationalspieler. „Die Berufung zeigt, dass gesehen wird, was in Mainz passiert“, freute sich Burkardt. Wenn die Dinge bei den seit sechs Spielen unbesiegten Mainzern so weiterlaufen, dürfte bald auch die Champions League am Europakreisel gastieren, mitten in den Feldern des Stadtteils Bretzenheim.